höhere Schule, deren Aufgabe die Pflege des Gei-
stes und Verstandes ist. Für die seelischen Bezirke
im Menschen bleibt, wie schon erwähnt, noch genü-
gend Betätigung auf anderem Gebiet z. B. bei der
Lektüre großer Dichterwerke, sei es deutscher oder
fremder, antiker oder moderner, außerdem im Musik-
unterricht. Kurzum ist stehe auf dem Standpunkt, daß
die verständliche Reife und Klarheit des Denkens ein
klares, entwickeltes Formgefühl im Aufsatz wie in der
Zeichnung eine wertvollere Frucht der Schule hervor-
bringen, als ohne dies möglich ist. Schülerarbeiten
sind keine Kunstwerke und sind deshalb auch anders
zu beurteilen und gar nicht damit zu vergleichen.
Farbensinn, Formgefühl, Verständnis für Aufteilung,
Raumfüllung, Komposition und manches andere lassen
sich in der Schule lehren, „wahrhaft künstlerische
Leistungen" gehören dagegen nicht zu den Forderun-
gen der höheren Schule und werden ebenso Aus-
nahme bleiben wie bemerkenswerte schriftstelle-
rische Leistungen im Deutschen.
Besser als allgemeine Betrachtungen führt das Bei-
spiel zum gegenseitigen Verständnis. Ich komme des-
halb zu der Diskussion über die in Heft III dem Auf-
satz beigegebenen Schülerzeichnungen. Zunächst Bild
1 und 2.
Ist bei Abb. 2 der Ausschnitt wirklich willkürlicher
und zufälliger als bei 1? Stößt die Figur oben an den
Rand, so daß man sagen kann, der Zeichner „kommt
knapp mit dem Papier aus"? Ist es nötig zur Deutlich-
machung des Ritters noch mehr zu Papier zu bringen
als bei Abb. 2 geschehen ist? Warum wird es schroff
ablehnend als ausgestopftes Rüstungsmodell bezeich-
net? Füllt nicht der Federbusch in schönem Ornament
die rechte Ecke aus? Bildet die rechts und links neben
der Zeichnung stehengebliebene Form nicht eine an-
genehm abgewogene Fläche? Ich betrachte die über-
raschend richtig gezeichnete Kopfform, und deren
richtige Proportion, ich sehe die geschwungene Rük-
kenlinie, ich fühle trotz der starren Rüstung den Kör-
per des Trägers, ich erkenne die Rundung des Ar-
mes. Vorausgesetzt, daß keine Vorlage benutzt wurde,
muß ich die Formvorstellung des Quartaners, (wie alt
mag der sein?) bewundern. Und, was ist das mit dem
Namen? Ist der wirklich so schlecht angebracht, sc
störend? Ist der Strich darunter eine so bedenkliche
Entgleisung, daß man den Namen im Notizbuch be-
sonders unterstreichen muß zum Zeichen, daß er be-
sonders aufs Korn genommen werden muß, also ge-
wissermaßen einen Klex in seinen Personalakten er-
hält? Was ist nun an dem Linolschnitt, Abb. 1 so be-
deutend? Der Kopf stößt mit dem Gesicht an den
Rahmen, meiner Ansicht nach ein unglücklicher Zu-
fall, keine Absicht, noch weniger aber „eine kluge
Aufteilung der gegebenen Fläche." Sehen Sie, meine
Kolleginnen und Kollegen, in der Überschneidung des
Rahmens eine gute Lösung? Ist die Fläche so gut
ausbaianciert? Ist wirklich „das was dargestellt wer-
den soltle, meisterhaft!! gegeben"? Und ist Abb. 2
„ein ausgestopftes Rüstungsmodell"? Meiner Beur-
teilung nach darf bei dem Linolschnitt der männliche
Ausdruck und die Farbigkeit der Flächendarstellung
als gelungen bezeichnet werden, das Formenverständ-
nis ist fiingegen noch schwach. Ich hätte Nr. 2 mit
„sehr gut", Nr. 1 unter Berücksichtigung der tech-
nischen Schwierigkeiten des Linolschneidens mit „gut"
zensiert. Dabei dürfte es interessant sein, daß der
frühere Fachberater für Westfalen, Professor Michels-
Kassel, sich gegen die Anwendung des Linolschnitts
in der Schule aussprach.
