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allem, was sie einschließt. Das ertrug der Künstler
am wenigsten: „.das Gefühl, daß ich mich
überhaupt rechtfertigen und legitimieren muß,
ist's, was mich so herunterbringt." Auch seine
Gesundheit litt darunter. Jm zunehmenden Maße
treten Anzeichen ihrer Angegriffenheit auf:
Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, auch Beschwerden
auf der Brust. Es ist aus den Briesen auch
deutlich zu ersehen, daß die Mißverhältnisse fort-
schreitend seine seelische Art umbildeten: sie er-
kalten, sich verhärten ließen. Aber doch mehr nach
außen hin ^egenüber den Menschen. Wie so oft
sollte die rauhe und harte Schale den weichen
Kern im Jnnern und auch die gerade für Feuer-
bach so notwendige Ruhe zum Schaffen schützen.
Daß seine Natur ihm das Leben erschwerte, das
wußte er selbst. Er bekam es auch viel genug
zu hören. Er wußte aber auch dazu noch, daß
aus seiner Natur auch seine Kunst hervorkam.
Er wußte, daß er mit dem Herzen malte, ja
zu viel und mehr als nötig, daß er den Maler
nicht vom Menschen trennen konnte. Jm Grunde
war es ihm doch so recht: „Jch glaube, daß es
zu viel Maler und zu wenig Menschen gibt", das
ist eines der echten schönen Feuerbachworte.
Die Lage des Künstlers war ernst, sehr ernst
geworden. Da war es wirklich eine Rettung,
was Baron Schack, der Kunstfreund, für Feuer-
bach in den Jahren 1863—1867 tat: er kaufte
und bestellte. Es ist um so mehr anzuerkennen,
als Schacks Mittel nicht die eines Großindustriellen
oder Bankdirektors von heute waren. Freilich
konnte die Verbindung mit ihm nicht von Dauer
sein. Schacks künstlerisches Jnteresse war zu sehr
auf den Gegenstand mit novellistischem Hinter-
grund gerichtet. Für Feuerbachs Kunst wurde
das zur Hemmung. So mußte der Künstler
schließlich die Verbindung lösen, um sich die
Freiheit des Schaffens zu wahren. Den Dank
aber sprach er ihm noch im „Vermächtnis" aus.
Auch ein deutscher Bankier aus Frankfurt a. M.,
W. Köster, sei noch genannt: er hatte genug
Glauben an die Kunst und den Künstler, um
ihn in schwierigen Zeiten nicht darben zu lassen,
sagt Feuerbach selbst.
Schack als Dichter-Übersetzer war stofflich-
literarisch interesstert. Feuerbachs Kunst galt dem
Menschen, seiner Persönlichkeit und seiner Gestalt.
Er steht hierin in der Reihe der Großen und
Größten, ob man an Dürer und Holbein, an
Rembrandt, an Renoir, an Klinger denken mag.
Dürer hatte, von platonischem Geist berührt, in
seinem literarischen Hauptwerk näch den Pro-
portionen des schönen Menschen gesucht: nach
einer Schönheit, die unabhängig von der
„Meinung" der Menschen. Gefunden hat er sie
nicht. Feuerbach war das Glück zuteil, den im
Sinne seiner Kunst schönen Menschen zu finden.
Freilich blieb auch dieses eine Glück kein unge-
trübtes. Es war eine Frau aus dem Volk, aus
Trastevere stammend, „dessen Bewohner sich der
reinsten römischen Abstammung rühmen". Es ist
„Nanna" im Werke Feuerbachs. Feuerbach er-
höhte den vorhandenen starken Typus geradezu
ins Antik-Römische in dem äußerst starken Bilde
„Lukretia Borgia" (Abb-21). Man beachte, wie
die Lagerung der beiden Arme in die Wirkung
des Geschlossenen, die das Bild auszeichnet, ein-
bezogen ist. Dazu überlege man, welcher Masse
des Körpers gegenüber die Formen des Gesichtes
das Gleichgewicht, nein: das Übergewicht be-
haupten. Auch das wurde beanstandet, daß dieses
Modell so oft nun in Feuerbachs Bildern er-
scheine. Der Künstler ist aber wahrlich kein
Berufsphotograph, der von jedermann, der da
kommt, Bilder macht. Für den Künstler ent-
scheidet der künstlerische Wert. So kann ihm
eine Erscheinung unerschöpflich sein. Darin
sehen wir eine künstlerische Stärke, keine Schwäche.
Man vergleiche unter diesem Gesichtspunkte das
Abb. 42 (Text S. 38) Phot. Frz. Hansstaengl
Studie zur Medea
2. und 3. Bildnis (Abb. 20 u. 22) mit den beiden
andern. Später erscheint Lucia Brunacci in den
Bildern, so schon im zweiten Jphigenienbild.
Es muß leider darauf verzichtet werden, auch
nur mit der eingangs versuchten, bisher in der
Hauptsache beibehaltenen Einläßlichkeit dem
Künstler und seinem Schaffen weiter zu folgen.
Es konnte immerhin in die Jahre des Werdens
ein annähernder Einblick gewährt werden. Nun
steht der Künstler auf der so schwer erkauften
Höhe; er selber sagt, er habe ste mit seiner Ju-
gend erkauft. Freilich ist es nicht die volle von
ihm erhoffte Höhe.
Da läßt stch die von der Notwendigkeit be-
dingte Beschränkung sogar mit einem Wort des
Künstlers motivieren: „Laßt alles Persönliche
beiseite, nehmt die Kunst als solche."
