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Abb. S iText S. 8) Phot. Frz. Hanfstaengl
Sclbstbildnis
weglichkeit, geistig hochbegabt, voll Witz und
Phantasie und heißer Leidenschaftlichkeit." Dazu
die Fülle blondlockigen Haares. Der Arm mit
dem sich bauschenden Ärmel ist wohl etwas schwer.
Die Mutter starb schon im Jahre 1830. Jn
der ersten Zeit nahmen sich der Kinder die Ver-
wandten der Mutter in liebevollster Weise an.
Dann bekamen sie (1834) eine neue Mutter
in Henriette Heydenreich aus Ansbach, eine
Mutter, gut wie der besten eine. „Grenzenloses
Mitleid mag unsere zweite Mutter zu diesem
gesegneten Entschluß veranlaßt haben", schreibt
rückschauend und dankend der Sohn. Jhm war
sie auch das meiste: ohne ihre materielle wie
seelische Hilfe wäre er nicht auf die Höhe ge-
langt, nicht durchs Leben gekommen. Jhre feinen
Züge, aus denen geistige Kraft und seelische Vor-
nehmheit, wie auch viel getragenes Leid sprechen,
mag das Bild (Abb. 4) von der Hand des Sohnes
aus seiner reisen Zeit vor Augen führen. Das
Begleitwort sei aber an dieser Stelle nicht eine
künstlerische Würdigung des Porträts, sondern
eine Ehrung der Mutter, ausgehoben aus Briefen
des Sohnes: „Du stellst Dein Sein stets in den
Hintergrund .... Du bist unsere einzige
Stütze.Jch kann Dir, liebe Mutter, alles
offen sagen, da Du ja die Einzige bist, die mich
trägt und leidet und lieb hat. Jch habe
Deinen letzten lieben Brief so lange herumge-
tragen, bis er ganz fadenscheinig geworden ist
und ich glaube wirklich, daß ein ähnliches Ver-
hältnis, ein ähnliches inneres Verständnis ein
Stück Glückseligkeit auf Erden ist und wenn es
keine Kämpfe gegeben hätte, würde es nie so
geworden sein, wie es nun ist.wenn wir
Dich verlieren, so ist's mit meiner Kunst auch
aus, das weißt Du. Jch weiß, daß ich
Dir nie genug danken kann."
Jn Speyer geboren, wuchs Anselm in Frei-
burg i. B. auf: „.der schöne Schwarzwald
mit seinen Felsenschluchten und stürzenden Bächen
ist von da an neun Jahre lang der Hintergrund
meines kindlichen Denkens und Empfindens ge-
worden." Aus diesen Worten des „Vermächt-
nisses" mag schon jetzt sein Naturgefühl erkannt
werden. Naiv-launig schreibt er in den ersten
Jahren der Fremde heim, ob die Tannen des
Schwarzwaldes noch nicht nach ihm gefragt haben.
Und später holt auch er in der Natur sich Er-
frischung der erschöpften Kräfte des Körpers und
auch des Gemütes. Und findet sie immer wieder
rasch. Von Paris aus geht er an den Ozean,
von Venedig aus in die Berge, von Rom aus
ans Meer. Noch aber ist die blühende, goldene
Zeit seiner Kindheit. Es ist von Bedeutung
deutlich zu sehen, was für ein srisches, frohes
Kind der Mann war, für den der Kampf um
einen geistig-künstlerischen Lebensinhalt so schwer
war wie nur für einen der Künstler oder für
eines der Menschenkinder, die den eigenen Weg
in ihrem Leben gehen mußten nach dem Gesetz
ihrer Persönlichkeit und dem ihres Lebens. Jn
den Lebenserinnerungen dcs „Vermächtnisses",
das gerade in diesem Abschnitt eine kösttiche
Frische atmet, erzählt er selbst in behaglicher
Rückschau von seiner Wirksamkeit als Straßen-
junge: „Prügel hin und her, manchmal große
Schlachten. Zerbrochene Fenster und Laternen
bezeichneten damals meine Pfade." Dazu noch
gesunde Leibesübungen: Turnen, Schwimmcn,
Abb. 6 (Text S. 41 Phot. Frz. H-wsstocngl
Bildnis der Schwester
Abb. S iText S. 8) Phot. Frz. Hanfstaengl
Sclbstbildnis
weglichkeit, geistig hochbegabt, voll Witz und
Phantasie und heißer Leidenschaftlichkeit." Dazu
die Fülle blondlockigen Haares. Der Arm mit
dem sich bauschenden Ärmel ist wohl etwas schwer.
