Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 1.1921

DOI Heft:
Heft 1 (1. Jahrgang Februar 1921)
DOI Artikel:
Guter Geschmack des Alltags
DOI Artikel:
Stiehler, Georg: Der erste deutsche Lehrer-Farbentag
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20810#0015

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
unv ,'n der Vrrarbeitung der entsprechenden Zweckform
zur gefälllgsten, wenn auch mttunter ganz elnfachen Kunst-
form. Dabei lst der ntemals überladene Schmuck kn
Zetchnung und Farbe den sewetli'gen Derbaltntffen anzu-
passen,- Banalitäten und Plagtate aber sinv zu mekden.

Die Sparsamkeit, zu der wir auf lange htnaus ver-
urtetlt setn werden, brtngt es ron selbst mtt sich, daß
besonders reichc Aufgaben, zu deren Lösung Kunst und
KunsthanVwerk natürlich auch befähigt sein müffen, zurück-
treten werden. Aber auch Vie schlichten Äußerungen konnen
und sollen äskhetisch jederzeit befriedigen. s)a, wir werden
geradezu Varauf angewicsen sein, unserc fchlichte Umgebung
poesievoll zu gestalten, um neuen Lebensmut und neue
Lebensfreude zu gewinnen. Gerade die Kunst des Alltags,
also ln erster Rekhe das Kunstgewerbe, wkrd In allen
Materlalgruppen für liebevol! gedachte, gestaltete und
durchgeführte Gegenstände zu sorgen haben, die uns kn
ihrem zweckmäßigen Aufbau, kn ihrer gefällkgen konstruk-
tiven und dekorativen Lknkenführung, wke auch kn der
Farbenhaltung Freude berekten/ und gerade dke Farbe als
das verhältnksmäßkg btlligste dekorative Mkttel wkrd kn
erster Reihe herangezogen werden müffen, um dte graue
Alltagsstlmmung ekner politisch und sozial wcniger glück-
lkchen periode überwinden zu helfen.

Mit Ausnahme ekniger Edelmetallobjekte, deren Metall-
wert noch dazu kn unsercr 3eit ohnehin manche Ein-
schränkungen in dieser Richtung mit fich brkngen wird,
find es meist Gegenstände, dis selbst !n unseren Tagen
dem Durchschnittshaushalt nicht unerreichbar sekn dürsten,
ja vielfach geradezu das allerschlichteste tzaus verschönern
könnten. Soll doch eben dkese Ausstellung zeigen, daß
die äußerste Zurückhaltung in den Schmucksormen aller
Art mit vornehmer Schönheit durchaus oereinbar ist, ja
mit dieser mehr Verwandtschaft aufweist, als man früher
anzunehmen pflegtc.

Metallobjekte aller Art, auch Schaumünzen und plaketten
wie Vereinsabzeichen, die ja leider immer noch vom
Geschmacksstandpunkt so viel zu wünschen übri'g laffen,
wecbseln mit kleineren Holzarbeiten ab, dle die Vorzüge
des Materials mit guten Zweck- und Kunstformen und
neuartigem, nie überladenem Dekor vereinigen. Möbel-
stücke find natürlich ebenso weggelassen worden, wie um-
fangrekche Tertilien,- aber mit verschiedenen Beispielen
werden doch di'e einzelnen Techniken veranschaulicht und
neuartige Künstlerenkwürfe zur Vorführung gebracht. Auch
Bucheinbände und Kleisterarbeiten stnd in charakteristischen
Skücken vorhanden, desgleichen Dorsatzvaptsre, die viel-
leicht manche Dilettanten auch zur Selbsterzeugung solcher
Arbeiten anregen mögen.

2n der Keramik handelt es fich ebenfalls nicht um
prunkvolle grofie Ausstellungsvafen, wie sie in älteren
Ausstellungen immer wiederkehrten, sondern wieder um
schlichtes Hausgerät, sowohl in porzellan als auch in
Fayence oder Steinzeug, durchaus Gegenstände, die auch
einem einfacheren Haushalt selbst kn unseren Tagen nicht
unerschwinglkch sein dürsten. 7licht nur die Gefäßformen
und die sonstige keramlsche plastik, sondern auch die ver-
schiedenen Arten der eingebrannten Malerei kommen öabei
zu ihrem Recht,- einige Stücke finö geradezu Musler-
beispiele dafür, wie aus harmlosen pllnktchen und Strich-
lein nach künstlerischen Angaben gefälliger und wirksamer
Schmuck erzielt werden kann.

