Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 3.1909

DOI issue:
Heft XI (November 1909)
DOI article:
Kolb, Gustav: Für einfache Schulverhältnisse
DOI article:
Berger, Ernst: Ein Studienkurs in Besigheim
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0170

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
146

Baum seine Nahrung aus dem Boden saugt. Genau so ist er oben gebildet. Die
Aeste sind die Arme und die Zweige sind die Finger, an denen er die Blätter
trägt, die Licht, Luft und Kegen einsaugen sollen. Jetzt im November trägt der
Baum keine Blätter mehr, er ruht und schläft den ganzen Winter über. — Seht
nun einmal die Aeste genau an ehe ihr sie zeichnet. Ihr werdet bemerken, dass
sie immer eine Strecke weit gerade fortwachsen. Auf einmal machen sie gleich-
sam Halt, und zwar immer an solchen Stellen, wo ein Zweig gebildet wird. Nun
wachsen sie in einer etwas anderen Kichtung wieder eine gerade Strecke fort,
um wieder Halt zu machen usw. Was folgt daraus? Dass man die Zweige in
Teilstrecken, die mit geraden Linien zu zeichnen sind, zerlegen muss. Merkt euch
das recht beim Zeichnen, und denket auch daran, dass der Baum aus hartem
Holz besteht. Das muss man
an der Zeichnung sehen. Jede
Linie soll bestimmt und ener-
gisch gezeichnet sein, nicht weich
und locker.“ Solche Gespräche
müss.en den Schüler warm
machen und den Gegenstand,
den er zeichnen soll, beseelen.
Man unternehme mit den
Schülern auch im Spätherbst
Spaziergänge und öffne ihnen
die Augen für die schwermütige
Farbenschönheit der Natur,
wenn alle Bäume entlaubt sind
und die nebelgraue feuchte
Luft alle Gegenstände einhüllt.
Dann führe man sie. auch vor
die alte Dorflinde und veran-
lasse sie, diesen gewaltigen
Organismus recht aufmerksam
zu betrachten. Vielleicht geht
dem und jenem eine Ahnung
von der Schönheit und Gesetz-
mässigkeit eines solchen Wun-
derwerkes der Schöpfung auf.
G. Kolb.

Ein Studienkurs in
Besigheim.
Gleich zu Beginn der
grossen Ferien versammelten sich in Besigheim 12 badische Kollegen und
Kolleginnen um unter der Leitung des Kunstmalers A. Luntz einen künst-
lerischen Läuterungs- und Förderungsprozess durch zumachen. Herr Luntz
gehört der Schönleber-Schule an, d. h. er ist ein tüchtiger Zeichner und
duldet keine oberflächliche Arbeit. Die Uebungen begannen mit dem Aussuchen
und Skizzieren von Bildausschnitten. Die Ausschnitte sollten in der Verteilung der
Massen und in der Linie geschlossen wirken, einen ruhigen Zusammenklang aller
Werte ergeben. Dies sollte erreicht werden ohne Aenderung der in der Natur vor-
handenen Verhältnisse. „Es gibt mit nur wenigen Ausnahmen immer eine Lösung,
wenn man nur ernstlich sucht und immer wieder probiert.“ „Nichts- ist bedenk-
licher für den Anfänger als das fortwährende Verändern und Verschieben der in
Betracht kommenden Massen.“ An Beispielen zeigte uns Heri' Luntz, dass z. B.
das Vergrössern einer Dachfläche, eines Kamins usw., dem Auge den Massstab zur
Beurteilung der wirklichen Verhältnisse nimmt, dass einseitige Vergrösserungen und

Abbildung 5.
 
Annotationen