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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft V (Mai 1909)
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Kolb, Gustav: Die Organisationsarbeit des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner in München, [2]: ein Bericht über das Münchener Fortbildungsschulwesen sowie über den Handarbeits- und Zeichenunterricht der Münchener Volksschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0078

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Diese Zeichnungen berechtigen zu dem Urteil, dass der betr. Lehrer ein strenges,
klares Formenstudium anstrebt. Die Darstellung war stets einfach. Sämtliche
Arbeiten standen auf künstlerischer Höhe, mit Ausnahme einiger Tierzeichnungen,
die manchmal das Lebensvolle vermissen liessen. Gewiss wäre es hier, wie auch
bei anderen Fachabteilungen interessant gewesen, sämtliche Arbeiten eines
Schülers zusammengeheftet beieinander zu sehen. Man hätte dann eher einen
Einblick in den Unterrichtsbetrieb und seine Erfolge gewinnen können.
In der Gewerbeschule in der Luisenstrasse hatten wir noch Gelegenheit,
die Fachabteilung für Ziseleure kennen zu lernen. Den Zeichenunterricht erteilt
Fr. X. Knoll, den Werkstättenunterricht Job. Vierthaler, ein junger Lehrer, der
auch als ausübender Künstler Bedeutendes leistet.
Der Zeichenunterricht wird wohl in Verbindung mit dem Werkstätten-
unterricht erteilt, sodass beide Lehrer sich gegenseitig unterstützen, in der Arbeit
ergänzen bezw. erweitern; doch wird diese Verbindung nicht ängstlich eingehalten.
Im Gegenteil, die Lehrer machten die Erfahrung, wie mir mitgeteilt wurde, dass
die Schüler leicht ermüden, wenn sie dasselbe ausführen müssen, was sie zuvor

Abbildung 1.


Schülerarbeit der Fachklasse für Bildhauer der Gewerbeschule München (Leiter: K. Killer).

gezeichnet haben. Andererseits macht sich die Eigenart und der Geschmack des
Leiters der Werkstätte in dem Bedürfnis nach einer gewissen Bewegungsfreiheit
geltend. Er nimmt das Beeilt für sich in Anspruch, auch solche Arbeiten aus-
führen zu lassen, die bei ihm gezeichnet bezw. entworfen wurden, was indessen
dem Leiter der Zeichenklasse nach seiner eigenen Mitteilung durchaus selbstver-
ständlich erscheint.
Der Zeichenunterricht wird im Anfang nach einfachen Naturformen erteilt.
Der Schüler soll zuerst einen struktiv aufgefassten Umriss, z. B. nach einem
Schmetterling oder Käfer zeichnen, also eine Darstellung in Linien, wie sie als
Grundlage zum ,,Schroten“ notwendig ist. Er muss dabei lernen, alles Beiwerk
fallen zu lassen und das Dekorative hervorzuheben. Allmählich leitet der Unter-
richt zum Belief über, auf dieser Stufe wird auch nach Gips gezeichnet. Die
Zeichnungen werden ab und zu auch farbig dargestellt (mit Farbstift oder Aquarell),
denn „der Ziseleur muss auch farbig fühlen lernen“. K. legt auch Wert darauf,
das F o r m e n g e d ä c h tni s der Schüler zu entwickeln.
Auf der Ausstellung war eine grössere Anzahl von Fach-Zeichnungen der
Ziseleurabteilung vertreten. Sie waren meist auf Tonpapier gezeichnet, häufig in
naturalistischer Farbenbehandlung; daneben sah man Naturformen, die durchaus
ornamental aufgefasst waren. Häufig begegnete man auch der Zusammenstellung
von Naturstudie und ornamentaler Verwendung auf einem Zeichenblatt. Der Ein-
druck, den ich in der Ausstellung von diesen Arbeiten erhielt, befestigte sich
 
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