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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft II (Februar 1909)
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Löffler, Gottlieb: Die Vorbereitung des Zeichenlehrers: (ein Beitrag zur Regelung der Pflichtstundenzahl der württembergischen Zeichenlehrer)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0030

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zeigen, warum ich jetzt gerade so und nicht anders dieses Motiv wähle und aus-
schneide. Ich brauche Beispiele und Gegenbeispiele. Diese entstehen ausserhalb
der Pflichtstundenzahl. — Nun kommt die technische Behandlung. Wieder werde
ich mit den Erklärungen und Anleitungen während des Unterrichts nicht ausreichen.
Ich muss also wieder ausserhalb meiner Pflichtstunden das geeignete Beispielmaterial
schaffen. Damit ist der Fall noch nicht erschöpft. Dieses Motiv sehe ich nur in
einer gewissen Beleuchtung zu derselben Tageszeit. Es interessiert uns aber, dies
Motiv auch zu anderen Tageszeiten und in anderer Beleuchtung zu sehen. Ich
werde deshalb meinen Schülern sagen, wen es interessiert, trifft mich heute abend
um die und die Zeit auf dem alten Platz. So wird noch einigemale eine andere
Zeit bestimmt. Da uns aber das blosse Anschauen nicht genügt, wollen wir diese
verschiedenen Stimmungen auch festhalten. Das ist bei den Schülern häufig
Gedächtniszeichnen. Nun müssen sie Gelegenheit haben, ihre Auffassung und
Darstellung mit der meinigen zu vergleichen. Ich werde also das Motiv nach dieser
Seite hin zu bearbeiten haben — ausserhalb der Pflichtstundenzahl. —
Ein anderes Beispiel. Hier ist ein Kunstverein, ein Altertumsmuseum. Es
kostet Eintritt. Wir wollen uns diese Institute nutzbar machen. Da ich aber keinem
Schüler die Geldauslage befehlen kann, legen wir den Besuch ausserhalb der Schul-
zeit für die Freiwilligen.
Weiter. Die Stadt bietet eine Menge Stoff zur Beobachtung: Kirchen, moderne
Strassen, alte Gassen, Winkel, einzelne interessante Häuser, Läden, einen Fluss,
Wälder, Nachbarorte usw. Dies alles muss ich kennen, weil ichs für den Unter-
richt nutzbringend anwenden kann. Ich muss wissen, wo das gute Alte und Mo-
derne zu finden ist, sonst kann ichs meinen Schülern nicht sagen. Liebe zur Heimat,
Pietät gegen das gute Alte kann ich nur wecken und pflegen, wenn ich weiss, wohin
ich meine Schüler führen kann. Während der Schulzeit kann ich keine Studien
hiezu machen.
Weiter das Sammeln. So vieles hat die Schule nicht, was zur Erziehung zur
künstlerischen Genussfähigkeit gehört und wras zur Ausbildung des künstlerischen
Urteils notwendig ist. Ich bin also aufs Sammeln angewiesen, zunächst auf den
Wohnort. Was ich aber brauche, läuft mir nicht ins Haus. Ich muss es in Läden
bei Buchhändlern, Dekorateuren, Modewarenhäusern, Werkstätten usw. suchen und
z usamm entragen.
Noch eins. In meinem Zeichensaal ist ein Glaskasten zum Ausstellen von
Beispielen und Gegenbeispielen. Damit ist die Verwendbarkeit dieses Glaskastens
nicht erschöpft. Ich werde ihn benützen zu allen möglichen Ausstellungen. Z. B.
die Postkarte hat sich zu einem nicht zu unterschätzenden Faktor für die Ge-
schmacksbildung entwickelt. Ich werde deshalb die am Orte käuflichen guten Bei-
spiele sammeln und zu einer Ausstellung vereinigen. — Es ist uns Zeichenlehrern
nicht gleichgültig, ob Bücher gut und geschmackvoll gebunden sind oder nicht.
Daher gute und schlechte Beispiele in den Glaskasten.
Ferner: Häufig wird man gefragt nach irgend einem Künstler. Diesem Interesse
kommen wir gerne entgegen. Wir werden also im Glaskasten eine Ausstellung
solcher Werke veranstalten, welche uns zu Händen sind. Man liest Kunstzeit-
schriften. Die uns geeignet erscheinenden Abbildungen von Bildern, Studien,
Skizzen werden wir vereinigen zu Ausstellungen. Tapeten, Stoffe kommen in den
Glaskasten. Wir tauschen Bilder, Studien untereinander aus zu diesem Zweck.
Wir kennen am Orte lebende Künstler. Wir veranlassen sie, uns zu obigem
Zwecke geeignetes Material zu überlassen für gewisse Zeit. — Zu allen diesen
Ausstellungen und was drum und dran hängt brauchen wir unsere Zeit. Nun
möchte mancher sagen, so etwas ist bald gemacht, ähnliche Vorbereitungen haben
wir auch. Ja, vielleicht, aber nicht in diesem ausgedehnten Masse. —
Und noch eins. Neben dem Zeichensaal ist das Arbeitszimmer des Zeichen-
lehrers. Ich möchte sagen, nicht nur zum Arbeiten für denselben. Es ist auch
Besuchszimmer. Da kommen die Schüler herein, um des Lehrers Arbeiten zu sehen,
um zu sehen, wie diese oder jene Arbeit fortschreitet bis zur Vollendung. Sie müssen
 
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