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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 17
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Dworaczek, Wilhelm: Wiener Kunst
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Imhof, Franz: Berliner Kunstausstellungen: die Ausstellung der "Sezession" (II)
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0306
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266 -——z- Die Aunst-Halle - Nr. s7

Noch ein ganz Großer fesselt unsere Blicke —
Len buch. Freilich steht nur sein bekanntes Selbst-
porträt mit seinem Töchterchen auf seiner vollen Höhe.
Die anderen drei Porträts sind Lenbachs mittlerer
Güte, erweisen aber noch immer voll und ganz die
großen (Qualitäten dieser bedeutendsten künstlerischen
Persönlichkeit unter den modernen Porträtisten. Zbm
am nächsten steht hier der Ungar Lüszlo, der zu den be-
günstigsten Porträtisten der Gegenwart gezählt werden
muß. Er hat schon im Vorjahre durch sein Porträt
des Fürsten Hohenlohe Aufsehen erregt und rückt immer
mehr in die erste Reihe. Pochwalski, der, wie es
scheint, seine volle Höhe nicht mehr erreichen kann,
wird er bald überflügelt haben. Auch diesmal ist
der polnische Meister, der eine Zeit lang an der Spitze
unserer Porträtkünstler schritt, nicht ungewöhnlich
vertreten. Line glücklich aufstrebende Begabung fällt
in Frau Nosenthal-Hatschek (die bei Lenbach in
München lernte) auf. Die Historienmalerei vertritt
am bedeutendsten Egger-Lienz mit dem großen
Bild „Das Kreuz", einer Episode aus dem Freiheits-
kampfe in Tirol. Die bereits ermatteten und zurück-
geschlagenen Tiroler flüchten zu einen: hölzernen Kreuz,
das auf einen: Berge steht. Plötzlich von Glaubens-
eifer entflammt — reißen sie das Areuz aus den:
Boden, und es als Fahne voraustragend, ziehen sie
nochmals in den Aampf. Der Künstler hat den Vor-
wurf nut starker und eindringlicher Wirkung veran-
schaulicht. Ls ist ein Zug ins Große darin, der aus
der Bewegung der Massen wirksame und bedeutsame
Figuren herauslöst. Die Physiognomie der einzelnen
Gestalten ist von starker Eindringlichkeit und das
Ganze von mächtiger Bewegung. Auch H. L. Levys
(Paris) „Zesus in: Grabe" verdient Erwähnung. Paul
Zvanowits' „Herzog Ferry IV. von Lothringen führt
Elisabeth von Habsburg Hein:", gehört in die Ka-
tegorie leidlicher Galleriebilder. Historisch glatt und
nicht gerade interessant, wohl auch etwas blaß in der
Farbe, wirkt es nicht sehr anregend, hat aber manche
feine Einzelheiten. Poetisch und mit sehr feinen:
Farbenreiz gemalt ist Eduard Ve iths „Herbstbeginn".
Veith hat etwas von der Farbenfreude Makarts,
aber schon beeinflußt von den sanfteren Koloriten
der Engländer, etwa des AlmaTadema oder Her-
ko mer. Anter den Wienern gehört er zu de:: Fein-
fühligsten.
Viel Gutes bietet die Landschaft. Hier ist vor
Allem der Künstlerklub Karlsruhe zu nennen, allen
voran Schönleber, der mit einer Kollektion von
etwa 20 Bildern sehr reich und gut vertreten ist.
Namentlich seine Meerbilder sind von kräftiger Natur-
wahrheit. Er liebt mehr die düsteren elegischen
Stimmungen, die grollenden Wellen und grauen
trüben Wetter. Die sonnigen, lichteren Farben scheinen
ihm weniger zu behagen. Er hehandelt sie, wie ii:
dem Melbild „Blühendes Land", nut gleich sicherer
Kunst, aber anscheinend nicht nut derselben, seinen:
Naturell entspringenden Neigung. Leine satten und
krästigen Farben, sein Reichthum an Nüancen, die er
niemals kokett, sondern immer in breiter Behäbig-
keit verwerthet, machen ihn zu einem sehr schätzens-
werthen Landschafter.
Aufrecht neben ihn: stehen auch die beiden
Worpsweder Overbeck und Modersohn. Des
ersteren „Sommerwolken" und „Stürmischer Tag" und
des letzteren „Nach dem Gewitter" gehören mit ihrer
großen, freien Naturauffassung, sowie der Wirksam-
keit der Motive, zu dem Besten, das die neuere Land-
schaftsmalerei aufzuweisen hat. Man wird die Worps-