Von der allergräßten Wichtkgkeit ist aber dte Gebrauchs-
graphik aller Art. 7Acht als ob durch die Vorführung
zahlreicherplakate unv sonstiger Werbedrucksachen dle schon
an und für flch große Zahl unserer Graphiker weiter-

—— .. 15

vermchrt werden sollte. Aber der Bedarf an guten Druck-
sachen, der eigentlich überall vorhanden ist, findet doch
gerade in kleineren StäVten nur kümmerliche Befriedkgung.
Das, was von Reklamegeschäften in dke provinz geschickt
wlrd, lst zum guten Tetle sehr minverwertig. Und wenn
auswärts gelegene Fabriken selbst Bedürfniffe an i'rgend-
welcher Neklame Hahen — was eigcntlich zu den Selbst-
verständlichkeiten zählt —, so kommen nur zu häufig Agenten
von umfangreichen Durchschnittsunternehmungen, wie etwa
aus Aschersleben, dke für alle Forderungen sofort banale
Bcfriedigungen bieten. Manche unserer Induttriellen und
auch Gewcrbelreibenden, die irgendeine Ware für den
Epport anpreisen wollen, bedenken zu wenig, wke schlecht
die Empfehlung ist, wenn fie in künstlerisch rückständigen
Formen geschieht. Die Nichtung wäre nebensächlich,- die
verschiedenen Gebiete werden selbstverständlich verschiedene
Arten der Reklame mit größerem Vorteile heranziehen.
Die Ausstellung bietet eine 'keiche Auslese Ver führenden
Künskler auf gebrauchsgraphischem Gebicte sowohk auS
unserer Heimat, alS auch aus Berlkn (Luckan Bernhard,
Scheurich, Gipkens, Oppenheim usw.) oder München
(Hohlwein, Zietara, Moos, Ehmke, Suchodolskk usw.) und
aus anderen Städten,- ferner aus der benachbarten Schweiz,
die in der Graphik derzeit so Vorzügliches leistet. — Aber
mit plakatsn allein wäre noch nicht gedient,- sie find nur
für größere Firmen ein Bedürfnis. Die kleineren Ge-
hrauchsgraphiken jedoch, wie Geschäftskarten, Prospekte,
Umschläge, Kalender,Werbemarken und dergleichen wenden
sich an oiel gräßere Kreise. Die Erfahrung lehrt, daß
jede Ware in geschmackvollen packungen oder mit guten
Etiketten viel leichter verkäufiich ift,- und schließlich braucht
jeder Geschäftsmann wenigstens Äriefpapier, Umschläge,
Nechnungsformulare und dergleichen, und wenn iich diese
geschmackvoll darbieten, dann ist dies außerhalb lmmer
eine glückliche Einführung. Die zahlreichen Beispiele kn
recht verschiedener Art werden gewiß jcdem dte Wahl
innerhalb der Musterkarte erleichtern, damlt er jenem
Künstler, den er mit einer solchen Ausgabe betraut, un-
gefähr die Richtung seiner Wünsche bekanntgeben kann.
Aber auch die Vereine und die Gemeinden selbst werden
hier manches lernen können, zumal auch programme und
Botgeld in charakteristischen Beispielen vorgeführt werden.
Sogar der einfache Schristsatz kann überaus glücklich
wirken, wenn die betreffende Buchvruckerei, selbst eine
kleine mit nur geringem Letternvorrat, einen regen Sinn
für gute AnorVnnng hat und stch die besten Lösungen
ähnlicher Art vor Augen hält. _

Der erste deutsche ^ehrer-Farbentag

Der erste deutsche Lehrer-Farbentag fand am Z. und
ff. Dezember !n Dresven statt,- dte Beteiligung war außer-
ordentlich stark,- alle Teile Sachsens waren vertreten. Die
Behörden schenkten Ver Tagung durch Entsendnng von
Vertretern eine besondere Beachtung. Mlnifteriäldirektor
Or. Kllen, der zugleich dle Regierung kn der Dresdner
Farbstelle für Farbenkunde (palaksstraße 21) vertritt, ging
ein auf die wirtschaftliche BeSeutung der neuen Lehre und
versprach fich auch auf Vem Gebiete der Kunsterziehung
vurch Kurse eine starke Wirkung. Künstler können dke
Lehre sebr wohl kn den angewandten Künsten unterstützend
heranziehen bei der Beftimmung von Farbharmonien, aber
der Künstler selbst wlrd nicht durch die Farblehre „geboren".
Frtsche Arbeit ift bereits geleistet worden,- jetzt gilt es, die
guten Anfänge nlch! durch Aberforderungen beeinträchligen
zu laffen. -
 
Annotationen