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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft IX (September 1909)
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Hoßfeld, Max: Denkmalpflege auf dem Lande, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0148

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12G


Die Kirchen sind es, die in ihrer Gesamtheit den
Hauptteil dessen bilden, was auf dem Lande die Für-
sorge der Denkmalpflege erfordert. Die Gefahren, die
ihnen drohen, sind mancherlei Art. Ein Hauptfeind M
wurde soeben erwähnt: Man ist des schlichten Gottes-
hauses überdrüssig, trachtet nach einer sogen, „schmucken“
neuen Kirche, womöglich nach einer „gotischen“. Dann ist auf einmal alles schlecht
an dem alten Bauwerke, ist die Unterhaltung, die Ausbesserung nicht mehr wert.
Man lässt das Gebäude im Hinblick auf den kommenden Neubau verfallen oder
knausert doch mit den zur Instandhaltung erforderlichen Ausgaben. Und wenn es
nicht das ganze Gebäude ist, so sind es einzelne seiner Teile, die man anstössig
findet: Etwa ein Dachturm, an dessen Stelle man einen neuen, hohen, von Grund
aufgeführten Turm haben will, massiv und mit spitzem, hoch emporragendem Helme.
Oder die alten Treppenaufgänge zu den Emporen, die man durch selbständige, feuer-
sichere Treppenhäuser ersetzt zu sehen wünscht; die anspruchslos unter einem
Schleppdach liegende Sakristei, die man grösser haben und mit einem Giebel ver-
sehen wissen will, denn „Schleppdächer sind ja einer Kirche nicht würdig“!
Besonders aber missfallen der innere Ausbau und die Ausstattung der Kirche.
Jenen findet man unbequem und veraltet, diese nicht stilecht genug oder — in
protestantischen Kirchen — „zu katholisch“. Die Sitzplätze sind zu schmal, in den
Lehnen zu steil und mit störenden Türenverschlüssen versehen. Emporentreppen und
Priechen verengen den Raum; die Emporen sind zu hoch, zu unübersichtlich für die
Aufrechterhaltung der Kirchenzucht oder zu gefährlich beim Entstehen einer „Panik“.
Die Orgel ist den heutigen musikalischen Ansprüchen gegenüber zu klein, der
Kanzelaltar aus liturgischen oder hygienischen Gründen verwerflich; alte Epitaphien
oder Grabplatten, Sanduhren, Opferstöcke, Kränze und sonstige Erinnerungszeichen,
die die Emporbrüstungen schmücken, gelten für wertlosen Plunder und werden
hinausgeworfen. Die noch wohlerhaltenen Reste alter Bemalung an Decken, Wänden
und Ausstattung werden übertüncht oder holzartig überpinselt, weil man sie häss-
lich oder anstössig und „zu dem Empfinden unserer Zeit nicht passend“ oder nicht
protestantisch genug findet; oder, weil man die zu ihrer angemessenen Unter-
haltung erforderlichen Kosten scheut. So entstanden und entstehen die öden,
freudlosen Kirchenräume, denen wir allenthalben im Lande begegnen.
Sind derartige Verstösse gegen die Gesetze einer berechtigten Denkmalpflege
rundweg zu verurteilen, so ist anderseits nicht zu verkennen, dass bei einer alten
Kirche Bedürfnisse eintreten können, die

ihre Veränderung unvermeidlich machen.
Dazu gehört in
erster Linie das
Erweiterungsbe-
dürfnis. Sodann
das Verlangen,
den Kirchenraum
zu beheizen und
gegen Zugluft zu
schützen. Der
Wunsch, mehr
Licht für das
Lesen in den Ge-
sang- und Gebet-
büchern zu schaf-
fen, der übrigens
seltener auftreten
würde, wenn diese
Bücher nur, wie
in guter alter Zeit,
genügend grossen
 
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