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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 7 (Juli 1935)
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Bernack, F.: Der Bedeutungsgehalt der Farben
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0158

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<gtu-jenrat K. Vernack-Altona/Elbe

Der Aeöeutungsgehalt öer Zmben

I. Farbnamen.

steyt fcst, daß von jcdcr Farbc 'L r ä f t c aus-
» . »Wff gehcn, daß jedc cinzelnc Farbc selbst einc
, Rraft ist, dic in eincr bcstimmten Richtung
wirkt. Dicsc Rraft rcsultiert aus dcm Bedcu <
tungsgehalt, dcn die Farbe für dcn Menschen an>
gcnommcn hat.

Dcsondcrs wichtige Fingcrzeigc erhalten wir, wenn wir
dcn sprachlichcn Formulierungen der Farb>
namen nachgehen.

wenn wir cincn Farbton in ein sprachlichcs Gcwand
klciden wollen, so bediencn wir uns in weitaus dcn mei-
stcn Fällcn desVerglcichs mit einemvlatur-
gegenstande, der dem Farbton gleichkommt. wir
sprcchen von Blutrot, Schwcfelgelb, Moosgrün, Himmel-
blau, Rostbraun, Rohlschwarz, Schiefcrgrau, Schneeweiß.
wir unterschciden davon Mohnrot, weingelb, Secgrün,
Lornblau, Lcdcrbraun, Rabcnschwarz, Taubengrau, Milch-
weiß. Durch solchc Vergleichc könncn wir die Nüanccn
aufs feinste disserenzieren. Bci den Dcptilien werdcn die
Dczeichnungen mcist fremden Sprachen entlehnt, ;. L>.
csiis, spricot, c/sn, bsigs usw. Daniit geben wir dcr
Empfindung sür eine Farbe eine besondere Rich-
tung, dic in den allgemeinen Ausdrücken Rot,
Gelb, Grün, Llau, Lraun, Schwarz, Grau, weiß nicht
erkennbar enthalten ist. Diese „reinen" Farbbenennungen
geben dcn unmittelbaren Bedeutungsgehalt
dcr Farbcn an, ohne einen Zusammenhang mit Naturge-
gcbcnheitcn erkennen ;u laffen. Dennoch stnd auch die
tTkamcn der;ehn gcnannten Farben sprachliche Gewandun-
gcn für die Lmpfindung, die mit der Farbe verbunden ist.
Es handelt stch dabci um Vergleiche mit Naturerschei-
nungen, die aber erst in den wur;eln der worte,
der Farbnamen, ;utage treten. Diese Wur;elwörter ge-
hören jedoch immer einer andern als der opti.
schen Sphäre an. An dieser andern Sphäre suchte
man in uralten Zeiten nach einer sprachlichen Formulie-
rung für dic wirkung, die die Farbe auf den Betrachter
ausübtc. wenn wir von einem „schreienden Gelb odcc
Rot" reden, aber nicmals von „schreiendem Grün oder
Dlau", so ist damit der Hinweis gegeben, in welcher Rich-
tung wir das Wur;elwort;u suchen haben, nämlich in dem
Bcreiche der akustischen Erscheinungen, im Schall, im
Llang, im Geräusch. Ein Zusammengehen von Auge und
<vhr ;u einer optisch-akustischen Einheit ist unverkennbar.

Gelb.

„G e l b", die „gellende" Farbe, die aus der Umgebung
herausspringt wie der Schrci aus der „Lehle", „gula"
spanisch, „gul" schwedisch, „gola" lateinisch, ist wur;elver-
wandt dem althochdeutschen „gel" und „gal". „gal" hat sich
in dem worte „Vlachtigall" erhalten und bedeutet
„schreien, durchdringend schallen". Gelb, mittelhochdeutsch
„gel", angelsächsisch „geolö",. althochdeutsch und altnieder-
deutsch „geolo", plattdeutsch, „gel", englisch „yellow", nie-
derländisch „geel", urverwandt mit dem lateinischen „hel-
vus", dcutet in allen diesen phasen auf „gellan" gellen.

Die Farbe wirkt wie ein gellender Zuruf, ein Schrei,
der in die Stille hineinspringt, ein weckruf. Es ist, als
ob das flammende Gelb ^ine Stimme hätte, mit der es
uns ruft. Es zieht das Auge genau so heftig an sich wie
man jäh den Ropf wendet, um den UrsprunZ «nes
Schreies festzustellen. Es besteht ein metaphorischer Zu-
sammenhang zwischcn der akustischen und der optischen
Sphäre, der die pnnliche Wahrnehmung des Auge» in Le.
Mhüng zu dem LMgtbUde de» gellenden Schrete» setzh

Rot.

