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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 10
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Bodmer, M.: Frankfurt a. M. Kunstbrief
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f52

Die Kunst-Halle.

Nr. so

Frankfurt a. M
llunrtbriej.

s geschieht nicht allzu häufig, daß die öster-
reichischen Künstler als geschlossene Gruppen über
die schwarzgelben Grenzpfähle ziehen und den reichs-
deutschen Genossen die österreichische Kunst kollektiv vor-
führen. Die offizielle Ausstellung der wienerSezession,
die von Moll und Olbrich als beauftragte Delegirte im
Kunstverein arrangirt wurde, überraschte und inter-
essirte zugleich. Beides aber in negativem Sinne. In
den Iungwienern steckt ein gut Theil flottes Drauf-
gängerthum und ein gesunder Fortschrittseifer. Diese
modernen Tugenden in Ehren, aber es giebt eine
Grenze, wo diese Bestrebungen ins Extrem umschlagen
und der Erfolg ist dann ein entgegengesetzter
von dem erhofften. ... In der Reihe der Wiener
Sezessionisten stehen allerlei Outsiders, die mit ihren
Arbeiten allein wohl kaum eine günstige Ausstellungs-
gelegenheit finden würden. Da setzt nun die moderne
Zaubermixtur ein: inan formirt sich zu einer geschlossenen
Gruppe, bildet einen Verein und als solcher ist es
schon leichter, sich den gewünschten Platz an der Sonne
zu sichern. Frau Luksch-Makowsky stellt eine
„Madonna" und eine „Adolescentin" aus, beides
Bilder von einer Dürftigkeit der Mache und Spleenig-
keit der Auffassung, die einfach traurig wirkt. Die
weibliche Hauptfigur auf dem letztgenannten Bilde ist
ungefähr doppelt so lang und dabei doppelt so mager
wie ein normaler Mensch — das Ganze ist eine
Karrikatur, scheint aber von der Malerin ernsthaft ge-
meint. Joseph Engelhardt ersetzt den symbolistischen
Tiefsinn durch eine Pikanterie, die in die Bilder dieses
Malers eine ausgesprochen erotische Note bringt.
Lin junges Mädchen hat sich bis auf die Strümpfe
entkleidet, kniet auf ihren Kleidern und setzt sich einen,
mit Mohnblumen garnirten Hut auf die elegante Frisur.
Die lebensgroße Darstellung ist ja nicht gerade in-
dezent, aber rein ist sie auch nicht. Vielleicht hat der
Maler auch nur seine Bravour im Aktmalen zeigen
wollen. In der Landschaft halten sich die Iungwiener
bezeichnender Weise in gemäßigteren Grenzen. Tarl
Moll's Bilder sind sogar sehr sympathisch in ihrer feinen
Auffassung und in den zarten silberigen Tönen des
Freilichts. Auch Max Kurzweil ist ein sympathischer
Freilichtmaler. In der Elastik brachte Andri ein
paar holzgeschnitzte Reliefs, die roh in der Technik,
noch dazu mit blauen und rothen Farben barbarisch
bemalt sind.
Wie eine Befreiung aus dem Baune einer Kunst-
äußerung, die dem Moste gleicht, der im Bottich schäumt
und gährt und nur die Hoffnung läßt, daß sich einmal
dereinst ein guter Wein entwickeln wird — wie eine
Rückkehr zur gereiften Kunst muthete die Schönleber-
Ausstellung an. Gewiß, auch diesem Maler sind die
Grenzen des Talents gezogen, aber was er innerhalb
seines „Faches" leistet, ist große, ist gute Kunst. Die
„Mühle im Thal", die „Sturmtage an der Ostsee", das
„Erste Grün" — das sind Landschaften, die mit wirk-
lichem Farbengefühl und der Gabe, eine Natur-
stimmung festzuhalten, gemalt sind. Der Kronberger
Tarl v. Bertrab stellte eine Kollektion zusammen, die
im Interieur viel Treffendes bot, so z. B. in den
„Dreschern in der Tenne". In den größeren, mit
frischer Skizzirtechnik gemalten Freilichtbildern macht
sich stellenweise eine gewisse bunte Härte der Farbenskalen
bemerkbar. Ein anderer Kronberger, Losomati, zeigte
in einer großen Schwarz-Weißsammlung eine feinsinnige

