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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: Periodica — 1.1929/​1930

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Wolfradt, Willi: Zu dem Bilde von Rudolf Wacker
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Künstler gegen die Freiheit der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0209

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die kleinste Einzelheit nachgehende Anschauungsweise zur Geltung bringt. Und
es ist keine Absage an die tieferen Ahnungen und seelischen Großartigkeiten
in der Kunst, kein Verzicht auf geistige Schwergehalte in der Malerei, wenn
sich der Beschauer dankbar dem freundlichen Zauber des idyllischen Bildes
hingibt, das fein und gewissenhaft abspiegelt, was irgendein bescheidener
Erdenwinkel birgt an lieblicher Erscheinung. Darin gerade besteht ja der
Reichtum der Kunst, daß sie der sichtbaren Welt so viele Seiten abzugewinnen
weiß und daß sie uns Beispiele zu bieten hat, alles auf die verschiedenste Weise
zu betrachten. Auch die Idylle hat ihr Recht.
In der Landwirtschaft des zu Bregenz am Bodensee lebenden Malers
Rudolf Wacker scheint eine seit jeher der süddeutschen und oberrheinischen
Kunst eigentümliche Innigkeit der Naturanschauung bewahrt und im Sinne
heutiger Bildsprache durchgeführt. Im Sinne heutiger Bildsprache insofern, als
das intim Verwinkelte von Häusern und Schuppen, Beeten und Zäunen nicht
malerisch unbestimmt durcheinandergeht, sondern äußerst klar in die helle
Luft gestellt und überall durchgesetzt ist mit streng rechteckig geschnittenen,
fast geometrisch abgezirkelten Formen. Die Einzelheiten sind nicht stimmungs-
mäßig verschmolzen, sondern exakt und ganz für sich hinpräpariert, um rein
konstruktiv zusammengefügt zu werden. Man kann genau kontrollieren, wie
die Latten des Schuppens, die Pflöcke und Leisten der Umzäunungen gefügt
sind, wie jedes Blättchen und Blütchen ansitzt und abzweigt. Alles ist säuber-
lich hingezählt. Rechts und links öffnet sich der Blick frei in die Ferne, die
das Einzelne nicht weniger deutlich zeigt als der Vordergrund. Die kleinen
Schlote auf den Dächern, das winzige Starhäuschen, die Treppe im Hof, — alles
ist unendlich fein und klar festgehalten. Die Drähte der Antenne schwingen
haardünn in der durchsichtigen Atmosphäre, entsprechend dem ebenso zart
und bestimmt eingezeichneten Liniengeäder der emportastenden Äste. Etwas
Puppenstubenhaftes hat diese mit zierlichen Einzelgebilden anmutig voll-
gestellte und restlos blankgeputzte Landschaft an sich, und auch die Puppe
fehlt nicht: sie dreht sich auf einem Stock putzig im Winde, ein kleines
phantastisches Element in dem durchaus den Liebenswürdigkeiten des wohl-
vertrauten Eckchens Schöpfung zugewandten Bilde.
Willi Wolfrad t.

Künstler gegen die Freiheit der Kunst
Der Fall George Grosz scheint sich zu einer prinzipiellen Auseinander-
setzung der Geister auszuwachsen. Der Staatsanwalt setzte den Künstler
wegen seines „Christus mit der Gasmaske“ in Anklagezustand. In zweiter
Instanz wurde er freigesprochen. Das Reichsgericht hat den Fall zur noch-
maligen Prüfung an das Landgericht zurückverwiesen.
Die fortschrittliche Öffentlichkeit ist natürlich nicht müßig gewesen: Der
Kampfausschuß gegen Zensur, die Deutsche Liga für Menschenrechte unter

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