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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft III (März 1909)
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Muthesius, Hermann: Wohnungskultur, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0051

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39

allerersten Anfängen. Wer von der älteren Generation Kunstinteresse hat, irrt
noch immer in der rein theoretisch-bewundernden, zur Zeit des „Idealismus“
üblich gewesenen Weise bei den Griechen und Römern, bei Rafael und Murillo
umher, ohne auch nur daran zu denken, dass es etwas Aehnliches wie künstlerische
Selbstbetätigung in der Gestaltung seiner häuslichen Umgebung gibt. Die jüngere
Welt schwärmt für moderne Kunst. Aber auch hier ist der Schritt zur Praxis

noch kaum getan, abgesehen
Aeusserliches verstehen. Im

davon, dass
allgemeinen

viele unter moderner Kunst etwas ganz
ist der deutsche Kunststandpunkt auch


heute noch derjenige,
der er im letzten halben
Jahrhundert war:
Künstlerkunst auf der
einen Seite, der alte
völlige U n g e -
schmack und die
blanke Unfähigkeit, sich
in seiner eigenen Um-
gebung geschmacklich
zu betätigen, auf der
anderen.

In dieser Beziehung
ist es bezeichnend, zu
beobachten, wie die
deutscheW ohnung auch
heute noch das völlig
chaotische Durcheinan¬
der ist, das sie vor
zehn Jahren war. Eine
neue, reinigende und
veredelnde Auffassung
ist noch kaum ein ge¬
drungen, zum Teil wird
das Bedürfnis nach ihr
noch gar nicht em¬
pfunden. Man fühlt sich
in dem Tohuwabohu
gerade wohl.
Freilich muss man
zugestehen, dass es vor¬
läufig in Deutschland
selbst dem Manne mit
persönlichem Ge¬
schmack noch nicht
leicht wird, sich das
Rüstzeug für eine selbständige bessere Ausstattung zusammenzubringen. Wir haben
noch immer nicht die reiche Auswahl an gediegenen, künstlerische Anforderungen er-
füllenden Stoffen, die England hat, wir haben noch immer nicht das einfache anständige
Bürgermöbel, das wir brauchen (erst ganz neuerdings werden an einer oder zwei
Stellen Ansätze genommen, es zu schaffen). Unsre Färbereien arbeiten noch in
kulturlosen Farben, obgleich gerade Deutschland das Land ist, das die ganze Welt
mit Farbstoffen versorgt. Wer gute Farben haben will, muss sich den Rohstoff
selbst färben lassen, und er kann von Glück sagen, wenn es ihm gelingt, zu er¬

halten, was er wünschte.

Hier wäre ein Gebiet, wo die stets nach Neueroberungen auslugende Indu-
strie einspringen könnte. Warum bringt sie keine künstlerisch guten Sachen als
 
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