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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 3 (März 1935)
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Gottschow, Albert: Buntstifte, Naturstudium, Kunstberatung, "gedankliche Durchdringung", Verbildung und Heranbildung in Oberklassen, Belobung und Beurteilung
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0068

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Albert Goltjchow/Kranksurt a. Al.

VuntsWe/ Mturstuöluni, Kunstöetmchtung/

„geLankllche ^urchöringung'^ ÄerbllLung unL HeranbilLung ln Gberklaffen) Velobung
unL Veurtellung

untstiftc schmieren", so hörte ich sagen. Aber
wasserfarbcn können auch schmieren. Das
Schmieren gilt es ;u überwinden — so oder so.
Gutc Buntstifte wurdcn uns zu Rettern in
der Not, wie ich zeigen werde. Natürlich wende ich mich
nicht gegcn den Gebrauch der waffer- und Deckfarben. Doch
spreche ich für den Gebrauch der Luntstifte — auch in
Gberklaffen, in dcnen sie bisher ja wenig herangezogen
wurden.

Nach dcn Richtlinien sollen Sekundaner und primaner
dic Natur unmittclbar wicdergebcn" lernen, also N a.
turstudium bctreiben. wird das Naturstudium aber
nicht richtig betrieben, verfällt dcr Schüler leicht dem ge-
dankenlosen Abbilden; man mag dann mit Recht uon Ver-
bildung dcs Schülers sprcchen. Gegen diese Art von
Vcrbildung hat der Runstuntcrricht ein Mittel: Die
Aunstbetrachtung; sic soll, wie die Richtlinien for-
dern, dcn Obcrklassenschüler ja „in die probleme des bild-
haften Gcstaltcns" usw. einführen. Iedenfalls kann es
cinem dem gedankenlosen Abbilden verfallenen Schüler der
Gberstufe (der „Stufe der gedanklichen Durch.
dringung" nach den Richtlinien) nichts schaden, wenn
er veranlaßt wird, stch Gedanken über Natur und Runst,
Naturstudium und Abbildung, künstlerische Gestaltung und
unkünstlerische Darstellung usw. ;u machen. Von solcher
Besinnung aus kann sogar ein „verbildeter" Vberklaffen-
schüler noch herangebildet werden.

Das alles stelle ich folgend für den Rreis der Gberstufe
an Belegen heraus: vom „grellen Schmieren" in waffer-
farben und gemeinen Darstellen nach der äußeren viatur an
(Abb. i) bis hin ;um Arbeiten aus der Vorstellung (Abb. r),
;um „Malen" mit Buntstiften und ;um innerlichen Ver-
halten des Schülers vor der Natur (Abb. ;, 4). wobei ich
noch vorausschicke, daß üns nach den Richtlinien geradezu
;ur übergeordneten'Aufgabe gemacht ist, Vorstellungs-
bildung ;u betreiben — d. h. also, den sich nach außen
wcndenden Blick des Gberklaffenschülers recht ;u nuyen
und stets wieder auf seine Herkunft, den inneren Blick
uämlich, zurückzulenken.

Ern i7jährigcs Mädchen trat Vstern is;4 in O ll ein
und brachte seine Zeichnungen mit — darunter das Tul.
penbild der Abb. 1, wclches als letzte Arbeit in V II ent-
standen war. Gn den ersten wochen in 0II zeichnetc und
„malte" diese Schülerin die Bilder r u. r. Das ging so
;ü, wie sie schrieb: . / : ''

„Als ich noch in H. in ll ll ging, bekam ich Blumen ;u
zeichnen. Da ich mir einbildete, nicht zeichnen;u können
und deshalb kcine Lust daran hatte, suchte ich mir Tulpen
üus, die mir am leichtesten schienen. Ich nahm mir rine
einfache Vase und zeichnete vier Tulpen hinein. Dann
malte ich sie mit Waffcrfarben an (Abb. 1). Das war nicht
leicht Die Farben wurde« so grell und gleichmäßig; es
gab ein schrrckliches Geschmiere. Ich war nicht ;ufrieden,-
aber ich bekam keineMnleitung und jch glaube, daß meine
Zeichenlehrerin ebenso dachte wie ich, daß ich nicht zeich-
nen könne. Als ich dann Vstrrn is;4 in dir Sch. Schule
kam, b'rachte ich ein paar furchtbare Zeichnüngen mit (dar-
unter Abb. 1). Mir wurdr dann die Aufgabe e,estellt, wie.