Der Verfasser des hier besprochenen Aufsatzes gibt
weiter einer Obersekundanerzeichnung (Nr. 3) den
Vorzug gegenüber Nr. 5. Abb. 3 „ist eine Leistung,
die man mit ruhigem Gewissen mit „gut" bezeichnen
kann" sagt der Verfasser, „der Zeichner von Abb. 5
ist ein Schüler, mit dem man viel Last hat, wenn man
ihn zu einer wahrhaft künstlerischen Lei-
stung erziehen will". Wenn die der Obersekunda
gestellte Aufgabe lautete: Modellieren durchmustern,
dann weiß ich nicht recht, wo das bei Abb. 3 ge-
schehen ist, wogegen ich an dem Kopfputz in Abb. 5
eine Rundung erkennen kann. Wenn bei Zeichnung 5
viel mit dem Gummi gearbeitet worden ist, so sehe
ich bei der Kopie nach einer Postkarte darüber hin-
weg, weil diese sich ängstlich an das gegebene Vor-
bild hält. Wie weit der Strich der nachziehenden
Feder bei 5 lebloser ist als bei der unmittelbareren
Federzeichnung Nr. 3, vermag ich aus den Wieder-
gaben nicht zu erkennen, nur kommt es mir so vor,
als ob bei Nr. 5 eine spitze, ziemlich harte Zeichen-
feder, bei Nr. 3 eine Schreibfeder benutzt wurde. Ich
hätte gern einmal eine Abstimmung veranstaltet ge-
sehen über das Prädikat unter diesen beiden Zeich-
nungen, vielleicht läßt es sich wirklich in Gestalt
einer Rundfrage in Kunst und Jugend durchführen,
um die Auffassung der Herren Kollegen kennenzu-
lernen. Vielleicht müßte ich dabei die Feststellung
machen, daß ich mit meinen Ansichten gänzlich ver-
altet bin.
Bei der Beurteilung des „Ritterlagers" Abb. 7 wird
in dem Aufsatz dem Zeichner zwar „eine relativ vor-
zügliche anatomische Kenntnis besonders der Tiere"
zuerkannt, es wird also gerechterweise von Relativi-
tät der Schülerleistung gesprochen, dann aber kommt
eine wahre Kanonade von abfälliger Kritik: „künstlich
und ausgestopft", „Holzklotz", „der Ritter am Feuer
ist unorganisch, breiig, wasserleichenmäßig". Der
„Trapper am Marterpfahl", Abb. 6 hingegen ist —
„vollendet in der Form". Eine Kritik, die den einen
herunterreißt, ihm jede Lust an der Arbeit rauben muß
und den andern übermäßig lobt, ist ein Übel, gegen
das Künstler mit Recht Sturm laufen. (Vgl. Aufsätze
von Prof. Bosselt in „Kunst und Wirtschaft".)
Was den schaffenden Künstler trifft, muß den Schü-
ler oder die Schülerin in gleichem Maße treffen.
Grobheiten, die ein berühmter Maler einem seiner
Schüler sagen darf, dürfen nicht auf den Kunstunter-
richt an höheren Schulen übertragen werden.
Zum Schluß möchte ich betonen, daß es mir daran
liegt, in der von Kollegen Schamoni angeschnittenen
Frage Klarheit zu bekommen, daß mir an der gerech-
ten Beurteilung der Zeichnungen meiner Schüler sehr
viel liegt, daß ich dem Herrn Studienreferendar Scha-
moni deshalb aufrichtig dankbar bin, daß er diese
Frage aufgerührt hat. Es würde mich freuen, wenn
die Diskussion über dies Thema in Fluß käme und sich
so etwas wie ein Maßstab herausschälte, der an Ar-
beiten von Schülern höherer Lehranstalten angelegt
werden muß.
Otto Zimmermann,
Hamm (Westf.), Städt. Oberrealschule.
BUCHBESPRECHUNGEN
Bilderwerk zur Geschichte. Von Dr. B. Kumsteller,
Dr. U. Haacke, Dr. B. Schneider, Dr. O. Schiunke. Neue
Ausgabe mit über 800 Abbildungen und acht farbigen.
Tafeln. In Leinenband RM. 20.—. Verlag von Quelle &
Meyer in Leipzig.
