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Abb. 59 (Text S. S8) Tcil einez Fenstcrs in der Dreikönigenkapelle Phot. Hcrmann
wenn Orgelklang brausend,
einem zu Mustk gebundenen
Sturme gleich, durch die wei-
ten Hallen rauscht und wiedcr
leise, sanft durch den Raum
um die Pfeiler webt, wenn
in herrlichem Gesange helle,
liebliche Knabenstimmen bald
abwechseln mit ernsten Män-
nerstiinmen, bald mit ihnen zu
engelgleichemChore sich einen,
wenn Weihrauchwolken von
der heiligen Stätte empor-
steigen und den Pfeilerwald
durchziehen, wenn Gebet, das
jene sinnbilden, mit dem hei-
ligen Opfer aus Herzen und
Händen emporsteigt, wenn
wir, ergriffen von alledem,
was Menschenkunst und Men-
schengeist vermag und wirkt
mit Gotteskraft, vergessen kön-
nen die Welt da draußen mit
ihrem Getriebe und ihren eit-
len Genüssen und uns ekelnd
lossagen können von der
Sünde, wenn hier unser Herz,
geleitet von der Kunst derMen-
schen, den Weg emporfindet
zum Urquell alles wahrhaft
Guten und Schönen, dann
erleben wir den wahren Ge-
nuß des Kölner Domes —
und mehr als das: einen Vor-
geschmack der Wonnen des
Himmels, wo alle Kunst und Kraft der von
Sündeu ledigen Geschöpfe sich vereinen in der
beseligenden Verherrlichung Gottes!
Alle Kunstschätze, welche der Kölner Dom in
seinem Juuern birgt, auch nur mit wenigen
Worten, geschweige denu nach Gebühr, der Be-
trachtung näher bringen wollen, hieße unsere Aus-
gabe gewaltig überschreiten. Wir beschränken
uns auf das Wertvollste, und was das Wort
nicht sagt, mögen die Abbildungen, die wir nach
dem Besteu wählten, erläutern. Letzthin aber
sollen unsere Ausführungen, das ist ja ihr weiteres
und wichtigeres Ziel, dem Dome neue Freunde
gewinneu und sie bewegen, daß sie mit eigenen
Augen zu schauen kommen.
Beginnen wir mit der ältesten wie voruehm-
sten Stätte des Domes, mit dem Chore (Abb. 27
u. 32). Seine frühere Ausstattung ist nur noch
zum Teil erhalten, jedoch in Werken von hohem
Werte, in vier bedeutenden Denkmälern mittel-
alterlicher Kunst. Wir meineu das Chorgestühl,
darüber die Wandmalereien auf den Chorschran-
ken, die den Chor vom Umgange scheiden, ferncr
die Standbilder Jesu und Mariä und von zwölf
Aposteln an den schlanken Pfeilern, welche den
Chor nebst dem Altarraume umgeben, endlich
den Hochaltar. Alle diese Werke dürften um die
Mitte des 14. Jahrhunderts, kurze Zeit nach der
architektonischen Vollendung des Chores, entstan-
den sein.
