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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 7.1927

DOI Heft:
Heft 8 (August 1927)
DOI Artikel:
Litt, Theodor: Vom Bildungsganten und der Kunsterziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.23855#0209

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Deutsche Blätter für Zeichen-Kunst- und Werkunierricht

Zeitschrift des Reichsverbandes akad.geb.Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen

Verantwortltch für die Schriftleitung; Profesfor Gustav Kolb, Göppingen
Druck iund Vertag; Eugen Hardt G. m. b. tz. Stuttgart, Langestratze 18
Für Besvrechungsexemplare, Niederschriften oder andere Einsendungen irgendwelcher Art
wird eine Derantwortlichkeit nnr dann übernommen» wenn ste erbeten worden sind

Vom Bildungsganzen und der Kunsterziehung. Vortrag von Universitätsprofessor Dr. Th. Litt, Leipzig-
— Impressionismns, Expressionismns und neue Sachlichkeit. Vortrag von Museumsdirektor Dr. tzartlaub-
Mannhetm. — Znr Geschichte der Nadierung. Von Dr. Martell-Berlin. — Bronzegutz. Von Oskar Wie-
ner, Prag. — Neue Sachlichkeit. Probleme der lehten Kunstrichtung. Von Paul Kunze, Stade. — Ver-
schiedene Möglichkeiten zum Schnmcke des Stundenplanes. Anregungen zum Unterrichte von M. Abend-
roth, Dresden. — Buchbesprechungen. - Geschäftliches. — Berichtigung. — Inserate.

7. Iahrgang August 1927 Heft 8

Vom Bildungsganzen und der Kunsterziehung

Vortrag von Universitätsprofessor DrLb- L-it^, Leipzig, auf der tzauptversammlung der Reichsverbände
akad. geb. Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen in Karlsruhe. PsingsteiriSL? *

Sehr verehrte Versammlung! Wer als Deulscher
über die Frage nachdenltt, welche Stellung der Kunst
im Ganzen der menschltchen Bildung gebllhre, der
kann gar nicht anders als irgendwie auf die Erwä-
gungen zurllckgreifen, die die groszen Denker und
Dichker unferer klassischen Epoche dem gleichen
Gegenstande gewidmet haben. Niemals zuvor ist die
inenschenbildende und lebengestalkende Funlttion der
Kunst so tief erfastt und dargestellk worden, wie es
in jener herrlichen Blütezeit unseres deutschen Gei-
skeslebens geschehen ist. So ift es auch gar kein
Wunder, dasz man in der DiSkussion unserer Täge
recht häufig solchen Formeln begegnet, die ihre Her-
kunfk aus jener nicht verleugnen könneni Insbeson-
dere wenn man die Nokwenüigkelk und üen Wert
künstlerischer Erziehung mit dem Worke „harmonische
Ausbildung aller Kräfte" bezeichnet, so begibt man
sich damik in die Gefolgschaft jener Denker, die der
Ueberzeugung waren, dajz in der Menschenblldung
alle Nichkungen und Bekundungen menschlicher We-
sensark zu einem Ganzen zusammengestimmk werden
müssen. Menn man heukzulage so gerne auf jene
Focmulierung zurückgreift, so liegt das nicht zum
wenigsken daran, dajz gerade sie die Einstellung der
Kunst In das Ganze der menschlichen Vllduna beson-
derS leicht macht. Formeln wie „harmonische Bil-
dung" entstammen ja, das unkerliegk keinem Zweifel,
der ästheti schen Werksphäre. . .Lswird hier nicht
etwa nur von einer Sonderrichlung menschlichen
Tuns und Bildens gesprochen, sondern das Ganze
inenschlicher Bildung wird alS ein ästhetisches Phä-
nomen gedeutet. Mas man damals suchke, das war
das „Kunstwerk der menschlichen Persönlichkeik.

Bon solchen Boraussehungen aus kann es nakür-
lich nicht schwer fallen, der Kunst in dem Ganzen
der menschlichen Bildung einen Platz anzuweisen.
Man hak in ihr damals nicht blotz eine Teilauf -
gabe der Bildung gejehen, sondern man war über-
zeugt, dah in ihr der gesamte Sinn der mensch-
lichen Bildung sich am reinsten zur Darstellung
bringe.

äch könnke mir nun meine Aufgabe recht leicht
machen, wenn ich auf diese Lösung zurückgreifen und
niich der Formeln bedienen wollke, die damals ge-
prägt worden sind. Aber ich würde das nicht mit
gukem Gewissen kun können, denn ich glaube nicht.
datz man die Funktion, die üer Kunst In unserer
gegenwärtigen Zeit zukommt, noch zutreffend be-
zeichnen kann mik den Begriffen, die damals geschaf-
fen worden find. Denn diefe Formulierungen sind,
wie ich glauoe, allzu eng verbunden mik der Be-
jonderheit der kulturellen und sozialen Sikuation
jener Tage, als daß wir sie übernehmen könnten.
Woran lag es denn, datz man damals der Meinung
sein konnte, der Sinn des Menschenkums konzen-
triere sich in der Aufgabe, üas „Kunstwerk der
menschlichen Persönlichkeik" herauszugestalken? Es
lag doch wohl daran, datz die Träger jener Bildung
in einer Sonderwelt existierten, die sich von der
Wirklichkeik des sozialen, politischen Daseins mehr
oder weniger abzusperren vermochte bzw. abzusper-
ren durch die Taksachen genötigt war. Es war eine
Welt deä reinen Geistes, in üer fie existierten.
Und in dieser Olympierwelk konnke die Meinung
aufkommen, datz die höchste Aufgabe des Menschen
darin bestehe, an dem Kunskwerk der eigenen Per-
sönlichkeit zu modellieren. So konnte eine Persön-

» Vcrkürzende Wisdergabe nach dem Stenogramm
 
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