Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

DOI Heft:
Heft VI (Juni 1909)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Die Organisationsarbeit des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner in München, [3]: ein Bericht über das Münchner Fortbildungsschulwesen sowie über den Handarbeits- und Zeichenunterricht der Münchner Volksschulen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0091

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heff VI

III, Jahrgang

Juni 1909

Schriftleiter: Gustav Kolb, Oberreallehrer in Göppingen.

Inhalt:

Die Organisationsarbeit des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner in München (Schluss). —
Wohnungskultur (Schluss). Generalversammlung des badischen Zeichenlehrervereins. — Verein württ.
Zeichenlehrer. — Verein für Zeichen- und Kunstunterricht in Elsass-Lothringen.— Besprechungen.

Die Organisationsarbeit des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner
in München
Ein Bericht über das Münchner Fortbildungsschulwesen sowie über den Handarbeits- und
Zeichenunterricht der Münchner Volksschulen von G. Kolb.
(Schluss).
Der Zeichenuntericht der Münchner Volksschulen.
Kerschensteiners Buch: „Die Entwicklung der zeichnerischen Be-
gabung“ ist eines der tiefgründigsten Werke, die dem neuzeitlichen Zeichen-
unterricht der allgemein bildenden Schule die Wege geebnet haben. Wir wollen
unsere Besprechung des Münchner Volksschulzeichenunterrichts, der nach den in
diesem Werke niedergelegten Grundsätzen ausgestaltet wurde, die Ausführungen
Kerschensteiners über die „Stellung des Zeichnens“ voranstellen. „Die Sprache ist
nicht für alle Darstellungen ein geeignetes Ausdrucksmittel. Unentbehrlich ist sie
nur für allgemeine Vorstellungen und Begriffe, sowie für Vorstellungen, bei denen
die Wahrnehmungen des Auges keine Bolle spielen. Unzureichend aber ist die
Sprache für alle konkreten Vorstellungen unseres Gesichtssinnes; hier ist das beste,
ja bisweilen unentbehrliche Ausdrucksmittel das Zeichnen. Die graphische Dar-
stellung eines Tisches, eines Schmetterlings, einer Stadt, eines Berges u. s. w. kann
durch keine noch so glänzende sprachliche Darstellung ersetzt werden. Aber noch
mehr; das Zeichnen ist nicht nur das Ausdrucksmittel für unsere konkreten
Gesichtsvorstellungen , es dient sogar ihrer Ausbildung, wie der Gebrauch der
Sprache auch der Ausbildung unserer Begriffe dient. Wir haben nur das verstanden,
was wir selbständig sprachlich ausdrücken können, und wir besitzen nur jene Ge-
sichtsvorstellungen, welche wir selbständig zeichnen können. Weil nun der An-
schauungs- und Sachunterricht alles konkrete Vorstellungsmaterial zu liefern hat
und weil die konkreten Gesichtsvorstellungen wiederum am besten durch das Zeichnen
ausgebildet werden, so ist das Zeichnen ein unentbehrlicher Unter-
richtsgegenstand der aller einfachsten Volksschule. Weil alle kon-
kreten Gesichtsvorstellungen graphisch sich besser ausdrücken lassen, als durch die
Sprache, so ist die Bflege des graphischen Ausdrucks unmittelbar neben den sprach-
lichen zu setzen. Auch ist ihm in den Schulorganisationen jener Platz einzuräumen,
der ihm im Verhältnis der Bedeutung beider Ausdrucksmittel, der Sprache und des
Zeichnens, im allgemeinen Menschenverkehr unserer Zeit zukommt.“
Im Zusammenhang mit diesen Ausführungen stellt K. als Lehrziel des Zeichen-
unterrichts an Volksschulen auf: „Er hat die Gesichtsvorstellungen aus-
zubi 1 den und das Vermögen, sie graphisch auszudrücken, in den
Anfängen zu entwickeln. Dabei dient er zugleich mit dem Sach- und Werk-
unterricht der Förderung der Beobachtungsgabe und des ästhetischen Gefühls.
Dieses Ziel ist tunlichst im Zusammenhang mit dem gesamten Sachunterricht zu
verfolgen; das Zeichnen wird deshalb in den Unterklassen mit dem Anschauungs-
unterricht, in den Mittelklassen mit dem heimatkundlichen, in den Oberklassen mit
dem gesamten weltkundlichen und Handfertigkeits- bezw. Handarbeitsunterricht
verbunden.“
Diese Ausführungen über Wert und Ziel des Zeichenunterrichts sind durchaus
unanfechtbar. Wenn wir nun einen Gang durch die Schulklassen selbst machen,
so soll uns dabei der Gedanke leiten, festzustellen, ob und wie diese Forderungen
in die Praxis übertragen worden sind. Denn die Besucher der Ausstellung waren,
das sei vornweg gesagt — in der Hauptsache der Anschauung, dass die Praxis
des Münchner Volksschulzeichenunterrichts den Intentionen seines Autors nicht
 
Annotationen