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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft VII (Juli 1909)
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Kolb, Gustav: Unser Bericht über den Zeichenunterricht an den Münchner Volksschulen und seine Folgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0114

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9G

Da haben wir nun klipp und klar die Tatsache: In einer Ausstellung, welche den
Fremden und dem hiesigen Publikum ein Bild von der Leistungsfähigkeit der Münchner
Schulen geben sollte, hat man es gewagt, „Korrekturen“ des Schulleiters, — denn vom
Schüler war in manchen Fällen verschwindend wenig mehr zu erkennen —, wie Arbeiten
von Schulkindern dem Publikum vorzulegen; man hat nichts getan, um diesen Umstand zur
Kenntnis zu bringen und hat stillschweigend die Lorbeeren für die vermeintlichen Schul-
leistungen eingesteckt, bis unsere Fachmänner von den Mittelschulen, die Vertreter ver-
nünftiger Reformen, kamen und diese Manipulation rücksichtslos aufdeckten. Ja, man hat
diese nicht mehr echten Kinderarbeiten eigens in Mappen als „Klassenleistungen“ ausgestellt.
Es ist ein unerhörter Skandal, dass so etwas vorkommen konnte und die Achtung vor
unserem Schulwesen muss durch solche Vorgänge empfindlich erschüttert werden. Wir aber
stellen jetzt öffentlich die Anfrage an Herrn Stadtschulrat Dr. Kerschensteiner: Hat er, der
sachlichen und berechtigten Kritiken gegenüber sofort mit dem Ausdruck „Unwahrheit“ bei
der Hand ist, von diesen Manipulationen, die eine Täuschung des Publikums zur Folge
haben mussten, gewusst oder nicht? Wenn er davon gewusst und das Lob für Kinderarbeiten
eingesteckt hat, die keine mehr waren, dann ist weiter kein Wort mehr zu verlieren. Hat
Herr Dr. Kerschensteiner aber nichts davon gewusst, hat er wirklich nicht erkannt, was die

Abbildung 1.


Spatzen von allen Dächern pfiffen, dass die
Arbeiten der Ausstellung keine ehrlichen,
unverfälschten Schülerarbeiten mehr waren,
dann ist damit der Beweis geliefert, dass
er eben weniger vom Zeichnen versteht,
als diese „Stadtspatzen“: er, der Mann,
der soviel überzeichnen geschrieben und
geredet hat und trotzdem heute noch das
Zeichnen unter die Rubrik „Fertigkeiten“
einreiht. Neugierig sind wir auch, wie die
„Neuesten“, die dem Herrn Schulrat immer
eifrigst den Steigbügel halten, damit er
leicht auf das hohe Ross kommt, sich
aus der Affäre ziehen werden. Entweder
verstehen die ,,M. N. N.“ eine Schüler¬

zeichnung nicht von einer durch den Lehrer gründlichst bearbeiteten zu unterscheiden, dann
steht es sehr traurig um ihr gerühmtes Kunstverständnis, oder sie hatten die Sache auch
gemerkt, aber aus Parteigründen vertuscht.“

Zunächst: es ist traurig, dass derartige ernste Schulangelegenheiten in den
Parteihader hereingezogen werden. Dass damit der Schul- und Erziehungsarbeit
nur geschadet wird, liegt auf der Hand. Artikel dieser Art sind aber auch sonst
nicht geeignet, die Sache, um die es sich bandelt, zu fördern und die Anschauungen
zu klären; denn sie verdunkeln den Tatbestand und zwar wissentlich. Selbst
einem oberflächlichen Leser meines Berichtes konnte nicht entgehen, dass mir
daran lag, die Leitung des Münchner Zeichenunterrichts dem Vorwurf gegenüber,
dass die Ausstellung ein „Schwindel“ gewesen sei, nachdrücklich zu verteidigen.
Man lese meine Worte nach: „Wenn von mancher Seite angesichts dieser Arbeiten
der Ausdruck „Schwindel“ fiel, so muss- dies als ungerechtfertigt bezeichnet werden“
und „bei meinem Besuch der Schulen habe ich mich überzeugt, dass die Schüler
angeleitet werden, durchaus selbständig zu arbeiten. Die Leistungen, die
vor meinen Augen entstanden, waren durchschnittlich so gut, dass sie vor jedem
Kritiker mit Ehren bestehen können. Die Münchner Schulen haben also durch-
aus nicht nötig, die Arbeiten der Schüler für die Ausstellung aufzuputzen“.
Dabei ist zu beachten, dass meine Angabe über die Korrektur von Arbeiten durch
den Zeicheninspektor sich nur auf 2 Aufgaben (Gans und Babe) bezog; dass also
bei den Arbeiten im allgemeinen, die Frage, ob sie vom Lehrer verbessert
worden seien, überhaupt nicht aufgeworfen wurde; denn sie zeigten jedem Kenner
den Stempel von reinen Schülerarbeiten ohne weiteres.
Wie kann man also einen Einzelfall in dieser Weise verallgemeinern und
solch schwere Verdächtigungen daran knüpfen? Dann weiter: Wenn Inspektor
Steigerwald die betr. Arbeiten (Babe und Gans) für reine Schülerarbeiten hätte
ausgeben wollen, hätte er dann mir auf meine Frage ohne weiteres erklärt, dass
er die Korrektur in diesem besonderen Fall eigenhändig vorgenommen habe?
In diesem Zusammenhang muss übrigens festgestellt werden, dass die bisher
üblichen Schulausstellungen im allgemeinen nur Arbeiten zeigten, die vom Lehrer
korrigiert waren. Ist der Gewährsmann des „Bayrischen Kurier“ Fachmann, so
 
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