weder und ihre kernige, bodenwurzelnde Kunst, die
die Schönheiten ihrer Heimath mit so viel künstleri-
scher Liebe, gleich verborgenen Schätzen, zu heben
wußte, immer mit Freuden begrüßen. Tourtens'
„Unter der Buche" zählt gleichfalls zum Besten der
Landschaft, und in einigem Abstand verdienen Peter
Paul Müllers „Buchenwald", die flott und breit hin-
gestrichenen, von starkem Naturgefühl zeugenden Land-
schaften von Eugen Bracht, Karl Böhmes „La-
preser Fischer", Otto Strützels stimmungsvolle
„Abendruhe", sowie ein paar feine Aquarelle von
Karl Pippich besondere Erwähnung. Ludwig Hans
Fischer ist in seiner bekannten zarten Art gleichfalls
mit Aquarellen gut vertreten, während Max Levis,
Franz Nuß und Louis Uhl die charmante wiener
Manier des graziösen Genres recht glücklich repräsen-
tiren. von den Frauen mögen Tina Blau mit einem
frisch gemalten Frühling und die beiden begabten
wisinger Schülerinnen Tamilla Göbl und H.
Filtsch mit technisch sehr flott gemachten Stillleben
erwähnt werden. Zosef Meinina Krzesz' beachtens-
werther „Vaterunser-Zyklus" in 7 großen Bilderi:,
der viel Begabung für die Komposition und feinen
illustrativen Sinn verräth, und im guten Sinne manch-
mal an den Mariazyklus des Polen Stach iewicz
gemahnt, ist nut einer unverleugbaren künstlerischen
Findigkeit todt gehängt. — Die Zury hat wohl keinen
besseren Platz finden können, denn die Ausstellung
steht unter den: Zeichen des Herrn Krupp, dem
auch Anton Scharff seine große Kunst in einer um-
fangreichen Gedenktafel in Bronze zur Verfügung
stellte! Die sonstige Plastik bietet keine Sensation.
Guter Durchschnitt ist ihr Höhepunkt. Unsere großen
Bildhauer sind in den Ausstellungen ziemlicb schweig-
sam geworden, und dein Nachwuchs Fehlt es an
Manchen:, vor Allem, wie es scheint, an der Möglich-
keit, an eigene Vorwürfe zu gehen! Und die Aufträge,
von welchen die österreichische Plastik in den letzten
Zähren ihr Dasein fristete, sind zumeist mehr oder
weniger konventioneller Bauschmuck. Seit sich die
Negierung auf die Tcndenzmacherei geworfen und in
„Sezession" macht, Hal manches ehrliche Talent noch
sein letztes Nestchen Unterstützung verloren, wenn es
nicht den neuen Sensationen huldigt. So ist es nicht
verwunderlich, wenn bei vieler Tüchtigkeit in unserer
jungen Künstlerschaft und manchem ehrlichen willen
nichts vorwärts geht, und eine allgemeine Zerfahren-
heit unserer Zeit den Stempel aufprägt. Das muß
nut warnender Stimme betont werden, soll uns nicht
noch das Bischen Aufschwung der letzten Zahre
wieder gänzlich verloren gehen! Auf welchen: Wege
eine Besserung unserer Kunstverhältnisse zu erhoffen
ist, läßt sich schwer sagen. Line Führung aber,
welche sich hartnäckig dem neuen, drängenden Geist
der Zeit verschließt, oder doch der trägen Reaktion
Vorschub leistet, giebt gewiß nicht die besten Aus-
sichten für die nächste Zukunft . .
X
Herliyer
MuysksusskelluyZen.
Die Ausstellung der „Sezession" (II).
Die Räume umfassen in diesen: Zahre nur ZOZ Bilder-
Nummern, und wenn man gruppüen uültz kann man hier
eine Abtheilung der „Todten" von einer der „Lebenden"
unterscheiden. Zedes Unternehmen einer so jungen
 
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