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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

DOI Heft:
Heft X (Oktober 1909)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Zur Kunstbeilage
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Kolb, Gustav: Nochmals "Die Fibel für die evangel. Volksschulen Württembergs"
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0161

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Sollte die fernere Entwicklung unserer Gewerbeschule dahin streben, die
künstlerisch und kunstgewerblich ausgebildeten Lehrkräfte auszuschalten und an
deren Stelle Gewerbelehrer mit vorwiegend technischer Ausbildung zu setzen, so müsste
das sehr bedauert werden. Ein Niedergang unseres heimischen Kunstgewerbes wäre
jedenfalls die notwendige Folge davon. Und wer will die Verantwortung für der-
artige Massnahmen übernehmen?
Unsere Kunstbeilage ist eine Arbeit unseres Kollegen Otto Fliick-Cann-
statt, der, aus dem praktischen Kunstgewerbe hervorgewachsen, sich dem Zeichen-
lehramtsstudium widmete und seinerzeit nach Ablegung seiner Prüfung noch einige
Jahre auf der Akademie der Bildenden Künste weiterstudierte. Hierauf war er
auf verschiedenen kunstgewerblichen Gebieten praktisch tätig. Seine Wanderjahre
führten ihn in die Schweiz und nach Italien. Seit Jahren hat er einen Lehr-
auftrag an der städt. Gewerbeschule und an der Oberrealschule seiner Vaterstadt
inne. Solche Lehrkräfte, die künstlerisch und praktisch durchaus bewandert sind,
würden unserer neuorganisierten Gewerbeschule nur zum Vorteil gereichen. Leider
aber haben die Vorkommnisse der jüngsten Zeit gezeigt, dass selbst für unsere
tüchtigsten Leute kein Kaum mehr da ist im Kähmen der Gewerbeschule. Wenn
das für einen ganzen Stand schon betrübend ist, der sich aus einer Position
verdrängt sieht, die er jahrzehntelang inne hatte und anerkanntermassen in vor-
bildlicher Weise ausfüllte, wie schmerzlich muss der neue Kurs erst den Einzelnen
berühren, der entweder, trotz bester Zeugnisse zu keiner Anstellung gelangen kann
oder, trotz treuer Pflichterfüllung im Lehramt, nach mehrjähriger definitiver An-
stellung — seines Amtes enthoben wird, um einem Gewerbelehrer Platz zu machen.
G. Kolb.

Nochmals „Die Fibel für die evangel. Volksschulen Württembergs”.
Dieses von der K. evang Oberschulbehörde herausgegebene Schulbuch, von dem wir
in Heft VIII einige Bilderproben bringen konnten, liegt uns heute in fertiger Gestalt zur
Besprechung vor. Das Titelblatt trägt zwar die Bezeichnung ,,Probe-Ausgabe 1909“, somit
ist das Werk noch nicht als abgeschlossen zu bezeichnen, sondern wird erst seinen Weg
durch die Schulen des Landes nehmen, um in der Praxis auf seine Brauchbarkeit hin geprüft
zu werden. Das ist gut und wird dem Buch nur zum Vorteil gereichen, obwohl schon ein
oberflächlicher Blick in dasselbe zeigt, dass wir ein sehr gelungenes Werk vor uns haben,
das neben den Bilderfibeln unserer Nachbarstaaten gewiss mit Ehren bestehen kann. Den
Ausführungen in Heft VIII, die wir in vollem Umfang aufrecht halten, wollen wir noch
einige weitere Bemerkungen anschliessen.
Zunächst: Der typographische Gesamteindruck der Fibel ist durchaus lobens-
wert. Die Schrifttypen sind markig, schön und klar, die Proportionen des Schriftsatzes sind
gut abgewogen und durchweg gelungen. Die Bilder fügen sich dem typographischen Gesamt-
bild in der Regel harmonisch ein, wenn auch ab und zu Einiges störend wirkt, wie z. B. auf
dem Titelblatt die am unteren Schriftblock rechts und links stehenden Signets des Verlags
und die zwischen Stuttgart - Berlin-Leipzig stehenden Schnörkel, die neben den übrigen
kräftigen Formen kleinlich wirken. Deckt man mit der Hand den untern Block zu, so
wird man sich von der Richtigkeit dieser Ausstellung überzeugen. Doch das sind, wie ge-
sagt, nur wenige bedeutungslose Kleinigkeiten.
Wenn wir die Fibel aufmerksam durchblättern, so tritt uns die Eigenart der beiden
Künstler, die den Bilderschmuck geschaffen haben, klar vor Augen. Beide sind festumrissene
künstlerische Charaktere, die sich einen sicheren Stil errungen haben. Vergleicht man beide
da, wo sie in ihren besten Schöpfungen uns entgegentreten, so wird es einem schwer fallen,
dem einen vor dem andern den Vorzug zu geben. Mir persönlich sagt Pelligrini aller-
dings mehr als Gref. Sein Instrument klingt mir voller und reicher. Es hat mehr Saiten
als das seines Partners. Die Ausdrucksweise Grefs ist freilich dem mit der modernen
Kunst nicht Vertrauten verständlicher, denn seine Zeichnung ist fast altmeisterlich mit
allen Vorzügen und Einseitigkeiten. Sie steht sodann in Form und Inhalt der Kunst Richters,
wie ich früher schon hervorgehoben, sehr nahe. Manchmal wirken seine Schöpfungen wie
frisch hingeschriebene Aeusserungen eines feurigen Temperaments. So wollen Zeichnungen
wie die auf Seite 35 aufgefasst sein. Wie vom Sturm gepeitschter Regen saussen die
Schattenstriche über das Bild. Solche Skizzen, die als „Protokolle des Wesentlichen“
zu betrachten sind, bereiten dem Kenner hohen Augengenuss, während der Laie sich viel-
leicht an der derben Formensprache stört.
Manchmal allerdings verleugnet er sein Temperament sehr zum Nachteil seiner Schöp-
fungen. Er wird zum Rechner und klügelt seine Entwürfe aus. Seine Figuren sehen als-
dann verkünstelt aus, sie verlieren die natürliche Bewegung. Ich denke mir wohl, dass
 
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