Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0129
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3

ieFamilie, der Anselm Feuerbach,
der Maler, entstammt, läßt sich an
Hand der Kirchenbücher von Frank-
furt a.M. zeitlich bis zur Wende des
16. zum 17. Jahrhundert zurückleiten.
Ortlich führt die Ursprungslinie ins hessische
Gebiet. Da saß in Lauterbach ein Johann Feuer-
bach im protestantischen Pfarramt. (Die Ver-
mutung, daß das Geschlecht aus einem Dorfe
Feuerbach bei Friedberg in der Wetterau stamme,
scheint sich nicht zu bestätigen; nach einer sreund-
lichen Mitteilung gibt es in Oberhessen keinen Ort
Feuerbach. Es müßte denn sein, daß Fauerbach
bei Friedberg ursprünglich Feuerbach hieß, was
nach einer weitern freundlichen Mitteilung aber
nicht der Fall zu sein
scheint.)

Der Nachkomme des
als Stammvater Ge-
nannten verzog nach
Frankfurt a. Main. Er
wählte als Beruf den
juristischen Dienst. War
dieser für ihn nur der
eines Landamts- und
Gerichtsschreibers, so
stieg sein Enkel empor
zur Würde eines Uni-
versitätsprofessors und
später zu der eines
Staatsrates im baye-
rischen Dienste: es ist
dies derberühmteRechts-
philosoph und Krimina-
list Anselm Ritter von
Feuerbach. Und das ist
der Großvater des Ma-
lers Anselm Feuerbach.

Es ist notwendig, bei
seiner Persönlichkeit und
seinem Wirken etwas zu
verweilen, daanihmzum
erstenmalsich die geistige
Art der Feuerbach beob-
achten läßt. Später,
wenn vom Maler selber die Rede sein wird,
kann dann die Erinnerung neben sein Bild das
des Großvaters vergleichend stellen. Geboren in
Hainichen bei Jena im Jahre 1775, war er zuerst
Lehrer des Rechtes an der an bedeutenden
Männern so reichen Universität Jena, später in
Kiel. „Von der äußersten nördlichen Spitze von
Deutschland", kam er, wie er selber schreibt in
einem Brief an seinen Vater, 1804 an die „beinahe
äußerste südliche Spitze": nach Landshut a. d. I.,
an die damals neu errichtete Universität. Uber
sein „Wanderleben" schreibt er: „Dies ist das
Los der akademischen Dozenten von unruhigem
Geiste wie ich; sie haben kein Vaterland und
schlagen nomadisch bald da, bald dort ihre bretterne
Bude aus." Jm gut niederbayrisch' Land gefiel
dem Mann aus dem Norden — wiederum nach
seinen Briefen — das liebliche Klima des südlichen

Bayern, die außerordentlich schöne Gegend von
Landshut so gut, daß er ans Wandern nicht mehr
denken wollte. Zudem glaubte er, als Lehrer
und Gelehrter sein Bestes geben zu können.
Aber schon nach einem Jahr ist ihm die Stätte
seines Wirkens ein Ort der Verzweislung. Es
spricht daraus die seelische Art des Mannes. Schon
jetzt kann bemerkt werden, daß der Familienname
für das Geschlecht ein bedeutungsvolles Zeichen
ist, wie es Freunde des großen Mannes selbst
andeuteten, wenn sie schrieben „Feuer—bach" oder
den Namen übertrugen in „Vulcanus". Solch
eine Natur war dazu geboren, gegen Napoleon 1.
zu schreiben „Über die Unterdrückung und Wieder-
befreiung Europas", eineSchrift, in der amtlicher-

seits — es ist das der
Geist der Regierung von
damals — man „die
ruhige, leidenschaftslose,
würdige Sprache ebenso
wie die dem feindlichen
Souverain und den in
allen Staaten bestehen-
den Jnstitutionen gebüh-
rendeAchtung" gänzlich
vermißte. Es sei einge-
schaltet, daß Feuerbach
auch für seine Glaubens-
genossen mit der ihm
eigenen Energie eintrat.
Wichtiger aber ist seine
Bedeutung für die Ent-
wicklung des modernen
Rechtes und die Aus-
bildung des modernen
Staatswesens. Er trat
ein für die Abschaffung
der Folter in Bayern
und trug die Hauptarbeit
bei der umfassenden Re-
form der baherischen
Zivil- und Strafgesetz-
gebung, vor allem der
letzteren, die nach dem
Eoäsx zuris Luvariel
oriminulissGrundbuchdesbayrischenStrafrechtes)
von 1751vonbarbarischerStrengewar. Freilichwar
auch das von Feuerbach bearbeitete Strafgesetzbuch
von1813kein durchaus glücklichesWerk. Auch erbe-
trachtete die Strafe unter dem Gesichtspunkt der Ab-
schreckung. Es muß bemerkt werden, daß Feuerbach
solche Arbeiten leistete in einem Alter, das noch
vor der Höhe des Manneslebens liegt. Auch an
der Ausarbeitung der bayerischen Verfassung war
Feuerbach mittätig. Und der deutschen Einheit
war er ein Vorkämpfer, dabei aber kein Freund
kleinlicher Veräußerlichung des nationalen Ge-
dankens. Die Summe seines Lebens zog er selbst
mit den Worten: „Ein glückliches Leben in ge-
wissem Sinne des Wortes ist gar nicht für mich
gemacht, und war es nie. Jch muß arbeiten,

kämpfen, ringen, streben, das ist meine Sache.,

daß die Leute mich lieben, ist gar nicht meine

Abb. 3 <Text S. 3 u. 40) Phot. Frz. Hansstacngl

Bildnis des Vaters


 
Annotationen