Dcr Fall licgt ähnlich bci R o t. Rot, plattdcutsch „rod",
gotisch „rauths", angclsächsisch „rcad", cnglisch „red", ur-
vcrwandt dcm litauischcn „rudas", altbulgarisch „rudru",
altirisch „ruad", latcinisch „rutilus — rötlich, ist die Farbe,
dic ruft, „rufus, rubcr" rot, dic Farbc, dic rauscht „rouge",
„rut" rüttelt. Sic ist althochdcutsch „ro" — blutig. vlicht
gellcnd, mehr rauschcnd odcr dröhncnd ist der Rlang dieser
Farbc, aufrüttclnd, aufrührerisch, bewegend, „rot".ierend.
Sie fordcrt durch ihrcn Don stärkstc Beachtung. Auch ihr
ist einc Stimme ;u eigen, dic das Auge auf sic lenkt, dic
es in ihrcn Bann ;icht mit aller Rraft. Sic wirkt in ihrer
optischcn Eigcnschaft wic ein akustisches phänomen. Es
liegt im Sinn und wesen dieser Farbc, wie ein Ruf ;u
wirkcn, darum ist ihre Bcnennung auch mit Be;eichnungen
aus der welt dcs Schalles vcrwur;elt.

wie der erste Schrei dcs Ncugeborenen ein Zeichen sei-
nes Eintritts in die wclt ist, so ist der Ruf, der Ton der
roten Farbe das erstc Zeichen bei der Geburt dieser Farbe
aus dcr Dunkelhcit gcwcsen; denn Rot hat ;uerst ;um
Menschcn gesprochcn und seine Stimme erhoben. Der Ruf
diescr Ursarbe ist der weckruf des Lebens, es ist das erste
Lebens;eichcn dcs erwachenden Sinnes diescr Farbe. Die
Urgeschichte der Menschheit, ihrer malerischen Betätigung,
gibt darübcr völligcn Aufschluß. Den Nachweio dazu zu
führen, sei einem andern Rapitel überlaffen.

Beide, das gellendeGelb und das rufendeRot,
sind Stimmen aus der welt der Farben, die geschweSt
sind von der drängenden Rraft de» Leben», di« erfüllt stnd
von Stärke und Gewalt de» Dones, sind Itußrrungen d«»
vollcn Lebensbewußtsein», de» Dasrin». Sie
schreien den Iagdruf de» Urjägers nach Naheung, ste stnd
die Fanfaren von Rampf, Sieg und errungener Drutr.
Sie klingen kriegerisch, männlich, kampfesfroh. Sn ihntn
ist die Rraft verborgen, die sieghaft «nd heldisch a« da»
Licht des Dages drängt, der Schlachtruf zum Lampse
gegen Finsternis und Schwärze, der Sikgeseuf dr» Lich-
tes über die Dunkelheit.

Grün.

Anders dagegen Grün. Grün,

„grüene", althochdeutsch, „gruoni", plattdeutsch
altniederländisch „groen", angelsächsisch „groeni",

„green", schwedisch und dänisch „grön", gehört W-de»-z
Wurzelwort „gro" — wachsen, mittelhochdeutsch „grüejen",
altkochdeutsch „gruoen", angelsächsisch „growan" --spr i e«
ßen. .

Nicht ein Schall, nicht ein physikalisches l
Zustand, sondern cin Vorgang ist mit drm
Wurzclwortes verbunden. Damit rückt der Ar
die Empfindung in eine Sphäre, in die das
viel schwerer einzudringen vermag. Aus
Gründen hebt sich, dem menschlichen Begreife» «
das keimende Leben; der Vorgang des werdem, ^
ciis, vsrts", spielt sich in diesem worte ab. E»,t
Unbegreifliches, Unfaßbares, es hat den Sinn von i
gerschaft und Geburt; es steht auf der Schwrlle '
doch ist es noch nicht das volle, ergriffene LH>
erst das im werden und Wachsen begriffene,
heimnisvolle, das zum Lichte drängt. Grün ist
der Erwartung, der Hoffnung, des stillen Sichg
sie ist gleichsam selbst guter Hoffnung, trächtig- '

Sie verlangt nach Lrweckung mrd Entsaltung.
im Halbschlummer, dem Erwachen «ahe. Gr
Grenze zwischen wachsein und Schlummer, es
Schranke, über die »ir aus mysl
Dunkel nach den Realitäten des
fassen, Grün steht al» MiMer äuf deM Postew z



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