Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

DOI Heft:
Heft II (Februar 1909)
DOI Artikel:
Preußen / Ministerium für Handel und Gewerbe: Preussen, Verfügung über den Zeichenunterricht an gewerblichen Fortbildungsschulen
DOI Artikel:
Das Ornament im gewerblichen Unterricht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0038

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
bleiben. Alle Modelle werden im Grundriss und in den nötigen Aufrissen aufgenommen
und aufgetragen.
Als Modelle sind, soweit irgend angängig, Erzeugnisse aus dem Berufe des Schülers
oder Einzelteile von solchen zu benützen. Nachbildungen aus anderem Material oder in
verändertem Massstabe sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Solche Modelle lassen sich für
jeden Beruf meistens mit Leichtigkeit beschaffen (für Maurer; Ziegelsteine, Formsteine, be-
arbeitete Hausteine; für Tischler: Abschnitte von Profilleisten, Ecken von Türen; für Metall-
gewerbe: Abschnitte von Eisenprofilen, Platten, Schrauben, kleine Werkzeuge, Maschinen-
teile; für Sattler: Riemen, Schnallen, Gurte usw.).
Ist der Schüler so weit gefördert, dass er die zeichnerische Darstellung der einfacheren
Einzelteile beherrscht, so kaun er angeleitet werden, Vorlagen in kleinem Massstab, oder
nach Skizzen des Lehrers Werkzeichnungen anzufertigen.
Fachzeichnen der schmückenden Gewerbe. — Bei den schmückenden Gewerben (Malern,
Stukkateuren, Goldschmieden, Kunstschlossern, Kunsttischlern, Lithographen usw.) kommt
es in weit höherem Masse als bei den nicht schmückenden darauf an, hinreichende
Uebung von Auge und Hand zu erlangen. Es empfiehlt sich daher, neben dem fachlichen
Zeichnen auch das freie künstlerische Zeichnen in seiner allgemeinen Form nach Gegen-
ständen, Naturformen oder mustergiltigen kunstgewerblichen Vorlagen zu pflegen. Das
Zeichnen nach Vorlagen darf jedoch niemals in ein blosses Kopieren verfallen. Eine Schulung
in den Grundelementen der Farbenanwendung ist für die meisten Berufe unerlässlich. Der
selbständige kunstgewerbliche Entwurf kommt für die Fortbildungsschule nicht in Frage. Für
die meisten schmückenden Gewerbe, vor allem für die Dekorationsmaler, ist es von Wichtig-
keit, gehörige Fertigkeit im Vergrössern nach Vorlageskizzen und in der Abänderung solcher
Skizzeu für Sonderzwecke zu erlangen. Diese Uebungen der Dekorationsmaler sind möglichst
in natürlicher Grösse und in Leimfarbe vorzunehmen. Für Stukkateure und andere Hand-
werker, deren Gewerbe Fertigkeit im Modellieren erfordert, ist, wo die örtlichen Verhältnisse
es irgend erlauben, neben dem Zeichenunterricht auch Modellier unterricht einzuführen.
Ergänzungszeichnen der schmückenden und nichtschmückenden Gewerbe. - Für alle
schmückenden Gewerbe ist auch einige Uebung im Zirkelzeichnen erwünscht, die je nach
dem Einzelberufe des Schülers mehr oder weniger Raum im Lehrplan einnehmen kann.
Die rein technischen Gewerbe, wie Maurer, Zimmerer, Metallarbeiter, Rohrleger usw.,
bedürfen des Ornamentzeichnens nicht. Wo die Verhältnisse es erlauben, kann jedoch be-
fähigten Schülern Gelegenheit gegeben werden, sich im freien, perspektivischen Darstellen
einfacher Gegenstände zu üben.
Diejenigen Gewerbe, die zwar vorzugsweise technisch sind, sich aber doch mit dem
Kunstgewerbe berühren (Tischler, Drechsler, Steinmetzen, Schlosser usw.), können, nachdem
das gebundene Zeichnen genügend geübt worden ist, auch im ornamentalen Zeichnen nach
Art der schmückenden Gewerbe unterrichtet werden.
Im allgemeinen werden sich Erfolge im Ergänzungszeichnen nur erreichen lassen, wenn
mehr als zwei Wochenstunden auf den Zeichenunterricht verwendet werden.
Fachzeichnen der Bekleidungsgewerbe. — Das Fachzeichnen der Bekleidungsgewerbe
(Schneider, Schuhmacher, Kürschner) beginnt ebenfalls mit dem Aufnehmen von Massskizzen
nach fertigen Einzelteilen oder Berufserzeugnissen (Besatzteilen, Schnallen, Kragenstücken,
Schäften, Laschenformen, Kappen usw.). Weiter ist sodann lediglich dasjenige fachliche
Zeichnen zu pflegen, das in der Werkstatt gebraucht wird.

Das Ornament im gewerblichen
Unterricht. Der „Zeitschrift des Verbandes
bad. Gewerbeschulmänner“ entnehmen wir
nachstehende beachtenswerte Ausführungen,
die einem Vortrag des Professors R. Rücklin-
Pforzheim entnommen sind.
„Auf eine Reihe von wichtigen Fragen, so
z. B. auf diejenige, weshalb die Bestrebungen
um einen neuen Stil als gescheitert betrachtet
werden müssen, oder diejenige nach der
besten Ornamentik will der Herr Vortragende
nicht eingehen, sondern ganz als Schulmann
sprechen. So viel sei sicher, dass jene Be-
strebungen trotz anfänglicher Verirrungen
(Jugendstil!) das gute gehabt hätten, ge-
schmackbildend auf das Publikum zu wirken.
Infolgedessen würden auch heute grössere
Anforderungen hinsichtlich des Geschmacks
an den Gewerbetreibenden gestellt, wenn es
auch Gewerbe gäbe, für welche ein Bedürfnis
nach Ornamentik nicht in Frage komme.
Wie soll nun die Ornamentik im gewerb-
lichen Unterricht gelehrt werden?

Vor allem kann es nicht Aufgabe der Ge-
werbeschulen sein, das Entwerfen von Orna-
menten zu lehren. Dies setzt einen vor-
geschrittenen Schüler voraus und muss dess-
lialb den Kunstgewerbe- und dergl. Schulen
vorbehalten werden.
Weshalb sind aber die früheren Unterrichts-
ergebnisse nicht recht befriedigend gewesen?
Weil der Unterricht sich auf das blosse Ko-
pieren stilistischer Ornamente beschränkt hat.
Dieser Weg ist heute nicht mehr gangbar.
Der geringe Erfolg dieser Methode beruht
darauf, dass man dem Unterricht eine hoch-
entwickelte Ornamentik (Renaissance usw.)
zugrunde legte, welche auf Abstraktionen
beruht, welche für den Schüler auf der Unter-
stufe zu hoch sind.
Für die Ornamentik möchte Vortragender
folgende Klassifikation geben: I. Stilistische,
II. elementare und III. naturalistische Orna-
mentik.
Die stilistische Ornamentik muss für unsern
Unterricht als ausgeschlossen bezeichnet
 
Annotationen