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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 2 (Februar 1926)
DOI Artikel:
Segmiller, Ludwig: Von der künstlerischen Erziehung des Kindes
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0038

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32

Von der künstlerischen

Prof. L. Seamille

bringt >n der Illustrierten Monalsschrift für Kunst
und Kunstpflege „Die Kunstschule" (Berlag Mal-
unb Zeichenunterricht, G. m. b. H., Berlin W. 9)
einen Aufsatz, in dem er das Wesen des kindlichen
bildhaften Gestaltens darlegt und nachfolgende
Schlutzfolgerungen anknüpft.

Was ist nun diesen Problemen gegenüber von
unserem Standpunkte aus zu tun, insbesondere: Wo-
rin erblicken wir die Aufgabe der Eltern und Er-
zieher?

Aus unserer Erfahrung heraus ergibt sich ein
Hauptgrundsatz: Auslösung unterbewußter Einge-
bungen, Auswirkung schöpferischer Kräfte, dürfen auf
keiner Entwicklungsstufe des Kindes gehemmt oder
gar zerstört werden!

Die fördernde künstlerische Erziehung des Kindes
hat schon von klein auf durch Schaffung einer ge-
eigneten Umgebung zu beginnen. Heute stötzt diese
Forderung bei dem grenzenlosen Wohnungselend äuf
die grötzten Schwierigkeiten. In Normalen Zeiten
aber kann auch der Geringbegüterke in diesem Sinne
wirken. Künftig dürfte die Not der Zeit von selbst
auf die von uns geforderte Sachlichkeit und Einfach-
heit der das Kind umgebenden Gegenstände zurück-
kommen.

Ferner: Verwöhnt das Kind nicht mit vielem
Spielzeug! Latzt es sich dieses selbst schaffen und
gebt ihm die Möglichkeit dazu!

Schon dem Kinde im frühesten Alter soll man nur
Gegenstände schlichtester und sachlichster Form in
die Hand geben. Seine Phantasie wird sich damit
viel intensiver beschäfkigen als mit überreichen
kitschigen oder naturalistischen Dingen. 2n Form
von Pflanzen, Blumen, Muscheln, runden Skeinen,
grötzeren weitzen und farbigen Glaskugeln, farbigen
Holzklötzchen soll man dem kleinen Künstler reine
Farben darbieten. Daran schlietzk sich die Beinkafel
und der Beinstift, das Modellierwachs, der Walzen-
hammer und andere grotzformige Werkzeuge. Eins
der wichtigsten Bildungsmittel ist der Sandhaufen.

Gegenüber den Bilderbüchern ist besonders in der
ersten Zeit Borsicht am Platze. Es ist viel empfeh-
lenswerter, dem Kinde den Gegenstand selbst, z. B.
Pflanzen, Früchte und Gegeustände, wie Gtetz-
kannen, Rechen und ander Werkzeuge usw., zu
zeigen, als sie ihm in schlecht gezeichneken Bilder-
büchern zu überlassen.

Das psychologisch und kunstpädägogisch Gefährliche
solcher Bilderbücyer erblicken wir in dem Umstande,
datz diese Nachbtldungen unterbewutzt und bewutzt
zu Borbildern werden und damit das Borstellungs-
bild beeinflussen. Nicht die Realität des Objekts
wird nämlich aufgenommen, sondern das Schädigende,
weil schlechte Formale und Farbige. Um Gelegen-
heit zur Berwirklichung oon Farbenempfindungen
zu geben, genügen für den Anfang farbige Quadrate,
Dreiecke, Fünfecke in den Grundfarben, mögltchst
den Spektralfarben angenähert, die man leicht aus
Pappe oder Brettchen oder Körpern selbst herstellen
kann. Späker bereichert sich die Skala in den ge-
mischten Farben, noch später Pinsel und Farbe selbst
zum Ausdrucksmittel.

