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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 4 (April 1935)
DOI Artikel:
Böttcher, Robert: Der Expressionismus im Lichte unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0083

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Nobert Vöttcher-Zwikkali ' z

Der EWGonlMus lm Llchte unsmr Zeli

Schon längst, ehe durch den Nationalsozialismus und
seine steghafte Besitzcrgrcifung von volk und Staat sich
einc neue Form geistiger Lebcnshaltung ankündigte, hat
man dcn Expressionismus totgesagt oder doch sein baldiges
Ende prophezeit. Das war nicht sehr schwcr angesichts der
Tatsache, daß cs ;u keinem Zeitpunktc gelang, diese'Lunst-
form von dcr kleinen Schicht, die ihr Träger war, und die
nur in ihrem allergcringsten Teile noch völkische Bin-
dungcn auswies, zumeist aber aus Volksfremden, Ron-
junkturrittern und Stnmpern bestand, in die breiten Mas-
scn des Volkes selbst hineinzutragen.

Daß man den Durchbruch ;u einer Volksbewegung, die
möglichst alle Teile des Volkes ergrcifen sollte, immer
wieder versucht hat, ist in Manisesten der „November-
gruppc" und in den literarischen Ergüssen derer, die als
Runstschriftsteller gemeint hatten, den EppressionismuS
mit ihren so völlig abwegigen „Mittelchen" breiter fun-
diercn ;u können, immer wicder ;um Ausdruck gekommen.
19rS aber schon mußte der Iude Rarl Iakob Hirsch die
Feststellung machcn: „Heroischer Versuch von vielen, in die
Massc ;u dringen, mißlang", und Dr. will Gromann sagte:
„Man wollte das Linc: ins Volk sich hineintragen und es
vcrwandelt cmportragcn . . . Es kam anders, wir stellen
ohne Rcffentiments fest, daß man das Ziel ;u hoch steckte."

Ia, cs war längst anders gekommen. Schaudernd hatte
sich das Volk abgewandt, als man mit nicht ;u überbieten-
der Scham- und WUrdelosigkeit es in Ausstellungen hin-
ein;ulocken und ;u ;wingcn versuchte, in denen die Ge-
nieinheit offensichtlich ihre höchsten Triumphe feierte, in
denen Lüge, Schein und Seelenlosigkeit dominierten, und
in denen auch das Heiligste, die Gestalt.des Erlösers, in
brutalster weise geschändet wurde. Bis in sein tiefstes
Innere hincin fühlte sich das Volk verletzt; denn gerade in
den Zeiten der Schmach und des Verfalls, in denen es fast
alles verlor, was es an werten besaß, klammerte es sich in
seinem gesunden Teil an das Bild des Heilands, das es sich
in den Urgründen seiner Seele makellos erhalten hatte.
Mit Verbissenheit und Angrimm boykottierte es daher
diesc Ausstellungen. Es rief den Staatsanwalt an. Es
ging schon isr; tätlich vor gegen einen Rru;ifipus von
Gies, als man es wagte, diesem ;utiefst undeutschen werke
einen play im uraltcn Dom ;u Lübeck gebcn ;u wollen. Ja,
Zorn und Ecbitterung über die sichtliche Mißachtung von
Blut, Raffc und Reljgion waren so groß, daß man in der
Erregung nicht selten über das Ziel hinausschoß und sich
an werken vergriff, die man bei ruhigerer Überlegung
und in Zeiten, in denen nicht ein so großer Wirrwarr auf
dem Gebiete der Runst herrschte, daß auch der „Gebildete"
jener Dreffsicherheit des Gefühls völlig ermangelte, mit
der es meist allein, möglich ist, die Dingc der Runst vsn
denen ;u scheiden, die ihr als Afterkunst oder als Ritsch
entgegenstehen, auch dann nicht behelligt HLtte, wenn sie
keine Saite in der Seele des deutschen Beschauers zum
Rlingen hätten bringen können.

2n Bausch und Bogen war ihm diese „moderne" Runst
verhaßt, ;u-der er kurzerhand alles zählte, was neu war:
Rubismus, Futurismus, Dadaismus, Epprcssionismus,
Suprematismus, Erotismus, Anfantilismus, primitivis-
mus, Surrealismus und wie diese Richtungen sonst mvch

an, ihn souverrän ;u beherrschen. Die Rlee und Ronsortci,
vcrschwanden, und in einer Hlacht erhielten die Auslagei
der Runsthändler ein anderes Gesicht. Aber es gab auci
expressionistische werkc, die man erst nach längerem Zögern
oder bisher überhaupt noch nicht auf die Rumpelkammci
expedierte.

