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Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

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https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0145
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Abb. 24 (Text S. 3S) Phot. F. Bruclmann

Madonna

Künstler im Frühjahr 1854 aus Paris heimkehrt,
so liegt dem jegliche Absicht auf Sentimentalität
ferne. Wir sehen in der Hnmkehr noch so viel
des sittlich Starken, daß es uns, wenn auch ent-
fernt, an die Umkehr von Augustinus oder doch
von Petrarca, bei dem sie übrigens auf augusti-
nische Einwirkung zurückgeht, gemahnt. Man
sagt, das wirbelnde Leben in Paris kennt nur,
wer aus Ersahrung es kennt. Jn der ersten Zeit
konnte der Sohn die Mutter versichern, von
üppigen Zerstreuungen könne bei ihm keine Rede
sein, er habe immer gemalt und fortgemalt

„.nur manchmal ein Gang in die Stadt

erinnert mich, daß ich ja in Paris bin". Jhn
beängstigte das wilde Treiben. Und „so ein
Abend im Frack" — der bei ihm immer geliehen
war — „schreckt einen aus allen Jdeen und Phan-
tasien". Manchmal möchte er sich ja Vorwürfe
machen, daß er nicht schlechter esse als seine
Bekannten, aber er weiß, es würde das die Mutter

kränken: die feine Spur eines von edlem Lebens-
gefühl getragenen Familiensinns. Für ihn ist die
Lebensweise der Bohsme etwas Unmögliches.
Und doch kommt sie schließlich auf verschiedenen
Wegen. Schon Aristoteles erkannte in seinem
tiefen, aber doch Überschwenglichkeiten abgeneigten
Denken, daß zuviel der Armut und Not das
sittliche Leben gefährdet. Es untergräbt, erklärt
der nüchternernste Weltweise, die seelisch vornehme
Art. Und der Künstler selbst sagt aus eigener
Ersahrung — nach einem Bericht seines Freundes
Allgeyer — maßlose Bedrückung läßt bei der
ersten Gelegenheit die Entspannung maßlos
werden. So kam es auch. Feuerbach blieb aber
vom Verderben bewahrt: „Jch darf Dir offen
sagen," gesteht er der Mutter, „daß ich jetzt oft
nächtelang in Tränen gebadet auf meinem Kissen
liege und mich frage: ,Kind, was ist das Beste,

was sollst du tun.?° Jch leide ganz namen-

los dabei." Daß er aufs Land will, in


 
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