Das Wichtigste aber ist, datz die ersten kindlichen

Erziehung des Kindes

r^, Pforzheim-München

Lntwicklungsstufen in künstlerischer Hinsicht nicht
jeitens der Erwachsenen beeinflutzt werden. llhre
Lätigkeit kann lediglich in der Unterstützung des
Kindes in der Richtung bestehen, datz die Umsetzung
des Borstellungsbildes in Sichtbarkeit nicht gehemmt
wird. Das Kinü ist unberührt und unverbildet. Seine
künstlerische Erzeugung quillt absolut rein aus dem
Unterbewutztsein und dem Empfindungsleben. Diese
Aegionen aber stellen den alleinigen Wurzelbereich
dar, aus üem zu allen Zeiten die grotzen Kunstwerke
wuchsen.

Die Grotzen haben daher kein Recht, formal de-
einflussend zu wirken. Das Kind soll höchstens zu
mündlichem Erklären seiner Arbeit veranlaßt, aber
es darf nicht korrigiert werden. Eine solche Korrek-
tur ües Borstellungsbildes kann natürlich auch -urch
die Bilderbücher erfolgen. Sind sie schlecht, erfolgt
eine vollständige Beränherung der Borstellnng in
negativer Hinsicht. Da naturgemätz auch bei guten
Bilderbüchern, deren es in neuerer Zeit manche gibt,
eine Beeinflussung erfolgk, so kann bei ihrer Äus-
wahl nicht vorsichtig genug vorgegangen werden.

Dagegen obliegt üen Eltern und Erziehern eine
andere Aufgabe, nämlich die Sammlung der freien
künstlerischen Lrgüsie, und zwar von Anfang an. Sie
sind ausschlaggebend für die ganze künstlerische Ent-
wicklung des Kindes und für die Beurteilung des
künstlerischen Meges von allergrötzter Bedeutung.

Und noch eine zweite wichtige Aufgabe ersteht den
Eltern: die Beeinflussung.

Wenn sich das Kind das Berständnis für einen
gewiflen Sprachschatz angeeignet hat, ist es vorteil-
hafi den Schlaf, in dem das Oberflächenbewutztsein
aufgehoben ist, zur Bildung der künstlerischen Kräfte
auszunützen. Diese Methode der Beeinfluflung wen-
det man heute vielfach mit grötztem Erfolg in der
PSdagogik an. ^

3n bezug auf künstlerische Erziehung wird man,
etwa nachdem das Kind eingeschlafen ist, leise ader
verständlich Mstern, was man chm beizubringen
wünscht. Auf diesem Mege lätzt flch die Auslösung
schöpferischer Kräste erreichen. Ein Kind, das viel-
leicht bisher wenjg Neigung gezeigt Hat, stch dar-
stellerisch zu bekäNgen, kann leichk zu künstlerlscher
Arbeit veranlajßt werden, indem man chm den
Wunsch zur darstellerischen Arbeit elngibt. Sehr
häufig stnd dte Fälle, datz ein Kind ln künplertscher
Art nicht aus sich herausgeht, weil es stch schämt, die
festgehaltenen 2deen Erwachjenen M zeigen. Durch
eine geeigneke Beeinfluffung kann diese psychtsche
Hemmung in Gestaltungsdrang umgewandelt werden.
Auch die manuellen Hemmungen werden auf diese
Weise allmähllch zum Berschwinden gebracht.

Umgekehrt gibt es Fälle, datz kleine KLnstler die
Spanne zwischen Konzeption und Ausführung ihrer
2dee so weit verkürzen, datz chr Schaffen in nervöser
Hast vor flch gehk. Auch hier kann man durch die
angegebenen Methoden den übersprudelnden Schöp-
ferdrang auf das rechte Matz zurückleiten.

Ergänzungen müffen dann im wachen Zustande
stattfinden, indem von autorikatwen Persönllchueiten
stets reges Interefle für dte künstlerijch« TSktgkeit
des Kindes an ben Tag gelegk wlrd. Aeutzerungen
 
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