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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 9 (September 1935)
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Küntzel, Frieda: Die Trachtenpuppen auf der Ausstellung "Lübeck und der nordische Kulturkreis"
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0210

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Krieda Äljnkel-Liibeck

Die Machkenpuppen

auf der Äusjtellung „Lübekk unö Ler nor-ische Sulturkreis"

Es war von vornhercin klar, daß bei dem Thema dcr
Ausstellung, das sich dic Lübcckcr Schulen als Gcmcin-
schaftsarbeit gestellt hatten, auf cinc Darstcllung von
Trachten nicht vcrzichtct wcrdcn konnte; dcnn hierdurch
crst war es möglich, dic Bcziehung des Menschcn ;u dcm
Lebenskreis, in den er gestcllt war, ;u vcranschaulichcn. So
wirkten auf den Bcsuchcr der Ausstcllung als Erstes, ;u<
samnrcn mit dcm ungeheuer lcbendigen Modcll dcr Stadt
Lübcck, die drei Gcstalten aus dcr Hansc;cit in ihren üpvi«
gcn Rostümen: der rciche Raufmann in pel;verbrämter
Schaubc ;wischcn dcr vornehmcn Lürgersrau und dem ;ar-
ten Edelfräulcin. So bckam das nicdcrsächsische Baucrn-
haus einen wirkungsvollen Rahmen durch die bäuerlichen
Lrachtengruppen, und dic vcrschicdenen Gcwerbe wic
Gärtner, Fischer, Flcischer waren in ihrcn Trachtcn dar-
gcstellt und belebten ihrc da;u gehörcndcn Rojen odcr dic
Puppcn standen als farbige plastiken (ostpreußischc Trachten
und die waisenhauskinder) auf hohcn Sockcln und krön-
ten so die beiden Seiten der großen Halle. Die Puppen in
etwa i Metcr Höhc mit den ausdrucksvollen, oft symbol-
haften Röpfen aus Hol; sind von Schülern des Rathari-
neums unter Lcitung ihres werklehrers ausgeführt wor-
den und es war einc großc Leistung, diesc 19 Figuren so
cinheitlich und doch so individuell verschieden;u gestalten.
Ein leichtes Rohrgestell gab dic Umrißlinicn für die ver-
schiedenen Rörperformen und ein weiteres Modellieren
derselben durch Ausstopscn mit Hol;wolle und Uber;ie-
hen mit vkeffel ließ sich dabei leicht vornehmen. Diese
Zusammenarbeit mit dem Ratharincum macht natürlich
viele Vorbesprechungen notwendig und auch die Rollegin-
nen der cin;elnen Schulen, die sich mit der Herstellung der
Trachten beschäftigten, mußten sich über Material und
Ausführung einigen- Die Verteilung der Themen wär so,
daß dic Trachten ;ur Hanse;eit den weiblichen Lehrlingen
an der Gewerbeschule ;ufielen, da hier diese Aufgabe für
dcn kostümkundlichen Unterricht ausgewertet werden
konntc. Die Drachten der ein;elnen Gewerbe wurde in
den Volksschulen im Rahmen der ihnen gestellten Auf.
gaben ausgeführt und die waisenhauskinder in der
Domschule, die dieses Lhcma in den verschiedensten Varia-
tionen sehr wirkungsvoll durchgearbeitet hat. In dcn
oberen Rlaffen des Ly;eums wurden die beiden ostpreu-
ßischen Trachten auch im Zusammenhang mit dcm Gesamt-
thema „Gstpreußen" hcrgestellt und ich suchte mir für
unsere Frauen-Berufs- und Fachschule die bäuerlichen
Trachten heraus, die uns in dem allgemein gestellten
Thema: „Trachten der vkordmark" gcrn überlassen wur-
den. Für uns war diese Arbeit eine besonders willkom-
mene Aufgabc, da sich unsere Schülerinnen im Nadcl-
arbeitsunterricht ihre wäsche und Rleidung selbst anferti-
gen, und fo konnte man diese praktische Arbeit noch er-
weitern und ihnen die Schönheit und Gediegenheit der
bäuerlichen Trachten nahebringen.

Ich Möchte nun kur; berichten, wie diese Trachten bei
uns allmählich geworden smd. Es galt ;unächst einige
typische Trachterr rcusDwählen und wir einigten uns aus
die Schönberger, die probsteier und die Friesentracht.
Eine Rollegrn, die tzesonders viele Schönberger Mädchen
sn ihrer Rlaffe hatte, übernahm natürlich die Ausführung
dieser Tracht und fand bri ihren Schülerinnen regstes In-
IerDffe/ da ßie alle die Tracht aus eigener Anschauung
«vMsskH selbst bei Volkstän^n getragen
. Vor alleM Müßten wir Lehrerinnen uns nun erst
: »Stigen Renntmffei?Md Vorbilder verschaffe«. In
nberg wurde uns das durck d»e freundliche Vermitt-
des Begründer« de» dortigen Heimatmuseums schr
lst. wir konnten dort an Grt und Stelle virl .





darüber erfahren und uns dic alten Trachtenstücke ansehen
und in die Hand nchmcn, besonders die große Sammlung
dcr rcich gcsticktcn Brusttüchcr ent;ückte uns und regtc ;ur
Arbcit an. Auch das Lübcckcr Museum half hier mit und
lieh uns Trachtenstückc, so daß es nicht schwcr war, sich
dicsc Tracht in ihrem Reichtum vor;ustellen.

