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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft XII (Dezember 1909)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Die Ausschneidetechnik im Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0179

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Heft XII

III, Jahrgang

Dezember 1909

Schriftleiter: Gustav Kolb, Oberreallehrer in Göppingen.

Inhalt:

Die Ausschneidetechnik im Zeichenunterricht. — Denkmalpflege auf dem Lande (Fortsetzung und
Schluss). — Die Pflichtstunden der Zeichenlehrer. — Die Technik des Tafelzeichnens. — Rundschau. -
Besprechungen.

Die Ausschneidetechnik im Zeichenunterricht.
(Für einfache Schulverhältnisse. Vergl. Abb. 1 — 15.)
Das Silhouettenschneiden mit der Schere ist eine feine, lustige Klein-
kunst, die zur Zeit unserer Grossväter sehr beliebt war. Wer kennt nicht jene
kleinen reizenden Silhouettenbildnisse aus der Biedermeierzeit, die an den Wänden
der traulichen Stübchen unserer Grossmütter hingen! Es gab zu jener Zeit nicht
nur wirkliche Künstler in dieser Technik, sondern das Silhouettenschneiden war
damals eine allgemein beliebte ,,Familienkunst“ und man vervollkommnete sich darin
allmählich so sehr, dass man nicht nur die feinsten organischen Gebilde, sondern
auch lebensvoll aufgefasste figürliche Szenen frischweg mit der Schere aus dem
schwarzen Papier schnitt.
Lange Zeit sah man die Bildchen nicht mehr , sie fristeten vielleicht in der
Kumpelkammer auf der Bühne ein verborgenes Dasein. Heute nun, da alle Welt
wieder ,,biedermeiert“, sucht man sie ab und zu wieder hervor und hängt sie wieder
an die Wand und freut sich, wie ernst der Urgrossvater und wie liebenswürdig die
Urgrossmutter ausgesehen.
Heutzutage ist die Ausübung dieser frischfröhlichen Kunst leider nahezu ver-
schwunden, nur ab und zu produziert sich auf grossen Jahrmärkten ein Silhouetten-
schneider, der dein Bildnis ohne weiteres aus dem Papier schneidet und wenn du
50 Pfennig für einen solch armen Künstler übrig hast, so bekommst du ein halbes
Dutzend Schattenprofile, die dir mehr oder weniger unähnlich sind. Davon habe
ich mich selbst mehrmals überzeugt.
Neuerdings ist aber das Silhouettenschneiden im Zeichenunterricht wieder zu
Ehren gekommen, und das hat seinen guten Grund, der mit dem Wesen des neuen
Zeichenunterrichts eng zusammenhängt. Wir streben ja stets an , mit den ein-
fachsten, sparsamsten Mitteln einen höchst charakteristischen Ausdruck zu finden.
Welche Darstellung ist nun für eine ganze Menge von Gegenständen einfacher und
charakteristischer als eben die Silhouette! Deshalb silhouettieren wir hauptsächlich
viel mit dem Pinsel und auch ab und zu mit der Schere.
Unsere Leser haben wohl alle noch die reizenden Phantasiearbeiten der kleinen
Schüler des Bertholdgymnasiums Freiburg (Zeichenlehrer Greiner) im Gedächtnis,
die wir im 1. Jahrgang, Heft X von ,,Kunst und Jugend“ veröffentlichen durften.
Dieselben fanden viele Anerkennung und wie ich weiss auch Nachahmung.
Auch wir lassen seitdem ab und zu mit der Schere arbeiten und die Vorführung der
heutigen Abbildungen möchte wiederum andere zu Versuchen in dieser Technik
anregen, die uns hart an die Grenze desjenigen Gebiets führt, das wir gewohnt
sind, als ,,Handfertigkeitsunterricht“ zu bezeichnen.
* *
*
AVer Gelegenheit hat, eine Klasse zu beobachten, die A u s s ch n ei d ü b u n g e n
macht, der wird sich zum mindesten davon überzeugen, dass die Schüler mit Lust
und Liebe bei dieser Arbeit sind, die Spiel und ernste Betätigung zugleich ist.
Mit diesen Uebungen kann schon nach den ersten Zeichenstunden begonnen werden.
Man lässt am besten zunächst Stoffe, die man im Gedächtniszeichnen vor-
genommen hat, als Silhouetten aus Packpapier oder noch besser aus schwarzem
Papier ausschneiden und auf weisses Papier aufkleben. Grundsatz wie bei allem
Ausschneiden dabei ist: es wird nichts vorgezeichnet, sondern direkt mit
der Schere ausgeschnitten. Die Schüler müssen dabei zuerst ermuntert werden
und man sagt ihnen: ,,Schneidet nur herzhaft drauf los.“ Auf diese Weise ist Abbil-
dung 1 entstanden.
Später lässt man nach dem Naturgegenstand, der vorher gezeichnet wurde,
ausschneiden. Die Schüler werden dadurch noch viel mehr als beim Zeichnen an-
 
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