Das herrliche Chorgestühl (Abb. 28, 32, 34, 39)
dürfen wir hinsichtlich der Schnitztechnik und des
Reichtums der künstlerisch verarbeiteten Jdeen als
das kostbarste und originellste unter den bekannten
Gestühlen der gleichen Zeit ansprechen. Neben
den ernsten Darstellungen in den Vierpässen der
Wangen ist eine Fülle vou Einfällen über diese
Chorstühle ausgegossen. „Sie zeigen in charakte-
ristischer Weise, wie man es im Mittelalter nicht
verschmähte, selbst in der Kirche humoristische
und satyrische Darstellungen an untergeordneten
Gegenständen anzubringen. Diese Schnitzwerke
nehmen ihrer überaus feinen Stilisierung wegen
eine sehr bedeutende Stelluug ein. Den Meister,
der dieses Werk geschaffen, zeichnet ein feiner
Geschmack, eine künstlerische Fertigkeit und eine
ausnehmende Leichtigkeit in der Darstellung in
hohem Maße aus. Die verschiedenen Figuren
und Gruppen bekunden eine sprudelnde Fülle
reicher und blühender Gedanken, und der Künst-
ler verstand es, aus dem Chorgestühl des Domes
Abb. 59 (Text S. S8) Tcil einez Fenstcrs in der Dreikönigenkapelle Phot. Hcrmann
wenn Orgelklang brausend,
einem zu Mustk gebundenen
Sturme gleich, durch die wei-
ten Hallen rauscht und wiedcr
leise, sanft durch den Raum
um die Pfeiler webt, wenn
in herrlichem Gesange helle,
liebliche Knabenstimmen bald
abwechseln mit ernsten Män-
nerstiinmen, bald mit ihnen zu
engelgleichemChore sich einen,
wenn Weihrauchwolken von
der heiligen Stätte empor-
steigen und den Pfeilerwald
durchziehen, wenn Gebet, das
jene sinnbilden, mit dem hei-
ligen Opfer aus Herzen und
Händen emporsteigt, wenn
wir, ergriffen von alledem,
was Menschenkunst und Men-
schengeist vermag und wirkt
mit Gotteskraft, vergessen kön-
nen die Welt da draußen mit
ihrem Getriebe und ihren eit-
len Genüssen und uns ekelnd
lossagen können von der
Sünde, wenn hier unser Herz,
geleitet von der Kunst derMen-
schen, den Weg emporfindet
zum Urquell alles wahrhaft
Guten und Schönen, dann
erleben wir den wahren Ge-
nuß des Kölner Domes —
und mehr als das: einen Vor-
geschmack der Wonnen des
Himmels, wo alle Kunst und Kraft der von
Sündeu ledigen Geschöpfe sich vereinen in der
beseligenden Verherrlichung Gottes!
Alle Kunstschätze, welche der Kölner Dom in
seinem Juuern birgt, auch nur mit wenigen
Worten, geschweige denu nach Gebühr, der Be-
trachtung näher bringen wollen, hieße unsere Aus-
gabe gewaltig überschreiten. Wir beschränken
uns auf das Wertvollste, und was das Wort
nicht sagt, mögen die Abbildungen, die wir nach
dem Besteu wählten, erläutern. Letzthin aber
sollen unsere Ausführungen, das ist ja ihr weiteres
und wichtigeres Ziel, dem Dome neue Freunde
gewinneu und sie bewegen, daß sie mit eigenen
Augen zu schauen kommen.
Beginnen wir mit der ältesten wie voruehm-
sten Stätte des Domes, mit dem Chore (Abb. 27
u. 32). Seine frühere Ausstattung ist nur noch
zum Teil erhalten, jedoch in Werken von hohem
Werte, in vier bedeutenden Denkmälern mittel-
alterlicher Kunst. Wir meineu das Chorgestühl,
darüber die Wandmalereien auf den Chorschran-
ken, die den Chor vom Umgange scheiden, ferncr
die Standbilder Jesu und Mariä und von zwölf
Aposteln an den schlanken Pfeilern, welche den
Chor nebst dem Altarraume umgeben, endlich
den Hochaltar. Alle diese Werke dürften um die
Mitte des 14. Jahrhunderts, kurze Zeit nach der
architektonischen Vollendung des Chores, entstan-
den sein.
Das herrliche Chorgestühl (Abb. 28, 32, 34, 39)
dürfen wir hinsichtlich der Schnitztechnik und des
Reichtums der künstlerisch verarbeiteten Jdeen als
das kostbarste und originellste unter den bekannten
Gestühlen der gleichen Zeit ansprechen. Neben
den ernsten Darstellungen in den Vierpässen der
Wangen ist eine Fülle vou Einfällen über diese
Chorstühle ausgegossen. „Sie zeigen in charakte-
ristischer Weise, wie man es im Mittelalter nicht
verschmähte, selbst in der Kirche humoristische
und satyrische Darstellungen an untergeordneten
Gegenständen anzubringen. Diese Schnitzwerke
nehmen ihrer überaus feinen Stilisierung wegen
eine sehr bedeutende Stelluug ein. Den Meister,
der dieses Werk geschaffen, zeichnet ein feiner
Geschmack, eine künstlerische Fertigkeit und eine
ausnehmende Leichtigkeit in der Darstellung in
hohem Maße aus. Die verschiedenen Figuren
und Gruppen bekunden eine sprudelnde Fülle
reicher und blühender Gedanken, und der Künst-
ler verstand es, aus dem Chorgestühl des Domes