^m Thanlowmuseum ;u Riel fanden wir Vorbilder für
dic probstcier Trachtcn und durch das bereitwillige Ent-
gegenkommcn dcr Museumsleitung konnten wir uns auch
da übcr allc Ein;elheiten orientieren. Gerade diese Tracht
in ihrcr Schönheit und Vielseitigkeit begeisterte uns sehr,
so daß wir uns entschlossen, ;wei Trachtenpaare aus ver-
schiedencn Zciten hcr;ustellen, einmal die Sonntagstracht
der Mädchcn und Lurschen aus dem Anfang des ;s. Jahr-
hundcrts in ihrem leuchtendcn Rot und ;um andern die
crnstc Fraucn- und Männertracht der späteren Zeit.

Die Fricsentracht fandcn wir reich vertretcn in dem
Altonaer Museum und es gefiel uns dort die Braut-
tracht von der Insel Föhr um iö5o besonders Aut.
Das reichgesticktc Tuch, die farbigc Brautkrone und die
großc weiße Schür;e mit den vielen Rräuschen rWtrn
uns ;um vkachschaffen an. Für die cntsprechende Bräuti-
gamstracht konnten wir kcin Vorbild finden und so blieb
es bci dcn sieben Figuren. "

Nachdem dicsc ersten Vorarbeitcn bccndet waren, galt
es nun, dic nötigen Stofse ;usammen zu suchen. Das war '
nicht gan; leicht, aber auch hier half un» da» hieflge
Muscum und zwei kostbare Seidenstoffe fük die westen
unserer Männer und das alte Schönberger Land hab«
wir ihm zu veedanken. Alte, echte Stickseide, dir r» in
dieser Art überhaupt ntcht mehr gibt, fand sich auch «och
in meinem Bcsitz, so daß wir die Farbigkrit und RoWar-
keit des Schönberger Tuchrs annähernd wiedergebr« ksnu«.
ten und so fügte sich ein» zum andern und ließ allmählich
das Bild erstehen, das uns vorgeschwebt hatte. Die eigent-
lichc Arbeit konnte nun beginnen. Ls ergaben sich dabei
noch manche Schwierigkeiten und sie konnte ntcht lütkenlo»
entstehen, einmal dadurch, daß an unserer Schule zu Gstcrn
der größte Teil der Schülerinnen abgeht und ;weitens, daß
geradc ;wei unsercr Rolleginnen, die diese Arbcit begonnen
hatten, gezwungcn waren, sich Arbeit an andrren SchulkN
;u suchen. Aber wo ein wille ist, da ist ein Weg. wir
richteten eine wcrkstatt ein, in der täglich mit freiwilligen
Schülerinnen gearbeitet wurde, die sich mit großer Be-
reitwilligkeit auch nach dcr Entlassung für die Arbett
sanden und jedcr stellte sein Rönnen in den Dienst der
Sache. Da wurde genäht, gcstickt, gehäkelt, gefärbt, aps
alten Hüten neuc geformt und jeder Tag brachte uns kjn
Stück vorwärts. wir sahen mit Staunen wie die zunächst
gerippeartig wirkenden Figuren allmählich Leben und 2lus«
druck bekamen und wie das Hol; der Röpfe und Hände
sich gut ;u den Farben dcr Stoffe fügten und von ihnen
bcseelt wurden.

So hat uns all diese Arbeit viel Freude gemacht ünd
die Schülerinnen konnten es schon gar nicht mehr erwarten,
bis sie die Puppen wirklich anziehen konnten. Es fehlte
dann noch ein farbiger Hutschmuck für den Schönberger
Mann und das probsteier Mädchen mußte einen Strauß
in die gehobene Hand bekommen. Reste von Rrepp- und
Seidenpapier waren das gegebcne Material dafür und
schließlich kam der Tag, wo alles beisammen war und dic
puppen ihren platz in der Ausstellung bekommen konnten.
Ich glaube, daß diese Arbeit an den Trachtenpuppen uns
allen, die wir damit ;u tun hatten, Schülerinnen und
Lehrerinnen viel gegeben hat und daß hirr Nachschaffendes
zum Schöpferischen führen kann.

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