Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

DOI Heft:
Heft V (Mai 1909)
DOI Artikel:
Muthesius, Hermann: Wohnungskultur, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0085

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
69

ganze Ornamentierwut cler kunstgewerblichen Industrie zusammengezogen hat. In
dem vergoldeten Deckenstuck und den Türumrahmungen feierte das höfische Rokoko
oder die geschwungene Linie der ,,Moderne“ wilde Orgien. An Decke und Wand
ist kein Stückchen Fläche undekoriert und unbemustert gelassen, das würde
Dürftigkeit bedeuten.
Das Mobiliar zeigt in dem Bestreben, durch Reichtum zu prunken, ein wildes
Durcheinander an allen nur denkbaren Motiven, Holzarten, Stilrichtungen, Farben
und Formen. Beliebt sind wieder die Anläufe nach dem aristokratischen altfran-

Abbildung 8

lassen, sie wolle denselben vielmehr

Schülerarbeit der
graphischen Abteilung der
Gewerbeschule München
(Leiter: Direktor Godron).

zösischen Möbelcharakter, doch sind die Bronceteile durch vergoldete schlechte
Schnitzerei oder noch schlechtere gestanzte
Metallstücke ersetzt. Kein Eckchen im
Zimmer ist frei, die Stühle, Tische und
Tischchen, Ottomanen, Erkereinbauten mit
Galerie, Bürstenständer, Schränkchen und
Schränke drängen und schieben sich förm¬
lich, und wo an der Wand die Möbelstellung
auch nur noch einen Quadratfuss Fläche frei¬
lässt, da sind Bilder, Drucke, Teller, japa¬
nische Fächer, Wandbretter, Schilder und
Wandleuchter angebracht. Es scheint eine
förmliche Angst zu herrschen, durch eine
kleine ruhige Fläche den Eindruck des
Leeren aufkommen zu lassen. Auf allen
Tischplatten und Möbeln aber prangen die
„Nippsachen“, jene schlimmsten Eindring¬
linge in die Einheit unserer Wohnung. Sie
sind es, die in ihrer Nutzlosigkeit und durch
die Unruhe, die sie überall hintragen, die
babylonische Verwirrung noch um ein Un¬
endliches vermehrt haben — ganz zu
schweigen von den undefinierbaren Ge¬
schmacklosigkeiten, die sich gerade an ihnen
breit machen; man denke nur an den bronze¬
farbenen Zinkgusshund mit der Uhr in der
Flanke, der im Takt des Uhrwerkes mit
dem Schwanz wackelt; oder an die all¬
beliebte blecherne Ritterschildgarnitur als
Wandleuchter! (Schluss folgt.)

Umschau. — Offener Zeichensaal.
Die Zusage, die uns seinerzeit bei einer
Tagung des Zeichenlehrervereins von einem
Vertreter des K. Ministeriums gemacht
wurde, dass die Regierung nicht daran
denke, den offenen Zeichensaal eingehen zu
noch weiter ausbauen, erfährt eine eigentümliche Beleuchtung dadurch, dass vom
K. Gewerbeoberschulrat die Staatsbeiträge, die den Gemeinden da und dort bisher
gewährt wurden, anscheinend künftig nicht mehr gereicht werden. Umso erfreulicher
ist es, dass es noch Städte gibt, die den Wert des offenen Zeichensaals trotzdem
anerkennen und ihn auch ohne staatliche Unterstützung weiterführen wollen. Ueber
einen solchen Fall entnehmen wir einer Rottweiler Lokalzeitung folgende Stelle
über einen Gemeinderatsbericht.


„Der Gewerbeoberschulrat hat mitgeteilt, dass zu den Kosten des offenen Zeichen-
saals künftig ein Staatsbeitrag nicht mehr gereicht werde.
Vom Gewerbeverein wird an die bürgerl. Kollegien die dringende Bitte gerichtet,
es möge trotzdem diese für das Kunstgewerbe in Stadt und Umgebung wohltätige Ein-
 
Annotationen