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Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

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https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0155
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29

Abb. S7 Wext S. 37)

Orphcus und Eurydike

schreiben konnte, erst viel und schwer an Leib
und Seele erfahren mußte." Die Bildidee aber
kam dem Künstler aus einer Erinnerung an
S. Maria Novella in Florenz, wo er Dante und
Beatrice „mit eigenen Augen" gesehen. Das
Schicksal Dantes, des großen Verbannten, hatte
sich dem Künstler offenbar tief in die Seele ge-
graben. Er gestaltete den Eindruck in „Dante
mit edlen Frauen" (Abb. 18), dem ersten großen
römischen Werke. Jn wundervoll bewegter Kom-

position erschcinen die
Figuren (1, 3, 2). Wie
die Bewegung von der
erhobenen Hand mit
dem Lorbeerzweig, der
für das Haupt des
Dichters bestimmt ist,
vorwärtsschreitet zur
Mittelgruppe, bei ihr
leise anschwillt und
dann in der einen
Figur die Spitze er-
reicht, die Weite der
Landschaft aufnimmt
und wieder, getragen
von der Wendung des
Aufhorchens, zurück--
fließt zum Mittelpunkt,
um von da zurückzu-
kehren zum Ausgang!
Man achte noch auf
die Lage der linken
(anliegenden)Handdes
Dichters, derdritten und
zweiten Figur^zusam-
men mit der Lage der
Rechten der einen
Figur, der Rechten der
zweiten und der Linken
der ersten Figur! Und
derseelischeAusdruckim
Dichter, in der als Toch-
ter gedachten Beatrice
und ihre äußere und
innere Verbindung!
Das alles ist im Bilde
ohne eine Spur des
Ausgedachtseins gege-
ben, in vollendeter Ein-
fachheit. Man lege das
Bild beim Beschauen
nicht ins volle Licht,
dann kommen alle die
Figuren modellieren-
den, die Gruppen bin-
denden Lichter und
Schatten zur rechten
Geltung. Und dieses
Bild hing in der
Pariser Ausstellung im
12. Saale über einer
Tür „ohne Namen":
es ^war totgehängt.
Man sah in ihm nichts als eine Jmitation
der italienischen Schule schlechtmeg. Die Blinden!
Jn Rom hatte es auf der Ausstellung Aufsehen
erregt — doch keine Anfrage. Der Aufseher sagte
dem Künstler, nachdem er das Bild zurückgezogen
hatte, „tutti äoinaiulniio voäsro U Oanto,
uvots rovinnto Uosposi^iono" (alles will den
Dante sehen; die Ausstellung ist jetzt ruiniert);
„doch ist niemand gekommen", heißt es im Briefe.
Selbst die Schwester, deren Verständnis für die

Phot. F. Bruckmann
 
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