So drängte man ;. B. darauf, das Gefallenenehrenma
von Barlach aus dem Magdeburger Dom ;u entfernenji
gegen dessen Aufstellung man schon isrs Sturm ge
laufcn war, weil, wie man mit Recht ausführte, ein Doten
mal für die deutschcn Rrieger aus deutschem Volkstum ;r
vcrstehen sein müffe, weil es der Art und Haltung dee
deutschen Soldaten ;u entsprecyen.habe, und weil hier
"wie cs besonders in der Gestalt des Soldaten mit der Pikz s
kelhaube in Erscheinung trete, der vollkommen wie eiilj
Sowjetgardist aussehe, man den Toten aus den Reiher
unserer Feldgrauen in nichts gerecht werde.

Das Denkmal wurde entfernt; aber es verging eine gc
raume Zeit, bis es dahin kam. Scyon daß man hier nich!
sofort und gan; bedenkenlos handelte, daß man auch in
den Museen manchmal ;ägerte, dieses oder jencs wertt
hinaus;utun, wollte oft gerade alten Nationalso;ialisten?
nicht recht eingehen. Sie hatten erwartet, daß einfach allesz
ausgerottet werden würdc, was auch nur nach „Erprcssio-
nismus" roch und mußten und müffen nun nicht gan; ohne
Verdruß sehen, wie man manches weiterhin wachsen läßh
von dem sie meinten, daß es im Dritten Reiche keine Da
seinsberechtigung mehr habe. was wunder auch, da doch
so viele Volksgenossen es jahrelang gehört hatten, wie iii
der Rampf;eit die führenden parteigenossen sich cinig
waren darin, daß man allen Auswüchsen der bildenden j
Runst, ;uerst aber dem Runstbolschewismus, der dem un
dcutschen wesen am meisten Vorschub leistete, rücksichts
los den Garaus machen müsse. Und da sie nun sehen, dai
man Männer wie Barlach und Ukolde nicht einsach
mit einer Handbewegung abtut, daß sie als deutsche Rünst
lcr;um mindesten umstritten sind, argumentieren sie viel
leicht im Innersten ihres Her;ens, daß die Regierung aus
irgendwelchen nicht in der Sache liegenden — vielleicht gari
persönlichen Gründen hier nicht einhielte, was die Führer
der partei früher versprachen. Sie sehen aber meist nicht
daß die wahren Gründe für dieses „Gewährenlaffen" fü
diese „Nachsichtigkeit" gan; anderwärts ;u suchen sind, als
sie es vermuten.

Spüren wir also diesen entscheidenden Gründen nach.

Da taucht sofort die Frage auf: „Ast Eppressionismu!
immer gleichzusetzen mit „Runstbolschewismusr" Man muß
das gan; entschieden verneinen. Es muß schon stutzig
machen, daß ein Runsthistoriker vom Range wilhelm
pind e r s, dem gewiß niemand nachsagen wird, daß er
billige Tägesmeinungen sich je zu eigen gemacht habe, in
seiner „Deutschen plastik" die vor s Aahren erschien, von
dem soeben erwähnten Rruzifipus von Gies und von zwci
wciteren, gerade heute am meisten umstrittenen werken
Emil Noldes und Ernst Larlachs folgendes sagt: „In
Emil Aoldes „Grablegung" erinnern noch, erinnern wieder

einige Züge an eine pietL des iq. Aahrhunderts — etwa
wie ein Ropf ;ur Schmerzgebärde gesteigert, den kleinen
Rorper im ttkaßstab gewaltig Lberwächst. Bei Barlach keh-
heißen mochtpn. Und in großzügiger weise faßte er sie ren, gewiß ohne jede vermittelnde Bekanntschaft, platt-

alle zusammen unter bem Namen „Eppressionismus". 2e- deutsche, tza mecklenburgischr Formen des fpäteren Mittel-

drs Runstwerk, das irgendwie naturfernen Lharakter ;u alters wieder. Der große Rru;ifipus von Gies, den heiliger

haben schien, wurde dieker Rateasrie einverleibt und okt Unverkkand aus dem Lübecker Dome aeworken und den

orie einverleibt und oft Unverstand aus dem Lübecker Dome geworfen und den

. >.' - - ' etwas

, erwe

von Mariä-jm Rapitol ;«

Zcit auch pindcr schwacb gc
eele jeglichen Uutmäßigen Emp-
 
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