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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft XII (Dezember 1909)
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Kolb, Gustav: Die Pflichtstunden der Zeichenlehrer
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0184

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160

Abbildung 8.

Die Pflichtstunden der Zeichenlehrer.
Dieser Tage ging durch alle Tageszeitungen bis zu den kleinsten Lokal-
blättchen herab folgende Notiz:
Die Pflichtstunden der Lehrer an höheren Schulen sind durch einen Erlass
des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens wie folgt geregelt worden: Es haben zu
erteilen: Direktoren an Vollanstalten, sowie die Ephoren an den niederen evangelisch-theo-
logischen Seminarien bis zu 12 Wochenstunden, an
sechs- und siebenklassigen Anstalten bis zu 18 Wochen-
stunden; Professoren an Vollanstalten bis zu 20Wochen-
stunden, an sechs- und siebenklassigen Anstalten bis
zu 22; Öberpräzeptoren und Oberreallehrer an Schulen
mit Oberklassen, sowie die Vorstände von drei- und
mehrklassigen Schulen ohne Oberklassen bis zu 26
Wochenstunden, an den übrigen Schulen bis zu 28;
Präzeptoren und Reallehrer an Schulen mit Oberklassen
bis zu 28 Wochenstunden, an den übrigen Schulen bis
zu 30; Religionslehrer an der oberen Abteilung bis zu
22, an der mittleren Abteilung bis zu 26 Wochen-
stunden; Zeichenlehrer an der oberen Abteilung bis
zu 24, an der mittleren Abteilung bis zu 30 Wochen-
stunden; Turn- und Elementarlehrer je bis zu 30
Wochenstunden. In entsprechender Weise sind auch
die Pflichtstundenzahlen der Lehrerinnen an den
höheren Schulen geregelt.
Wer Leser des ministeriellen Amtsblattes ist,
konnte diese Nachricht, die die meisten Zeichen-
lehrer des Landes wie ein Blitz aus heiterem Himmel
traf, nur bestätigt finden. Er konnte dort des
Weiteren noch lesen, dass an den höheren Mädchenschulen die Turn-, Handarbeits-
und Zeichenlehrerinnen ebenfalls zu 30 Wochenstunden verpflichtet wurden.
Mit diesem Erlass, der eine von sämtlichen Lehrern der höheren Schulen
seit Jahren erhoffte generelle Regelung der Pflichtstundenzahl in sich schliesst,
dürften die Wünsche der wissenschaftlichen Lehrer zumeist in Erfüllung gegangen
sein. Nur uns Zeichenlehrern ist die Hoffnung auf eine gerechte, den tatsäch-
lichen heutigen Verhältnissen entsprechende Wertung unserer Arbeit seitens der
Behörden vernichtet worden. Eine solche Enttäuschung tut bitter weh und lähmt
u j .j j g die Arbeitsfreudigkeit nicht wenig. Auch wir haben uns seit
Jahren bemüht, die Behörden von den vermehrten Anfor-
derungen an Zeit und Kraft, die der neuzeitliche Zeichen-
unterricht an den Lehrer stellt, zu überzeugen. Vergebens!
Man glaubt uns nicht und verschliesst sich einer Tat-
sache, die jeder einfache Bürgersmann, der heute ein Kind
zur Schule schickt, ohne weiteres dankbar anerkennt.
Man verschliesst sich dieser Tatsache, die in allen Parla-
menten der deutschen Staaten von Norden bis zum Süden,
in denen der neuzeitliche Zeichenunterricht durchgedrungen
ist, von Vertretern des Volkes rühmend hervorgehoben wird
(vergl. auch die württ. Landtagsverhandlungen gelegentlich
der Beratung der Zeichenlehrereingabe).
Welche Enttäuschung sich nun des Zeichenlehrerstandes
bemächtigt hat, davon gaben uns die verschiedenen Aeusse-
rungen, die uns dieser Tage zugingen, Kenntnis. Eine Zu-
schrift möge hier zum Abdruck kommen, da sie für die
Stimmung besonders charakteristisch ist.
„Gemütlich setze ich mich zum Mittagessen nieder. Die Suppe ist kalt und taub.
So lege ich bald den Löffel weg und greife zum Amts- und Intelligenzblatt, um mich ander-
weitig schadlos zu halten. — Da sei der epileptische Zar 3 Stunden lang in feldmarsch-
mässiger Ausrüstung umherspaziert: — natürlich verlogen! — Lord Asquith hält eine flam-
mende Rede gegen die masslosen Uebergriffe der Agrarier: — leider nur in England möglich !
— Wahl des 2. Vizepräsidenten — aber da kommt eben das Rindfleisch und ich lange nach
der Gabel. Doch halt! Was ist das? Ein Erlass der Ministerialabteilung für die höheren
 
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