Handhabung der Nadirnadel; ein paar Veduten aus
Venedig und eine Anzahl Thomazeichnungen enthalten
auf kleinem Räume eine Fülle von Interessantem; die
farbigen Nadirungen sind, wo sie gelungene Abzüge
darstellen, von einer überraschenden Tonfeinheit, ob-
gleich sie um vieles einfacher behandelt sind, als die
Farbenblätter eines Macbeth, Whistler und anderer
großer Malerradirer. Jules Lagae-Brüssel sandte
Bronzebüsten von einer gewissen ruhigen Herbheit der
Auffassung; die Büsten sind an den Schultern knapp
abgekürzt und geben nur den Kopf in genauer Durch-
bildung wieder.
Bei Hermes erschien der Dachauer Adolf
Hölzel mit einer Serie Landschaften im Gobelinstil der
doy8 ot 6-lasZo^v. Trübe Ockerfarben mit Grau bilden
die Grundskalen dieser Bilder, die an sich betrachtet,
allerdings einen aparten Tongeschmack widerspiegeln.
Farbenfreudiger, aber in der Simplizität der Wieder-
gabe von Natureindrücken mit dem vorgenannten
Künstler in einer gewissen parallele, steht Paul
Mathieu. Jedes Bild ist vor der Natur gemalt und
es steckt in jedem ein Stück vom Reiz der Skizze; in
der staffagelosen Landschaft ist Mathieu z. Z. wohl einer
der Interessantesten. Seine Motivwahl ist freilich nicht
groß — aber Luft und Licht und Land der Heimath
ist studirt mit der Liebe des Mannes, der seine Heimath
liebt. Ein Altfrankfurter Meister, Peter Becker,
dominirte bei Hermes mit einer Sammlung von nahe
einem halben Hundert Bilder. Es ist ein Verdienst
dieses rührigen Kunsthändlers, daß er Schätze, die in
ängstlich verschlossenen Zirkeln ein stilles Dasein fristen,
zu gelegener Zeit an die Geffentlichkeit bringt. Becker
— auswärts wohl nicht viel bekannt, trotzdem der fast
Achtzigjährige ungemein viel produzirt hat, ist ein
moderner Merian. Die Rhein- und Mainstädte leben
in ihrer alten Herrlichkeit in Becker's Aquarellen wieder
auf; ungemein gewissenhaft und historisch ehrlich sind
diese Städtebilder mit ihrer Fülle von Staffagen.
Originell ist die Technik: Zarte Fernsichten sind mit
wässeriger Tusche konturirt, die vorderen Partien da-
gegen mit dunkler Tusche, die Farbentöne sind nur ganz
leicht und durchsichtig behandelt. Rud. Schramm-
Zittau brachte ein Dutzend Tierbilder — darunter ein
Rinderpaar in Lebensgröße, brillant und realistisch ge-
malt, und ein paar der virtuosen Truthühnerbilder,
die eine Spezialität dieses Malers darstellen. Von
Lenbach interessirte ein superbes Pastell der Dichterin
Julie Virginia Scheuermann, die im leicht gebogenen
Federhut, im halbausgeschnittenen Kleide dargestellt ist.
In Schneider's Kunstsalon zeigten zwei Frank-
furter Landschafter: Andreas Lgersdörfer und
F. Ernst Morgenstern Landschaftsserien, ersterer
großformatige Flachland- und Haidebilder in der
Schule der älteren Münchener, letzterer Marinen von
sauberer Durcharbeitung der Details. Der Düssel-
dorfer Hans Deiters führt uns mit seinen Aqua-
rellen in das italienische Volksleben, wo man singt
und liebt und lacht und — die Larantella tanzt.
Die warme, sonnige Art der Darstellung eignet
sich bestens zur Schilderung von Szenerien aus dem
Lande der Myrthen und Orangen. „Beethoven" von
I. Balastrieri-Paris ist auf seiner Touruee nun auch
hierher gelangt, wie die Sensationsbilder früherer
Tage, Neide's „Lebensmüden" und Weisers „Unter-
brochene Trauung", ist auch dieses Bild durch die Re-
produktion populär geworden. Aber es hat noch den
Vorzug, daß es auch im Original ein hervorragend
gemaltes Bild darstellt, was man bekanntlich nicht von
allen Werken sagen kann, die in der Reproduktion zu
 
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