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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 7.1927

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Heft 6 (Juni 1927)
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Ein Gang durch die Lehrmittel-Ausstellung
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Expressionismus: 'Neue Sachlichkeit
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Über die Gotik
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https://doi.org/10.11588/diglit.23855#0175

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132^

vertrnulLr Nachbar iu uächster Nähe unserer Zetchen-
ausstelluug. Es gibt keine MLglichkeit, hier etwas
utcht zu finden, was der Zeichenlehrer für seinen
Unterrichl iin „Bildhaflen Gestalten" benöligt. Diese
iveltberühinte Firma hat Im Laufe der Iahre eine
solche Fiille von Zelchen- und Malbedarf hervorge-
bracht, dajz im Nahmen dieser kurzen Besprechung

Expresstonismus —

Der heutige Niickschlag (vom Expressionismus zur
„neuen Sachlichkeit ) ist — wie jede kiinstlerische
Form — der Ausdruck einer bestimmten geiftigen
Äelamtsikuation: deshalb ift es ungerecht und weh-
leidig, die Neakkion gegen den Ezpressionismus nicht
auch als Ausfluk unseres kulkurellen Daseins anzu-
erkennen. Auf bahre, denen die treibenden und ver-
ändernden Kräfte als die wichkigeren galten, solgen
Zeiten, in denen auf ihrem Korrelat, auf den be-
harrenden und ruhenden Kcäften, der gcögere Wert
liegk. Auch die Sehnsucht nach Nuhe, nach Synthese,
nach fruchtbarer Berbindung des Neuen mit dem
Alken ift eine Kulturkrafkr sie prägt dem heutigen
Tage daS Antlitz.

Diese Kräfte sind heute auch in der Kunst am Werk
und sind „moüern", wie gestern die revolutionäre
Welle: der neue Klassizismus oder Naturalismus,
üessen gesucht schlichte (Lestallungen die Ausstellungen
und Zeltschriften zu beherrschen beginnen, ist ekwas
durchaus Neues. Bergeblich frohlocken die Philister,
dah die moderne Kunst, des Irrtums ihrer krausen
Wege. geskändig, zu lang verlassenen Nealen zurück-
kehre und in der Nnchahmung tradilioneller Nichkung
Butze tue. Sie sind im Irrtum, denn diese klare
Form, diese k-iappe Armuk, diese innige Einfachheik
sind nicht der Nachklang längsk verklungener Mühe,
sondern die Frucht der eben geleisteken Arbelt. Wie
die Eppressionisten, was sie wagken, nur deshalb

das Eingehen auf ihre Erzeugnisse einfach unmögltch
ist. Sicher haben sämlliche Kollegen dle ZauplpretS-
liste Nr. 40 genau studiert: dann werden sie selbst
einen kleinen Ueberblick gewonnen haben, abec auch
öie Lauptpceisliste kann das Studium der Ausstel-
iung nicht ersetzen, und dieses Studium ist sür jeden
Zeichenlehrer lohneud und unerlätzlich. ll.

„Neue Sachlichkeit"

konnten, weil sie als Erben des Ompressionismus über
ein Znstrument von unerhörter Berfeinerung ver-
sllgten, so sind auch die so reaklionär wirkenden
Führer von heute durch alle Fegfeuer der letzten
Kunstkämpse hlndurchgegangen, um dahin zu ge- ^
langen, wo sie heute steyen. Derain und Picasso sind f
trotz eindringlicher Plastizität nicht David und 2ngres,
so wenig wie Nolde oder Pechstein, weil ihr Werk !
sich ezotischer gebärdete, Neger gewesen sind. Künstler
sein ist wie jede andere produktive Arbeit nicht nur
Lernen, sondern auch Berlernen und auch alle Um-
wege führen nach Nom.

So ist die Krise, in der wir stehen und deren Er-
schütterung gerade die am kräftigsten fühlen, die den
lntensivsten Anteil am Leben der Zeit hatten und
haben, in Wahrheit eine Mekamorphose, wie sie zum
natürlichen Ablauf biologischer Borgänge gehört. Der
Lzpressionismus ist tot, aber nicht wie ein Phönix
der verbrennt, damit aus seiner Asche flugs ein
neuer erstehen kann, sondern indem er seine Lebens-
krast, die Essenz seineS Wesens, in di? Zukunft
fchllktet: er nährt mit seinem Leibe, was nach ihm
kommt. Ephemer und unvergänglich wie alles Geistlge
ist auch der Ezpressionismus, was an ihm sterben
konnte, hat nie gelebt.

Aus H. Tieljei vebendige Kunstwissenschull. ^
(Krystall-Verlag, Wien).

Über die Gotik

Wie die ägypkische Kunst der stärkske Ausdruck des
plastischen Pcinzips ist, so ist die Gotik der prägnan-
teste Ausdruck der Skulplur, d. h. des Geschnitteyen.
Sie wendek haupksächlich konkave, hohle Flächen an,
und das entspcingt, abgesehen von der Gefllhlswir-
kung der Hohlform in erster Linie aus dem Klima, in
dem die Gotik entstand, und aus dem Umstand, datz
sie, im Gegensatz zur Ankike, von der Gestaltung des
önnenraums ausging. Das schwache Licht des goti-
schen Jnnenraums verlangke übertriebene Betonung
von Licht und Schakten, da sonst die Figuren über-
haupt nicht wirken konnten. Äuäi entstanden kon-
kave Formen schon dadurch, datz die Gotik weiches
Makerial, wie Kalkstein, Sandstein und Holz verwen-
üeke, und dazu rundgeschliffene Znstrumente benökigte,
die oben Hohlformen erzeugen (während harkes Ma-
kerlal flach geschliffene Werkzeuge verlangt, welche
volle konveze Formen ergeben). Wie von selbst al!o
kam die Gotik dazu, grötzere Tiefen zu machen, d. h.
nialerisch zu arbeiten.

- Diess Bedingungen und Arbeitsweisen sind grund-
verschieden von der Anllke.

Diese, besonders die ägypkische, hat die Form aus
dem Stein entwickelt. so datz das Kunstwerk lmmer
noch Stein blieb und den Blockcharakter wahrte. Die
gotische Skulptur hingegen zwang dem Makerial ihre
erdachte Form auf und zerstörke so dessen besondere
Wirkung.

Eine stärkere Bergewaltigung des Skeines als die
Gokik vornahm, hat kein anderer Slil aufzuweisen,
und es ist erstaunlich, datz den Gotikern, bei ihrem
unverkennbaren Skreben, EwigkeikSwerte zu schassen,
dleser Widerspruch nicht aufgegangen ist. Ein goli-
scher Dom würüe, ohne beständige reskaurierende
Arbeik, in kurzer Zeit eine Nuine sein.

Aber trotz dieses Fehlers müsien wir zugeben, datz
die Gotiker Kunst grötzten Stils hinterlassen haben,
und müssen erkennen, datz Kunst das ist, was sich in
kein Dogma zwingen lätzt . . .
 
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