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Die Kunst dem Volke <München> — 1917 (Nr. 29-31)

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https://doi.org/10.11588/diglit.21069#0161
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lingsbilder bezeichnet: „Das Christuskind auf
dem Schoße der Mutter, eben erweckt durch

musizierende Kinder. mit Aussicht auf

eine offene heitere Campagna." Es läßt sich
leicht der Anklang an Rafsael, besonders im
Kopf der Madonna der ersten (Dresdener)
Fassung, und im Format der Anklang etwa an
Steinle erkennen. Wichtiger ist uns aber hinzu-
weisen, welch stiller Wohllaut im Bilde liegt;
dem dient auch die Einordnung der Mittelgruppe
und ihrer blmrißlinie in das Oval des Bild-
formates. Die Kinder sind von köstlicher Frische.
Besonders gut gezeichnet
ist die vordere Kleine links,
in der Studie (Abb. 23)
besser noch — abgesehen
von den Händen — als im
Bilde. Die Wiederholung
des Bildes in der Schack-
galerie hat manches ver-
loren. Von ganz anderer
Stimmung ist die Pietä
(Abb. 26). Der Schmerz
der Mutter: eine Ge-
samtform wie der eine
Schmerz, der sie erfüllt.

Zitternd und zuckend gehen
die wenigen Falten des
Kleides über den Körper
hin wie das wehe Weinen
durch die Seele. Man
nehme dazu die Zeich-
nungsstudie (Abb. 25).

Jm ausgeführten Bild
geht neben dem todes-
starren Leichnam die Fels-
wand empor mit ihrer
steinharten Schräglinie.

Die Starre des Todes
und des Schmerzes löst
sich in den Nebenfiguren
und in der Landschaft.

Vergleicht man damit die
Skizze (Abb. 28), so wird
man finden, daß die leise
Trauer der drei Frauen
etwas wie einAufatmen im
Schmerze ins Bild bringt.

Doch mag es immerhin sein, daß die Gruppe der
Frauen doch kompositionell nicht genug mit dem
Bildganzen verbunden ist. Eine ganz andere
Auffassung und Formgebung weist eine PietL
aus früherer Zeit auf (Abb.27). Es ist die der
stark erfaßten Wirklichkeit: so im zusammen-
gesunkenen Leichnam und in der Gruppe der
Schergen. Man denkt an Rubens oder Delacroix.
Nur der Schmerz der Mutter des Herrn hat
etwas äußerlich Deklamatorisches. Briefen nach
hatte Feuerbach schon in den römischen Jahren
noch andere religiöse Bilder, so ein „Ltadnt
rnntsr" geplant. Und Allgeyer weiß zu berichten,
daß er — von uns aus gesprochen — in seinen
letzten Jahren sich noch mehr mit religiösen

Stoffen z. B. einem „Weltgerichte" beschäftigen
wollte. Kultbilder sind Feuerbachs religiöse
Malereien nicht. Es zeichnet sie aber ein tiefer
Ernst der Ausfassung aus. Dazu kommt dann
noch sein meisterliches Können. Beides ist gerade
vom religiösen Künstler zu verlangen.

Feuerbachs vielseitige Begabung zeigt sich auch
darin, daß ihm, dem gebornen Historienmaler —
heutzutage hat das Wort keinen guten Klang, aber
das schadet Feuerbach nicht — es möglich war,
auch im Gebiete des Genre zu arbeiten. Diese
Periode, man darf sagen: diese Episode im
Schaffen Feuerbachs, ist
hauptsächlich in derSchack-
galerie in München ver-
treten.

Die „Badenden Kin-
der" (Abb. 29) zeigen
Feuerbach wieder als
Kindermaler. Es ist eine
kindlich lustige Gesell-
schaft. Die beiden zu den
Hirschen hinübergucken-
den, der aus dem Wasser
krabbelnde und der andere
mit dem „Weh" an der
Zehe, sind recht unmittel-
bar gegeben, wenn auch
freilich Rubens „Kinder
mit dem Früchtekranz"
ihnenüberlegen sind. Weil
die anderen Kinderbilder
ausfallen, mag hier des
für Feuerbach charak-
teristischenWortes gedacht
werden, daß im römischen
Kinde der Keim zu allem
Großenliege. Manbesehe
sich daraufhin seine Kin-
derzeichnungen (Abb. 30)
und man wird verstehen,
was der Künstler mit dem
befremdend klingenden
Worte sagen will: schon
im„Gewächs" desKindes
und gerade in ihm sah der
Künstler die große lautere
Form derMenschengestalt.
Das sagt uns auch das „Ricordo di Tivoli" (Er-
innerung an Tivoli): Abb.32. Man fasse etwa die
Gestalt des Knaben ins Auge. Beim Mädchen be-
wundern wir, wie ihre kindliche Seele singt und
klingt: das stäubende Wasser drüben und der
mutwillig vom Strauch abgehende Zweig können
es ihr nicht gleichtun. Der im Lied „An der

Weser" sang: ..mein selbst und der Welt

vergessen" mag es uns in Worte fassen, was
Feuerbach malte. Der Knabe ist der begleitende
Spielgenosse: er ist im Raume etwas zurück-
gesetzt und hat den Kopf gesenkt. Besonders
schön ist es, wie die Gestalt des Mädchens vom
Busche locker gerahmt wird. Jn der 2. Fassung
des „Ricordo" (Abb.31) ist die seelische Bewegung

Abb. 43 <Tex1 S. 38> Phot. F. Bruclmann

Studie zur Jphigenie


 
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