Das Werk will keine Kunstgeschichte im landläu-
figen Sinne sein, sondern es soll die Lebensformen
und Kultureinheiten aufzeigen, in denen das ge-
schichtliche Leben abrollte. Und es knüpft an die
Mahnung des greisen Hans Thoma an: „Nur die Augen
nicht vergessen, nur diese Eingangstore zur Seele
weit öffnen!" Darum redet es zu unserer Jugend durch
die Bildsprache der Menschheit, beginnend mit Wer-
ken der älteren Steinzeit, abschließend mit solchen
unserer Zeit. Die Auswahl und Wiedergabe der Kunst-
198
stes und Verstandes ist. Für die seelischen Bezirke
im Menschen bleibt, wie schon erwähnt, noch genü-
gend Betätigung auf anderem Gebiet z. B. bei der
Lektüre großer Dichterwerke, sei es deutscher oder
fremder, antiker oder moderner, außerdem im Musik-
unterricht. Kurzum ist stehe auf dem Standpunkt, daß
die verständliche Reife und Klarheit des Denkens ein
klares, entwickeltes Formgefühl im Aufsatz wie in der
Zeichnung eine wertvollere Frucht der Schule hervor-
bringen, als ohne dies möglich ist. Schülerarbeiten
sind keine Kunstwerke und sind deshalb auch anders
zu beurteilen und gar nicht damit zu vergleichen.
Farbensinn, Formgefühl, Verständnis für Aufteilung,
Raumfüllung, Komposition und manches andere lassen
sich in der Schule lehren, „wahrhaft künstlerische
Leistungen" gehören dagegen nicht zu den Forderun-
gen der höheren Schule und werden ebenso Aus-
nahme bleiben wie bemerkenswerte schriftstelle-
rische Leistungen im Deutschen.
Besser als allgemeine Betrachtungen führt das Bei-
spiel zum gegenseitigen Verständnis. Ich komme des-
halb zu der Diskussion über die in Heft III dem Auf-
satz beigegebenen Schülerzeichnungen. Zunächst Bild
1 und 2.
Ist bei Abb. 2 der Ausschnitt wirklich willkürlicher
und zufälliger als bei 1? Stößt die Figur oben an den
Rand, so daß man sagen kann, der Zeichner „kommt
knapp mit dem Papier aus"? Ist es nötig zur Deutlich-
machung des Ritters noch mehr zu Papier zu bringen
als bei Abb. 2 geschehen ist? Warum wird es schroff
ablehnend als ausgestopftes Rüstungsmodell bezeich-
net? Füllt nicht der Federbusch in schönem Ornament
die rechte Ecke aus? Bildet die rechts und links neben
der Zeichnung stehengebliebene Form nicht eine an-
genehm abgewogene Fläche? Ich betrachte die über-
raschend richtig gezeichnete Kopfform, und deren
richtige Proportion, ich sehe die geschwungene Rük-
kenlinie, ich fühle trotz der starren Rüstung den Kör-
per des Trägers, ich erkenne die Rundung des Ar-
mes. Vorausgesetzt, daß keine Vorlage benutzt wurde,
muß ich die Formvorstellung des Quartaners, (wie alt
mag der sein?) bewundern. Und, was ist das mit dem
Namen? Ist der wirklich so schlecht angebracht, sc
störend? Ist der Strich darunter eine so bedenkliche
Entgleisung, daß man den Namen im Notizbuch be-
sonders unterstreichen muß zum Zeichen, daß er be-
sonders aufs Korn genommen werden muß, also ge-
wissermaßen einen Klex in seinen Personalakten er-
hält? Was ist nun an dem Linolschnitt, Abb. 1 so be-
deutend? Der Kopf stößt mit dem Gesicht an den
Rahmen, meiner Ansicht nach ein unglücklicher Zu-
fall, keine Absicht, noch weniger aber „eine kluge
Aufteilung der gegebenen Fläche." Sehen Sie, meine
Kolleginnen und Kollegen, in der Überschneidung des
Rahmens eine gute Lösung? Ist die Fläche so gut
ausbaianciert? Ist wirklich „das was dargestellt wer-
den soltle, meisterhaft!! gegeben"? Und ist Abb. 2
„ein ausgestopftes Rüstungsmodell"? Meiner Beur-
teilung nach darf bei dem Linolschnitt der männliche
Ausdruck und die Farbigkeit der Flächendarstellung
als gelungen bezeichnet werden, das Formenverständ-
nis ist fiingegen noch schwach. Ich hätte Nr. 2 mit
„sehr gut", Nr. 1 unter Berücksichtigung der tech-
nischen Schwierigkeiten des Linolschneidens mit „gut"
zensiert. Dabei dürfte es interessant sein, daß der
frühere Fachberater für Westfalen, Professor Michels-
Kassel, sich gegen die Anwendung des Linolschnitts
in der Schule aussprach.
