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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft VI (Juni 1909)
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Kolb, Gustav: Die Organisationsarbeit des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner in München, [3]: ein Bericht über das Münchner Fortbildungsschulwesen sowie über den Handarbeits- und Zeichenunterricht der Münchner Volksschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0096

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stattet; doch ist jeder Naturalismus zu vermeiden und auf strenge grosse Linien-
führung und deutliche Abgrenzung der Töne, also auf eine flächenhafte Behand-
lung, zu achten.“ Die Schattengebung wird dementsprechend nicht mit Strichlegen
etwa mit Bleistift oder Feder durchgeführt, sondern mit Aquarellfarbe, die aber
nur als Deckfarbe Anwendung findet. Der Schüler hat nur 3 Farben (Zinnober,
ChromgelbundUltramarin) die als „Grundfarben“ angesehen werden und ausser-
dem noch Deckweiss und Neutraltinte in Händen. Mit diesen Mitteln ist aller-
dings keine naturalistische Wiedergabe der farbigen Erscheinung der Dinge möglich.
Wie nun die plastische Darstellung gehandhabt wird, möge an einigen Bei-
spielen ersehen werden. Bei den Kugeln (Abb. 5, links oben): beleuchtete
Fläche gelb, Schlagschatten dunkelblau, bei den Steinissen: beleuchtete Fläche
weiss, Schlagschatten schwarz, bei den Aepfeln: Lichtfläche hellgelb, Schlag-
schatten blau, bei der Schale: Licbtfläche weiss, Schatten schwarz, bei dem
Kübel: Glanzlicht weiss, Schatten dunkelblau. Zu bemerken ist noch, dass
sämtliche Arbeiten auf Tonpapier gezeichnet waren.
Dieses Auflösen der plastischen Erscheinung in Flächen wird
auch bei schwierigeren Aufgaben beibehalten. Beispiel: ein aufgeschlagenes
Buch ist auf Packpapier farbig dargestellt. Die aufgeschlagenen Blätter violett,
beim Schatten, wo das Blatt sich umbiegt, bleibt der Papierton als Streifen stehen,
das Licht, wo die rechte Seite sich umbiegt, ist mit Weiss aufgesetzt, der Schnitt
ist mit Kot, der Schlagschatten mit Schwarz, die Dicke des Deckels mit Gelb
angegeben. Ueberall, wo zwei Farben nebeneinander stehen, ist als Trennungs-
mittel ein Streifen Papier ausgespart (siehe oben).
Wir haben also eine Darstellungsart vor uns, die genau der entspricht, die
wir in der graphischen Abteilung der Gewerbeschule kennen gelernt haben. Die
Ausstellung der Münchner Volksschulen stand völlig unter dieser Signatur, sodass
der Besucher zunächst zu der Anschauung kommen musste, man habe eine Vor-
schule der Gewerbeschule, also nicht eine allgemeinbildende Schule vor sich. In
der Tat, der ganze Unterrichtsbetrieb schien darauf angelegt zu sein, die kleinen
Jungen und Mädels systematisch zu Plakatkünstlern oder zu dekorativen Malern
zu erziehen.
Dieser Unterrichtsbetrieb wird auch in Kl. VIII beibehalten.
Der Lehrplan schreibt bez. der Stoffverteilung für diese Klasse folgendes vor:
Mädchen: a) Fortsetzung der Pflanzenstudien wie in der siebenten Klasse.
b) die einfachsten geometrischen Konstruktionen mit Zirkel und Lineal w7ie
Winkel- und Streckenteilung, regelmässige Vielecke, Litzenmuster.
c) Fortsetzung der dekorativen Pinselübungen; Anwendung zu Stickereien
und Applikationen.
Mädchen: a) Geometrische Konstruktionen wie bei Mädchen; ausserdem Berührung
von Kreisen unter sich und von Geraden mit Kreisen. — Ellipsen, Ovale,
Parallelen.
b) Flächenmuster im Anschluss an das geometrische Zeichnen und mit Rück-
sicht auf gewerbliche Bedürfnisse.
c) Freihandzeichnen nach kunstgewerblichen Mustern.
d) Projektionszeichnen nach Modellen.
Es tritt also in dieser Klasse für beide Geschlechter das gebundene Zeichnen
hinzu. Im Freihandzeichnen geht man anscheinend über die Forderungen des
Lehrplans hinaus. Ich setze hier die Stoffanordnung einer AIII. Knabenklasse
her, wie sie in der Ausstellung vorgeführt war. 6
1. Liguster (Darstellung mit Deckfarben, Beeren schwarz, Blätter rotbraun, Lichter
und Rippen ausgespart), Stilisierung dieser Pflanze und ornamentale Verwendung zu Bor-
düren. 2. Judenkirsche, Naturstudie (Konturen orangegelb, sowie Konturen u. Schatten
schwarz), ornamentale Anwendung. 3. Mistel. 4. Kessel mit gebogenen Formen (Kohlen-
zeichnung auf Packpapier, Lichter mit Weiss aufgesetzt). 5. Tisch mit Fussgestell.
6. Rodelschlitten. 7. Fenster, geöffnet. 8. Innenraum des Schulhauses
(Kohlenzeichnung auf dunkelgraues Tonpapier, die Schatten blieben im Papierton stehen,
die Lichtpartien wurden mit weisser Kreide aufgedeckt. 9. Landschaft. 10. Topf (blau)
mit weissen Tupfen, Darstellung mit Deckfarben, der Körperschaften war mit dunkelblauer
Farbe angegeben. 11. Teller mit blauen Verzierungen. 12. Grüne Vase. 13. Glas (mit
2 Arten von Glanzlichtern, helle mit reinem Weiss, dunklere mit Weiss (vermischt mit Blau)
dargestellt). 14. Tintengefäss aus weissem Porzellan (auf Packpapier gezeichnet,
 
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