Noch aus der Zeit des ersten römischen Auf-
enthaltes ftammt eine „Madonna" (Abb. 24),
die das „Vermächtnis" als eines seiner Lieb-
allem, was sie einschließt. Das ertrug der Künstler
am wenigsten: „.das Gefühl, daß ich mich
überhaupt rechtfertigen und legitimieren muß,
ist's, was mich so herunterbringt." Auch seine
Gesundheit litt darunter. Jm zunehmenden Maße
treten Anzeichen ihrer Angegriffenheit auf:
Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, auch Beschwerden
auf der Brust. Es ist aus den Briesen auch
deutlich zu ersehen, daß die Mißverhältnisse fort-
schreitend seine seelische Art umbildeten: sie er-
kalten, sich verhärten ließen. Aber doch mehr nach
außen hin ^egenüber den Menschen. Wie so oft
sollte die rauhe und harte Schale den weichen
Kern im Jnnern und auch die gerade für Feuer-
bach so notwendige Ruhe zum Schaffen schützen.
Daß seine Natur ihm das Leben erschwerte, das
wußte er selbst. Er bekam es auch viel genug
zu hören. Er wußte aber auch dazu noch, daß
aus seiner Natur auch seine Kunst hervorkam.
Er wußte, daß er mit dem Herzen malte, ja
zu viel und mehr als nötig, daß er den Maler
nicht vom Menschen trennen konnte. Jm Grunde
war es ihm doch so recht: „Jch glaube, daß es
zu viel Maler und zu wenig Menschen gibt", das
ist eines der echten schönen Feuerbachworte.
Die Lage des Künstlers war ernst, sehr ernst
geworden. Da war es wirklich eine Rettung,
was Baron Schack, der Kunstfreund, für Feuer-
bach in den Jahren 1863—1867 tat: er kaufte
und bestellte. Es ist um so mehr anzuerkennen,
als Schacks Mittel nicht die eines Großindustriellen
oder Bankdirektors von heute waren. Freilich
konnte die Verbindung mit ihm nicht von Dauer
sein. Schacks künstlerisches Jnteresse war zu sehr
auf den Gegenstand mit novellistischem Hinter-
grund gerichtet. Für Feuerbachs Kunst wurde
das zur Hemmung. So mußte der Künstler
schließlich die Verbindung lösen, um sich die
Freiheit des Schaffens zu wahren. Den Dank
aber sprach er ihm noch im „Vermächtnis" aus.
Auch ein deutscher Bankier aus Frankfurt a. M.,
W. Köster, sei noch genannt: er hatte genug
Glauben an die Kunst und den Künstler, um
ihn in schwierigen Zeiten nicht darben zu lassen,
sagt Feuerbach selbst.
Schack als Dichter-Übersetzer war stofflich-
literarisch interesstert. Feuerbachs Kunst galt dem
Menschen, seiner Persönlichkeit und seiner Gestalt.
Er steht hierin in der Reihe der Großen und
Größten, ob man an Dürer und Holbein, an
Rembrandt, an Renoir, an Klinger denken mag.
Dürer hatte, von platonischem Geist berührt, in
seinem literarischen Hauptwerk näch den Pro-
portionen des schönen Menschen gesucht: nach
einer Schönheit, die unabhängig von der
„Meinung" der Menschen. Gefunden hat er sie
nicht. Feuerbach war das Glück zuteil, den im
Sinne seiner Kunst schönen Menschen zu finden.
Freilich blieb auch dieses eine Glück kein unge-
trübtes. Es war eine Frau aus dem Volk, aus
Trastevere stammend, „dessen Bewohner sich der
reinsten römischen Abstammung rühmen". Es ist
„Nanna" im Werke Feuerbachs. Feuerbach er-
höhte den vorhandenen starken Typus geradezu
ins Antik-Römische in dem äußerst starken Bilde
„Lukretia Borgia" (Abb-21). Man beachte, wie
die Lagerung der beiden Arme in die Wirkung
des Geschlossenen, die das Bild auszeichnet, ein-
bezogen ist. Dazu überlege man, welcher Masse
des Körpers gegenüber die Formen des Gesichtes
das Gleichgewicht, nein: das Übergewicht be-
haupten. Auch das wurde beanstandet, daß dieses
Modell so oft nun in Feuerbachs Bildern er-
scheine. Der Künstler ist aber wahrlich kein
Berufsphotograph, der von jedermann, der da
kommt, Bilder macht. Für den Künstler ent-
scheidet der künstlerische Wert. So kann ihm
eine Erscheinung unerschöpflich sein. Darin
sehen wir eine künstlerische Stärke, keine Schwäche.
Man vergleiche unter diesem Gesichtspunkte das
Abb. 42 (Text S. 38) Phot. Frz. Hansstaengl
Studie zur Medea
2. und 3. Bildnis (Abb. 20 u. 22) mit den beiden
andern. Später erscheint Lucia Brunacci in den
Bildern, so schon im zweiten Jphigenienbild.
Es muß leider darauf verzichtet werden, auch
nur mit der eingangs versuchten, bisher in der
Hauptsache beibehaltenen Einläßlichkeit dem
Künstler und seinem Schaffen weiter zu folgen.
Es konnte immerhin in die Jahre des Werdens
ein annähernder Einblick gewährt werden. Nun
steht der Künstler auf der so schwer erkauften
Höhe; er selber sagt, er habe ste mit seiner Ju-
gend erkauft. Freilich ist es nicht die volle von
ihm erhoffte Höhe.
Da läßt stch die von der Notwendigkeit be-
dingte Beschränkung sogar mit einem Wort des
Künstlers motivieren: „Laßt alles Persönliche
beiseite, nehmt die Kunst als solche."
Noch aus der Zeit des ersten römischen Auf-
enthaltes ftammt eine „Madonna" (Abb. 24),
die das „Vermächtnis" als eines seiner Lieb-