Der Verfasser des hier besprochenen Aufsatzes gibt
weiter einer Obersekundanerzeichnung (Nr. 3) den
Vorzug gegenüber Nr. 5. Abb. 3 „ist eine Leistung,
die man mit ruhigem Gewissen mit „gut" bezeichnen
kann" sagt der Verfasser, „der Zeichner von Abb. 5
ist ein Schüler, mit dem man viel Last hat, wenn man
ihn zu einer wahrhaft künstlerischen Lei-
stung erziehen will". Wenn die der Obersekunda
gestellte Aufgabe lautete: Modellieren durchmustern,
dann weiß ich nicht recht, wo das bei Abb. 3 ge-
schehen ist, wogegen ich an dem Kopfputz in Abb. 5
eine Rundung erkennen kann. Wenn bei Zeichnung 5
viel mit dem Gummi gearbeitet worden ist, so sehe
ich bei der Kopie nach einer Postkarte darüber hin-
weg, weil diese sich ängstlich an das gegebene Vor-
bild hält. Wie weit der Strich der nachziehenden
Feder bei 5 lebloser ist als bei der unmittelbareren
Federzeichnung Nr. 3, vermag ich aus den Wieder-
gaben nicht zu erkennen, nur kommt es mir so vor,
als ob bei Nr. 5 eine spitze, ziemlich harte Zeichen-
feder, bei Nr. 3 eine Schreibfeder benutzt wurde. Ich
hätte gern einmal eine Abstimmung veranstaltet ge-
sehen über das Prädikat unter diesen beiden Zeich-
nungen, vielleicht läßt es sich wirklich in Gestalt
einer Rundfrage in Kunst und Jugend durchführen,
um die Auffassung der Herren Kollegen kennenzu-
lernen. Vielleicht müßte ich dabei die Feststellung
machen, daß ich mit meinen Ansichten gänzlich ver-
altet bin.
Bei der Beurteilung des „Ritterlagers" Abb. 7 wird
in dem Aufsatz dem Zeichner zwar „eine relativ vor-
zügliche anatomische Kenntnis besonders der Tiere"
zuerkannt, es wird also gerechterweise von Relativi-
tät der Schülerleistung gesprochen, dann aber kommt
eine wahre Kanonade von abfälliger Kritik: „künstlich
und ausgestopft", „Holzklotz", „der Ritter am Feuer
ist unorganisch, breiig, wasserleichenmäßig". Der
„Trapper am Marterpfahl", Abb. 6 hingegen ist —
„vollendet in der Form". Eine Kritik, die den einen
herunterreißt, ihm jede Lust an der Arbeit rauben muß
und den andern übermäßig lobt, ist ein Übel, gegen
das Künstler mit Recht Sturm laufen. (Vgl. Aufsätze
von Prof. Bosselt in „Kunst und Wirtschaft".)
Was den schaffenden Künstler trifft, muß den Schü-
ler oder die Schülerin in gleichem Maße treffen.
Grobheiten, die ein berühmter Maler einem seiner
Schüler sagen darf, dürfen nicht auf den Kunstunter-
richt an höheren Schulen übertragen werden.
Zum Schluß möchte ich betonen, daß es mir daran
liegt, in der von Kollegen Schamoni angeschnittenen
Frage Klarheit zu bekommen, daß mir an der gerech-
ten Beurteilung der Zeichnungen meiner Schüler sehr
viel liegt, daß ich dem Herrn Studienreferendar Scha-
moni deshalb aufrichtig dankbar bin, daß er diese
Frage aufgerührt hat. Es würde mich freuen, wenn
die Diskussion über dies Thema in Fluß käme und sich
so etwas wie ein Maßstab herausschälte, der an Ar-
beiten von Schülern höherer Lehranstalten angelegt
werden muß.
Otto Zimmermann,
Hamm (Westf.), Städt. Oberrealschule.
BUCHBESPRECHUNGEN
Bilderwerk zur Geschichte. Von Dr. B. Kumsteller,
Dr. U. Haacke, Dr. B. Schneider, Dr. O. Schiunke. Neue
Ausgabe mit über 800 Abbildungen und acht farbigen.
Tafeln. In Leinenband RM. 20.—. Verlag von Quelle &
Meyer in Leipzig.
Das Werk will keine Kunstgeschichte im landläu-
figen Sinne sein, sondern es soll die Lebensformen
und Kultureinheiten aufzeigen, in denen das ge-
schichtliche Leben abrollte. Und es knüpft an die
Mahnung des greisen Hans Thoma an: „Nur die Augen
nicht vergessen, nur diese Eingangstore zur Seele
weit öffnen!" Darum redet es zu unserer Jugend durch
die Bildsprache der Menschheit, beginnend mit Wer-
ken der älteren Steinzeit, abschließend mit solchen
unserer Zeit. Die Auswahl und Wiedergabe der Kunst-
198