Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

DOI Heft:
Huppertz, Andr.: Der Kölner Dom
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0124
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
38

der Kopfseite (Abb. 63) sttzt unter einem Halb-
kreisbogen Maria mit dem göttlichen Kinde,
dem stch von links unter einem Kleeblattbogen
die heiligen Drei Könige anbetend nahen (Abb.68).
Hinter diesen steht der Gegenkaiser Otto IV.
(1198—1215), vielleicht weil er diese kostbarste,
in Gold getriebene und aufs reichste geschmückte
Seite des Schreines stiftete. Unter dem rechten
Kleeblattbogen ist die Taufe Christi dargestellt.
Das trapezförmige Stück der Front über diesen
Szenen (Vgl. Abb. 67) ist abnehmbar, so daß bei
besonderen Gelegen-
heiten die Häupter der
im unteren Teile des
Schreines ruhenden
Gebeine der heiligen
Drei Könige gezeigt
werden können. Oben
im Giebelfelde thront
Christus zwischen zwei
Engeln mit Leidens-
werkzeugen. Die an-
dere Schmalseite des
Schreines (Abb. 64)
enthält unten im mitt-
leren Bogen die Figur
des Jeremias als Pro-
pheten des Leidens
Jesu, zu seinen Seiten
die Geißelung und
Kreuzigung, der Zwik-
kel darüber die Halb-
figur Reinalds von
Dassel, dem Köln die
kostbaren Reliquien
verdankt, und das Gie-
belfeld den stehenden
Heiland, die Hände
über die beiden Mär-
tyrer Felix und Na-
bor, deren Gebeine im
oberenTeiledesSchrei-
nesruhen, ausstreckend.

Auf den Langseiten sitzen in der unteren Reihe
unter Kleeblattbögen je sechs Einzelfiguren von
Propheten mit Moses und Aaron, David und
Salomon, oben unter Rundbögen die Apostel
(Abb. 62). Die verloren gegangenen, getriebenen
Platten der Dächer mit Darstellungen aus dem
Leben Jesu sind durch wenig passende Malereien
ersetzt.

Betrachtet man die lebenswahren figürlichen
Darstellungen, vor allem die Propheten und Apostel
mit ihrem Selbstbewußtsein, ihrer Hoheit, ihrem
visionären Schauen und Lauschen auf die Jnspi-
ration (Abb. 65 u. 66), so begreift man nicht, wie
diese Werke rund 150 Jahre vor den hervorragen-
den Steinplastiken des Domes entstanden sein
können. Doch dürfen wir nicht vergessen, daß sie
reife Leistungen eines ersten Meisters unseres
Nachbarlandes sind, wo man uns damals auf
dem Gebiete der Kunst weit voran war. Jst ja

auch der Dom selbst, wie oben bemerkt, erst rund
100 Jahre nach den Meisterleistungen der fran-
zösischen Kathedralen begonnen worden. Wollten
wir uns nun in die Betrachtung der dekorativen
Pracht versenken, die alle die Darstellungen um-
gibt, diesen Überreichtum an Email-, Treib-,
Ziselier- und Filigranarbeit, an kostbaren, teil-
weise der Antike entstammenden, geschliffenen und
geschnittenen Edelsteinen und Halbedelsteinen,
nicht weniger als 1540 an der Zahl, wir kämen an
kein Ende. Aberauchhierheißtes: Kommundschau!

EinebedeutendeLei-
stung aus späterer Zeit
ist der Engelbertus-
schrein (Abb. 75). Jm
Jahre 1633 wurde er
vonKonrad Duisbergh
in Köln ganz in Sil-
ber mit teilweiser Ver-
goldung ausgeführt.
Die beiden Schmal-
seiten zeigen Christus
mit Petrus und Ma-
ternus sowie die An-
betung der Könige;
an den Langseiten ste-
hen in Nischen die Fi-
guren je fünf bedeuten-
der Kölner Bischöfe;
dazwischen befinden
sich Reliefplatten mit
Begebenheiten aus dem
Leben des hl. Engel-
bertus, am Deckel acht
Szenen mit wunder-
baren Heilungen, die
am Grabe Engelberts
geschehensind. Auf den
Ecken sitzen die vier
Evangelisten, und auf
dem Deckel ruht die
silberne Figur des Hei-
ligenzwischen zweiver-

ehrendcn Engeln.

Aus der Fülle der kleineren Goldschmiede-
arbeiten können wir nur wenige zur Besprechung
und Abbildung auswählen. Nach der Überliefe-
rung stammt die Elfenbeinbekrönung eines Stabes
vom Stabe des hl. Petrus (Abb.71). Ein kostbares
Stück ist das Reliquiar mit einer Partikel des
hl. Kreuzes (Abb. 69). Die goldene Fassung des
Doppelkreuzes ist eine byzantinische Arbeit des
11. Jahrhunderts. Aus der getriebenen Mittel-
platte verehren weihrauchspendende Engel das
Kreuz; auf den Türchen sind, ebenfalls in Treib-
arbeit, innen Kaiser Konstantin und seine Mutter,
die hl. Helena, außen Bkaria und Johannes dar-
gestellt. Jn romanischer Zeit erhielt das Reli-
quiar seine jetzige Gestalt. Ein romanisches Kreuz
aus vergoldetem Kupfer mit Email und Filigran
(Abb.70) erhielt später einen Fuß, der geschmückt
ist mit Email- und Filigranplatten vom Drei-

Abb. 78 (Text S. 39) Phot. Kölner Kunstverlag

Croysches Epitaph
 
Annotationen