Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 3.1909

DOI issue:
Heft VIII (August 1909)
DOI article:
Schwarz, E.: Das Zeichnen in der Volksschule und seine Verwertung im Unterricht, [1]: Vortrag des Herrn Zeichenlehrers E. Schwarz Karlsruhe, gehalten am 23. Mai d.J. bei der Generalversammlung des badischen Zeichenlehrervereins in Gengenbach
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0125

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Heft VIII

111. Jahrgang

August 1909

Schriftleiter: Gustav Kolb, Oberreallehrer in Göppingen.

Inhalt:

Das Zeichnen in der Volksschule und seine Verwertung im Unterricht. — Die neue Fibel für die
evangelischen Volksschulen Württembergs. - Denkmalpflege auf dem Lande. — Bildwerke in der Klein-
bürgerwohnung. — Verein für Zeichen- und Kunstunterricht in Elsass-Lothringen. — Besprechungen.

Das Zeichnen in der Volksschule und seine Verwertung im
Unterricht. *
Vortrag des Herrn Zeichenlehrers E. Schwarz-Karlsruhe, gehalten am 23. Mai d. J. bei
der Generalversammlung des badischen Zeichenlehrervereins in Gengenbach.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema über das wir uns unterhalten
wollen, heisst: „Das Zeichnen in der Volksschule und seine Verwertung im Unter-
richt.“ Wir können auch sagen: Wie ist das Zeichnen in der Volksschule zu ge-
stalten, damit es den neuzeitlichen Forderungen des Lehrplans entspricht?
Hören wir zunächst, welche Forderungen der neue Lehrplan für diesen Unter-
richt aufstellt!
Es heisst in § 170: ,,Bei ungünstigen Schulverhältnissen kann sich das Zeichnen
auf die Uebungen beschränken, die bei der Heimatkunde, Geographie, Naturge-
schichte, Naturlehre und namentlich bei der Geometrie vorgeschrieben sind.“
Und in § 171: ,,Selbständiges Beobachten des Gegenstandes, scharfes Er-
fassen des Wesentlichen, richtige Wiedergabe mit einfachen Mitteln, Förderung
des Schönheitssinnes und Stärkung des Formen- und Farbengedächtnisses sind die
Hauptziele des elementaren Zeichenunterrichts. Der Unterricht geht auf allen Stufen
nicht von der Abbildung oder Vorlage, sondern von der Wirklichkeit aus und
schreitet von flachen zu körperlichen Formen fort.“
Durch die Forderung des neuen Lehrplans, dass überall da, wo das Deputat
der Klasse über 20 Stunden beträgt, mindestens eine Stunde für Zeichenunterricht
angesetzt werden muss, wurden viele Lehrer in die Lage versetzt, einen Unterricht
erteilen zu müssen, dem sie oft jahrelang innerlich und äusserlich fernstanden, und
in dem sie begreiflicherweise nicht recht Bescheid wissen.
Wie oft wird man um Bat gefragt: Wie und was soll gezeichnet werden?
Andere wieder erklären: Nach dem alten Krauth’sehen Lehrgang wusste man doch
wenigstens, was man zeichnen soll! Diese sehen also im Fehlen eines detaillierten
Lehrgangs eine Lücke, ihnen wäre es angenehmer, wenn ein festumrissen er Lehr-
gang vorläge, nach welchem sie arbeiten könnten.
Gewiss, früher konnte — und das war sehr bequem — nach der Schablone
gearbeitet werden; es mochte auch bis zu einem gewissen Grade technische Fertig-
keit im Zeichnen zu erreichen gewesen sein, aber das, was der moderne Zeichen-
unterricht verlangt, ein wirkliches Können, Selbstbilden und -schaffen, ist durch
ein Arbeiten nach der Schablone niemals zu erreichen!
Ich meine, die Herren sollten es geradezu begrüssen, dass ihnen in der Wahl
dessen, was sie zeichnen sollen, die grösste Freiheit belassen ist!
Der neue Lehrplan erfordert zunächst drei Dinge: 1. Selbständiges Beobachten
des Gegenstandes und 2. Scharfes Erfassen des Wesentlichen. Das sind methodische
Hinweise für die Art der Behandlung des zu zeichnenden Gegenstandes. 3. Rich-
tige "Wiedergabe mit einfachen Mitteln.
Die zeichnerische Darstellung des Gegenstandes soll also einfach sein. Unsere
Anforderungen an die Kinder dürfen nicht zu hoch gespannt sein; wir können von
einem unfertigen Menschen nicht etwas Fertiges in dem Sinne verlangen, wie wir
es von einem Erwachsenen verlangen können; wenn wir sehen, dass das Kind das,
was es darstellen soll, innerlich erfasst und nach seinem Können und Vermögen
äusserlich dargestellt hat, so müssen wir uns mit seiner Leistung zufrieden geben.
Die wichtigste Forderung des Lehrplans ist die Förderung des Schön-
heitssinnes oder, wie wir ebensogut sagen können: die Erziehung zur Genuss-
fähigkeit, die ästhetische Erziehung, und diese Forderung wird am wenigsten
beachtet!
'' Obwohl dieser Vortrag sich speziell auf den badischen Lehrplan bezieht, enthält er
so viel Beachtenswertes und Treffendes für den allgemeinbildenden Zeichenunterricht über-
haupt, dass er sämtliche Leser interessieren dürfte. Die Schriftleitung.
 
Annotationen