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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft XII (Dezember 1909)
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Kolb, Gustav: [Rezension von: Ernst Weber, Technik des Tafelzeichnens]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0187

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sondern nur im Bilde, nur dem fühlenden Schauen. Ein Doppeltes ist möglich:
entweder er vermittelt den Schülern vorhandene Kunstwerke (Dichtungen, Gemälde
u. a.) oder sucht, da ihm die geeigneten Kunstwerke fehlen, selbst zu gestalten,
er wird also zum schaffenden Künstler. Er ist dies, wenn er vermag, ein
Bild, das ihm vor der Seele schwebt, in den kindlichen Seelen lebendig zu
machen. Ohne diese Künstlerschaft kann sich der Verfasser einen
rechten Lehrer überhaupt nicht denken.
Unter den verschiedenen Möglichkeiten ist es nun die Welt
des Sichtbaren in erster Linie, was die jugendliche Aufmerk-
samkeit zu fesseln vermag: Die Welt der Farben und Formen,
besonders der bewegten Formen, die Welt der b il dli ch en Dar-
stellung. Ein Lehrer, dem es gegeben ist, in dieser Welt des
Sichtbaren schöpferisch zu gestalten, wird von vornherein eine Garantie
starker Wirkung auf das kindliche Interesse erwarten dürfen. Er
wird einem anderen gegenüber, dem die Fähigkeit der bildlichen
Darstellung versagt ist, ein starkes, pädagogisches Uebergewicht
besitzen. Ein Lehrer, der zeichnen und malen kann, nennt eines
der vornehmsten Mittel sein eigen, nicht vorführbare Wirklichkeiten
im Reiche der Kunst lebensvoll zu gestalten.
Die bildliche Darstellung ist im Grund nichts
anderes als eine Art Sprache, die schlechterdings durch
nichts ersetzt werden kann, es sei denn durch die Wirk¬
lichkeit selbst. Keine mündliche Beschreibung und Erklärung
vermag so klar und deutlich zu machen, was unter Umständen ein paar einfache
Striche zu sagen vermögen. Für die Welt des Sichtbaren ist eben eine Bezeichnung
durch sichtbare Mittel die treffsicherste Art des Ausdrucks. In der Welt des
Sichtbaren muss also der Pädagoge gestalten können, wenn er Sicht-
bares sehen und schauen lehren soll.
Nun folgen Ausführungen über die Technik des Wandtafelzeichnens,
die für den Pädagogen die wichtigste Art bildlicher Darstellungskunst ist. Keine
Lehrerbildungsanstalt dürfe es darum versäumen, gerade hierin
künftigen Pädagogen das nötige Rüstzeug mit auf den Weg zu geben.
Der Verfasser erläutert hierauf die Arten der
bildlichen Darstellung, die „der zwiefachen Art des
Lehrziels“ entsprechen: entweder sucht der Lehrer
seinen Schülern etwas zu erklären oder er will sie
etwas fühlen und schauen lassen, wras er ihnen in
Wirklichkeit nicht in dieser Weise vorführen kann. Im
ersten Fall entsteht daswissenschaftlicheSchema,
im zweiten Fall das künstlerische Bild bezw. die
künstlerische Skizze. Das wissenschaftliche
Schema ist nur Mittel zum Zweck nicht Selbstzweck.
Zweck ist ihm wissenschaftliches Verständnis. Je
einfacher und verständlicher, je klarer, je unge¬
künstelter, je übersichtlicher, um so besser ist es.
Das künstlerische Bild jedoch ist in gewissem Sinn
Selbstzweck. Er verdankt seine Entstehung der
Freude an der Erscheinung.
Die Wandtafelzeichnung soll vor den Augen
der Schüler entstehen. Nichts fesselt das jugendliche
Interesse mehr als der Werdegang einer bildlichen
Darstellung. Sie reizt mit aller Macht zur Nachahmung, zur Selbsttätigkeit,
zur reproduzierenden wie zur produzierenden an.
Wir sehen, das sind Gedanken und Forderungen, die wir selbst schon des
öfteren in „Kunst und Jugend“ vertreten haben. Hier spricht aber ein Wissen-
 
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