Die Mutter starb schon im Jahre 1830. Jn
der ersten Zeit nahmen sich der Kinder die Ver-
wandten der Mutter in liebevollster Weise an.
Dann bekamen sie (1834) eine neue Mutter
in Henriette Heydenreich aus Ansbach, eine
Mutter, gut wie der besten eine. „Grenzenloses
Mitleid mag unsere zweite Mutter zu diesem
gesegneten Entschluß veranlaßt haben", schreibt
rückschauend und dankend der Sohn. Jhm war
sie auch das meiste: ohne ihre materielle wie
seelische Hilfe wäre er nicht auf die Höhe ge-
langt, nicht durchs Leben gekommen. Jhre feinen
Züge, aus denen geistige Kraft und seelische Vor-
nehmheit, wie auch viel getragenes Leid sprechen,
mag das Bild (Abb. 4) von der Hand des Sohnes
aus seiner reisen Zeit vor Augen führen. Das
Begleitwort sei aber an dieser Stelle nicht eine
künstlerische Würdigung des Porträts, sondern
eine Ehrung der Mutter, ausgehoben aus Briefen
des Sohnes: „Du stellst Dein Sein stets in den
Hintergrund .... Du bist unsere einzige
Stütze.Jch kann Dir, liebe Mutter, alles
offen sagen, da Du ja die Einzige bist, die mich
trägt und leidet und lieb hat. Jch habe
Deinen letzten lieben Brief so lange herumge-
tragen, bis er ganz fadenscheinig geworden ist
und ich glaube wirklich, daß ein ähnliches Ver-
hältnis, ein ähnliches inneres Verständnis ein
Stück Glückseligkeit auf Erden ist und wenn es
keine Kämpfe gegeben hätte, würde es nie so
geworden sein, wie es nun ist.wenn wir
Dich verlieren, so ist's mit meiner Kunst auch
aus, das weißt Du. Jch weiß, daß ich
Dir nie genug danken kann."
Jn Speyer geboren, wuchs Anselm in Frei-
burg i. B. auf: „.der schöne Schwarzwald
mit seinen Felsenschluchten und stürzenden Bächen
ist von da an neun Jahre lang der Hintergrund
meines kindlichen Denkens und Empfindens ge-
worden." Aus diesen Worten des „Vermächt-
nisses" mag schon jetzt sein Naturgefühl erkannt
werden. Naiv-launig schreibt er in den ersten
Jahren der Fremde heim, ob die Tannen des
Schwarzwaldes noch nicht nach ihm gefragt haben.
Und später holt auch er in der Natur sich Er-
frischung der erschöpften Kräfte des Körpers und
auch des Gemütes. Und findet sie immer wieder
rasch. Von Paris aus geht er an den Ozean,
von Venedig aus in die Berge, von Rom aus
ans Meer. Noch aber ist die blühende, goldene
Zeit seiner Kindheit. Es ist von Bedeutung
deutlich zu sehen, was für ein srisches, frohes
Kind der Mann war, für den der Kampf um
einen geistig-künstlerischen Lebensinhalt so schwer
war wie nur für einen der Künstler oder für
eines der Menschenkinder, die den eigenen Weg
in ihrem Leben gehen mußten nach dem Gesetz
ihrer Persönlichkeit und dem ihres Lebens. Jn
den Lebenserinnerungen dcs „Vermächtnisses",
das gerade in diesem Abschnitt eine kösttiche
Frische atmet, erzählt er selbst in behaglicher
Rückschau von seiner Wirksamkeit als Straßen-
junge: „Prügel hin und her, manchmal große
Schlachten. Zerbrochene Fenster und Laternen
bezeichneten damals meine Pfade." Dazu noch
gesunde Leibesübungen: Turnen, Schwimmcn,
Abb. 6 (Text S. 41 Phot. Frz. H-wsstocngl
Bildnis der Schwester