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Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

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https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0139
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in Düsseldorf wohl nichts mehr lernen konnte.
Und doch lag in dem Drange zu wandern etwas
von der Unstätigkeit, die der Großvater schon
an sich bemerkt hatte. Und sein Enkel war — es
sei daran erinnert — in vielem ihm ähnlich.
Seine unruhige Beweglichkeit bezeichnet die Mutter
einmal anschaulich mit dem Wort: „jeden Augen-
blick etwas anderes". Jn diesem trüben Lichte
erschien den Eltern auch sein Verlangen, nach
Belgien oder Paris gehen zu dürfen. Selbst an
Jtalien hatte der Sohn schon gedacht. Nur ganz
flüchtig an München. Die bekümmerten Eltern
berieten sich wieder mit Freunden der Familie.
Diese stimmten mit der Tagesmeinung für
München.

So kam Anselm Feuerbach 1848 nach München.
Hier glänzte damals der Stern W. von Kaulbachs.
Er war Schüler von Cornelius, aber unechter.
Was an dem Meister groß war, hatte der Schüler
nicht bewahrt, noch weniger fortgebildet, sofern
dies überhaupt möglich gewesen wäre. Und doch
war sein Ruhm fast größer als der des Cornelius.
Aber war er bei den Zeitgenossen nicht unbe-
stritten, so ist er heute in feste und enge Grenzen
eingeschlossen: sein künstlerisches Können war
groß, nur war seinem bedeutenden Talent nicht
die innerlich große Gesinnung zur Grundlage
gegeben. Zudem ist sein außerordentlich umfang-
reiches Gesamtwerk sehr ungleichwertig in den
Bestandteilen. Jn Bildern wie „Die Zerstörung
Jerusalems" sieht man heute die typische Theater-
kunst, die statt durch innere Form und ihre Größe
und Geschlossenheit, durch äußere Effekte und
Details wirken will wie die Kulissen der Szenerie
aus dem Theater. Feuerbach trat zu ihm in kein
Schülerverhältnis. Nur aus äußeren Gründen
ließ er sich nach längerem Zuwarten in die
Akademie aufnehmen. Jn der Malklasse von Schorn,
den er beiläufig als den Stammvater der Piloty-
Schule bezeichnet, staunte er die Technik an, aber
er fand in den Bildern keine Wärme, kein Gemüt,
keine Poeste. Und jugendlich sicher glaubte er

Abb. 15 <Tcx1 S. I5>

Bctcndcr Mönch

Phot. Frz Hanfstaengl

stch sagen zu dürfen: „Jene sind Maler und du
bist Künstler". Darin sah er sein Verhältnis zur
damals modernen Malerei ausgedrückt. Wirklich:
er hatte nicht so unrecht. Einervonden damaligen
Münchener Künstlern jedoch gewann auf Feuer-
bach großen Einfluß: K. Rahl, der Wiener, der
von der Eisenacher politischen Tagung im Jahre
1848 nach München gekommen war, um zu ge-
gebener Zeit wieder nach Jtalien, der Heimat
seiner Kunst, zu gehen. Er nahm sich Feuerbachs
mit wirklichem Jnteresse an (bis Ende 1849)
und kann so als sein erster Lehrerbezeichnet werden.
Jm „Vermächtnis" tritt das in ausfallender Weise
zurück; dafür sprechm die Briefe um so deutlicher.
Und auch die eine Gruppe der Münchener Bilder.
Rahls Historienbilder gefallen heute nicht mehr.
Es fehlt ihnen die Tiefe. Statt ihrer weisen fie
einen äußerlich dekorativen Zug auf. Bedeutend
war allerdings sein Können, mit dem er nach
Art der die Farbe pflegenden alten Venezianer
malte. Er konnte Feuerbach auch wirklich in der
Technik des Malens und in der Bildgestaltung
fördern. Ja, Uhde-Bernays vertritt die Ansicht,
daß Feuerbach von ihm „in einer von nun an
durch sein gesamtes Werk wahrnehmbaren Weise
entscheidende Anregung empfing". Mehr als
die Historienbilder bedeuten uns heute Rahls
Bildnisse. Unter dem Einfluß seiner Porträt-
kunst steht Feuerbachs Bildnis des Philosophen
Ch. Kapp, der mit Feuerbächs Bruder Ludwig
eng befreundet war. Die der geistigen Art des
Dargestellten, der ein Vertreter der Volksrechte
war, entsprechende krästige Auffassung ließe nicht
vermuten, daß dieser, als er gemalt wurde, vor
Schwäche kaum sitzen konnte. Die Eltern Feuer-
bachs schätzten den Einfluß Rahls auf ihren Sohn
weniger. Er antwortete: „Was ich Rahl zu ver-
danken habe: er hat mich von meiner Rubens-
manie geheilt". Sie hatte ihn, wie er selber ur-
teilt, zu einer übertriebenen und geschmierten
Manier geführt. Den Rubens hatte er in der
erften Zeit seines Münchener Aufenthaltes in
der „prachtvollen Galerie" der Alten Pina-
kothek, wo er ja so glänzend vertreten ist,
eifrig studiert. Auch defsen großen Schüler
A. van Dyck. Und auch Murillo. Mit ein
paar Worten aus den Briefen läßt stch deut-
lich der Wert der künstlerischen Anregung fest-
stellen, die von einerKunftsammlung ausgehen
kann: „Jch bin jetzt oft", heißt es dort, „auf
der Pinakothek und hole mir für die Einzel-
heiten Rat". Abernicht immer warFeuerbach
in München so eifrig. Jm ganzen genoß er
zu viel das Leben und verausgabte viel Geld,
besonders für seine Verhältnisse. „Jndes
allzulange ließ die Kunst nicht mit sich
spielen", bekennt er im „Vermächtnis",

„.ich kam mir eines Tages in meinem

malerischen Sommerkostüm vor, wie ein Pfau,
der nichts hat als ein glänzendes Gefieder."
Er wollte das Alleinstehen vor der Zeit, das
er als für sich nicht gut erkannt hatte, wieder
gegen das Lernen unter vielen in einer
 
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