Bl«M>
schey
dann
-chabe-
Müx

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pen W zeichnen. Jch nahm
- mir Tulpen an und ver.
lerung in den Rrug zu zrich.

e Blumrn ytnzu, so daß dald

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ein Strauß entstand. Diese Bleistiftzeichnung (Abb. r) sah
viel schöncr aus als die bunte wafferfarbenmalerei. Dann
habe ich denselben Strauß und Dopf bunt gemalt, aber
nicht mit wafferfarben, sondern mit Buntstiften (Abb. ;).
Das ging alles gan; gut. Jch bin natürlich noch nicht rest-
los damit zufrieden. Ich möchte es immcr beffer machen;
denn ich weiß jetzt ja, daß ich zeichnen kann."

Es gehört ;ur Aufgabe des Zeichenunterrichtes, daß sich
Vberklassenschüler in dieser weise ihre Gedanken machen;
ich laffe daher den Schüler sich oft auch schriftlich äußern
und Fnüpfe daran an. So fragte ich diese Schülerin, ob
sie wiffc, daß ihr Unzufriedensein gut wäre — für ihre
„kleine Runst". „Der Rünstlerstand ist der der wahren
lsnzufricdenheit mit sich" — so habc einmal ein großer
Maler gesagt. Gb sic überhaupt schon einmal etwas von
Rünstlern gelesen haber Mit dieser Frage versuchte ich
ein neues Tor ;u öffnen.

Damit wäre ich schon bei der „Hilfc", welche ich dem
Mädchen gegcbcn habe. 2>n der ersten Stunde, die es bei
mir hatte, haben wir das Blatt der Abb. 1 vor uns ge-
stellt und uns einmal Gedanken über das Gelcistete ge-
macht. „was gefällt Ihnen denn nicht an Ihrer Malereir"
„Das grelle Geschmiere!" „Dann rate ich Ihnen, das
Grellc und das Schmieren ;u lassen, sauber ;u formen und
schön ;u särben, vielleicht es einmal mit guten Buntstiften
;u versuchcn." „Rann ich wieder Tulpen nehmen, die sind
am leichtesten;u zeichnen;" „2>ch habe nichts dagegen, doch
wir wollen uns Tulpen einmal genauer ansehen, auch einc
entblättcrte, auch einige andere Blumen da;u. Sehen Sic,
wie schön das zusammen aussieht; Halten Sie eine Tulpe
einmal in Stellungen, wie Sie sie schon gezeichnet haben!
Sollten Sic mit mehr Mühe das nicht noch beffer her-
ausbekommen; Ich glaube es jedenfalls!" So schlossen wir
also gewiffermaßen bei dem Vorhandenen und Bekannten
an. Als das Mädchen meintc, sein Bild (Abb. 1) wäre steif
und leer, fragte ich, woran das wohl läge; es antwortetc,
die Biegung und Beugung der Stengel müsse lebendiger
werdcn, auckj die Llumen; und sie müßtcn schöner in das
Gefäß geordnet werden, auch könnte noch etwas in die leere
Stelle eingefügt werden. „warum haben Sie denn das
alles bei Ihrer wasserfarbStzmalerei nicht schon gemachtr"
„Da hat ein Strauß vor mir gestanden, und ich habe ihn
gedankenlos abgezeichnet; ich habe mir überhaupt noch nie
Gedanken über meine Zeichnungen gemacht." Daraufhin las
ich einige Stellen aus paula Modersohns Tagebuch vor,
die so recht zeigten, wie sehr sich und von welcher Art sich
eine rechte Malerin Gedanken über ihr Tun machte. Mit
einem Hinweis auf die leeren Stellen in dem Bild der
Abb. 1 sagte.ich dann: „Sie haben es nun gan; in der
Hand, Ihren Bildern einzufügen, was für Jhr Emp-
finden nötig ist; denn gerade das haben vcrnünftigc
Maler stets getan." Da däs Mädchcn mich merkwürdig
ansah und fagte, so etwas habe ihm bisher niemand gesagt,
erzählte ich ihm noch, wie Friedrichs berühmte Landschaft
mit dem Regenbogen entstand — daß sie für einen Rauf-
mann gemalt wurde und mit einem Himmel ohne Regen-
bogen fertig zum Abholen in ciner Atelierecke stand; wie
Friedrich dann cines Morgens die noch nicht abgeholtc
Landschaft aüf die Staffelei stellte und in Erinnerung an
ein „Erlebnis, welches er tag» zuvor hatte, eincn Regen-
bogen über das Ganze spannte und jetzt erst das Lild'Hir
sei» Empfindrn abgeschloffen hatte; jedenfalls hatte cr es
damit s» lieb gewonnen, daß rr es nicht hergab, als es ab-

. ''-ehÄt'.»etbe»:follte.'-.LVon^iesech Rinde kann ich mich
nichi mehr trcnnen", so ssll er ja gesagt habem '

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