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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

DOI Heft:
Heft 3 (März 1935)
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Kunze, Paul: Die Wasserkante als Heimat
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0065

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Ltuüienral Paul Äunze/rvesermünüe

Die ZVGerkante als Helmst

rcmerhaven und wesermündc smd Städtc ohnc
geschichtlichc Vcrgangenheit. AIs hohc Acitcn
dcr Laukunst Formen schufcn und daraus Stilc
prägtcn, gab es bei uns nur Schlick und wcide.
In umso schrecklicheren Vcrwandlungcn geistcrn dic
großcn Laucpochen durch dic Gründerzeit dcr Untcr.
wcserorte. Grotcsk stehen Dampferschlotc und Dcckauf.
bauten im Dock liegcnder Schiffe vor den Häuscrfrontcn
dcr ncunzigcr Iahre, und in dcr Stadtsilhouctte trciben
Takclwerk der Mastcn, Eiscngitter der Rrahnc und Eck-
türmchen dcr wilhclminischen Renaissancc cin ncckisches
Spiel mitcinander. Das gibt Lildcr, bizarr genug, um
zcitnahc Mcnschen zum Gcstaltcn zu bringcn.

Unscrc Iungen haben, wcnn nicht auf Schulsahrtcn,
noch nie cin altcs Schloß, nie cinen Dom, nic cincn altcn
Marktplatz gesehen, ihre l^afen sind gewöhnt an Fisch-
mehl, Tecr und Schlick. Diese Iungen sind wie dic Rem-
scheidcr und die Rcgensburger mit Schwimmhäuten ge-
boren, weil es hier ununtcrbrochcn regnct. Sie kcnncn
Fischdampfer, Granatkutter, Bugsicrdampfer, Frachtpüttc,
Schulschiffc, Vzcanriesen. An der Lolumbus-Raje liegt
dic „Europa" und in der Geeste Graf Luckncr's „Mo-
pclia", im Fischcreihafcn sieht man moderne Fischdampfer,
die ebcn erst von probefahrt kommen, und im 'Kandels-
hafcn licgt ein schwcrbeladener Holzdampfer, der im
Sturm Schlagseitc bckommen hat: Eine reiche welt für
dcn Schauenden!

Abcr dies alles ist nicht „Heimat". Denn allc
Volkskunde dieser Ecke befaßt sich aus-
schließlich mit der Vorgeschichte und der
Lauernkultur von Marsch und Grest. Dic
„Männer vom Morgenstern", unter ihnen der Mar-
schendichter Hermann Almers, verstanden unter ihrcr
engeren Heimat nur das, was innerhalb der Deichc und
außerhalb der Hafenstädte lag. Denn nur hier gab cs
tlberlieferung und Brauchtum, nur hier Geschlechterfolgc,
Familienkunde, Volkssprache. was aber zur See fährt,
hat den tragenden Grund der Heimat aufgegeben! Dicse
Einscitigkeit ist schwer ;u verteidigen!

Zwar ftammt auch cin Teil unserer SchUler vom Lande,
und dicse Augend muß wiffen, daß von dort die Rraft
strömt, die nährt und erhält. Deshalb geht uns Erzieher
auch hier an der waffcrkante die ländliche Rultur etwas
an, und sie hat g-'rade im Runstuntcrricht cine gan; wich-
tige Stellung einzunchmen. FUr den größeren Deil unserer
Iungen aber ist die Hcimat die Hafenstadt, ob auch dic
Eltern z. T. noch vom Lande stammen mögen. wenn wir
nun schon allenthalben in den Städten auf die werte des
Bauerntumes uns besinnen, erkennend daß aus Land-
flucht wieder Landsucht werden muß, so dUrfen wir doch
der Stadt nicht grundsätzlich den Heimatcharaktcr ab-
sprcchen, als ob „Stadt" überall das gleiche intcrnatio-
nale Gebilde aus Stein und Antellektualismus wärc.
„Heimat" ist schließlich doch Rindcrland, und die Miets-
kasernen der Großstadt sind in diesem Sinne gewiß cinc
- schlechte, armselige Heimat, nicht vergleichbar mit länd-
licher Flur. Die Hafenstadt aber ist ein intereffantes Rin-
derland und in so starkem Nfaße für unsere SchUler Uni-

Zukunft entscheidend

KWDenn viele un
wie auch viele au
ist die Hasenstadt nii

Jungen gchen später zur Scc,
eemannskreisen stammen. Für dicse
^ ^"", sondern slhlechthin die Hei-

mat: Und hier heißt rs stir uns Erzicher die christlichc
- Seefahrt int Mnne ^alter H ' ' ^ '

Hanseatettkultur zu sehen als
Denn unsere

Linolradieruns, Ll-ff^:

Ruderreparatur

„Fahrensleute" — mögen sie auch mit viclerlei ArempWWM
zusammenkommen — bleiben doch niederdeutsche MrMM
schcn und ihrc Sprachc ist niedcrdeutsch. wenn lLrdjc
scine plattdcutschen Seemannslieder zum Guetschkasten
singt, so licgt darin alle Sentimentalität unld Romantik
cinfachcn Volkstums mit dem besonderen Reiz, daß die
größcre Hcimat, das Meer, die Ferne, das
mitschwingt. Der Seemann hat zwei Heimaten, did
dcm Dcich und die hinter dem Deich. Hinterm k
Lindcrland und Zuhausesein, draußen das mannhafte Leben
an Bord, gcwiß auch ein „Zuhause"". Zur wafferkaute
gchört sowohl die Rante als auch das waffcr. Dieser
Doppelsinn dcr Heimat gilt auch für unsere IungenW
Heinrich Hauser beschrcibt es so HUbsch, wie der DampferH
von übcrsec hcimkehrt, und auf dem wege von
haven nach Hamburg allc Viertelstunde die Flagge dippt,
weil da am Ufcr ein klcines weißes Haus steht, in dem

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