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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 1 (Januar 1938)
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Köngeter, Karl: Formung durch Zeichnen: vorm Schulantritt
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0007

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Formung öurch Zeichnen. — vorm Gchulantritt

Von Rarl Röngeter-Eßlingen

Es §cht uns hcut im werkcnden Tun dcs volkes um
Formung. Wiffenswerte und persönlichkcitswerte müffen
vertreten sein und fruchtbar werden in Formwerten und
ncu §eht uns auf, daß der Legrisf „Bildung" von Bild
kommt — daß „Anschauung" auf Schau, also auf 2lugen-
sinncserlcben, gründet und daß „Gcsinnung" ohne den
lebcndigcn Sinn, in unsrer bildhaft formcnden weise
ohnc den 2lugsinn, undcnkbar ist. Für den Führer ist das
Erzichungswerk, dcn dcutschen Menschen im besten deut-
schcn wescn zu formen, cng geknüpft an die wirklichkeit
der 'Lunst: „wic können uns keinen wicdcraufsticg des
deutschcn volkes dcnkcn, ohnc daß nicht wicdercrstcht die
deutsche Rultur, insbesonderc dic deutsche Runst" (Ad. Hit-
ler, Nürnberg io;e). Der Führcr baut also in seincm
werk auf die crzichcnde, formende Rraft der Runst.

Dancbcn steht das wort eines Runstwiffcnschaftlers, den
man heut wicder viel zitiert, Ronrad Fiedlers: „Das
ernsthaftc Geistcslcbcn unsercr Zeit, welches der cxakten
Erkcnntnis zugewendet ist, wciß mit der Runst im Grundc
nichts anzufangen und hat recht, sofern es die Runst noch
von den aus einer früheren Zeit stammenden Stand-
punktcn aus ansieht, nicht rccht, sofern cs nicht nach einem
neuen Standpunkt sucht."

Das vom neuen Standpunkt trifft uns Runsterzieher!
wir wissen, daß cs dabci nicht um cine ncue Mode, einen
neuen Stil oder eine ncue Methode gcht, sondern um das,
was Bcstand hat — was immer schon bestand und auch
für die Zukunft bestchen kann. Auftrag,

die Reimanlagen allcs künstler^sch-werklichen Duns zu pfle-
gen. Unsre Schulräume sollen Voll-Lebensräume sein. Gn
ihnen soll ein Beitrag dcs Durchformungsaktcs des Volkes
geleistet werden. Da ist es wichtig, daß wir immer wieder
dcn Standpunkt gewinnen, in dem Form stcht und be-
steht und aus dem sie erstcht.

Verfolgen wir zusammen an den beigcgebcnen Abbil-
dungen den einfachen Grund-Vorgang des wesens Form:

Allc acht Beispicle sind aus dem Rindergarten. Dic
dreijährigc Rosemaric von Abb. i kam strahlend und
sieghaft sichcr und zcigte ihr werk. würde nun ein Er-
wachsener — jeder Erwachscne ist dem Rind zunächst Auto-
rität'. — sich daran ernst besinncn und fragen: ja, was ist
denn das? — dann wäre das strahlcnde Rind recht cnt-
täuscht und ihm würdc zumutc, als ob solch ein Dun mit
Farbkreiden auf Papicr eine ungemcin ernste Angclegen-
heit wäre, bei der man wiffen müßte, was man wolle. Es
wird klar: das Rind will nichts mitteilen, so wenig es
etwas wiedergeben will. Scine Miene und scin werk zeu-
gcn aber von eincr vollbrachten Tat, von dcr es sclbcr
voll erfüllt ist. Daher sollen wir sic auch als das werk
eines Dreijährigen voll nehmen. Und wir könncn sie nur
nchmcn als einen Formungsvorgang, der zunächst keine
Mitteilungsseite für uns hat und auch keine wicder-
gabcscite — aber voll steht und bestcht im einfachen Be-
herrschcn, Besitznchmcn, iin Bc-nehmcn in gegcbcnem
Raum — im Standpunktnehmen und Sich-Faffen im Raum.
Hans Dhoma schreibt in scinen Lebcnscrinnungcn: „tNcine
älteste Erinncrung ist, daß ich in ciner Ecke unserer
Schwarzwäldcrstube saß mit eincr Schicfertafcl und mit
cinem Griffel. Es war noch vor dcr Zeit, da dic Bubcn
Hosen tragcn dürfen. Ach machte Striche darauf durch-
einandcr und frcute mich daran, daß so ctwas in mcincr
Hand lag zu machcn. Ach licf zur Muttcr und zcigtc cs ihr.
Die Ammergute störtc meinc Freude nicht..."

Das cine ist deutlich: Dcr Ausgang, der G.uellpunkt und
Reim dcr Forin bcsteht im Formsein, nicht im wieder-
gabrsein odcr im lklitteilungsein. Abb. i ist ein Dokument

von Haltung, vom Gesicht kleinkindhaftcr, kcimhaftcr, kno-
spcnhafter Art. Noch ist in dieser Haltung das wcsen
vorgeburtlich in sich gcschloffen ohne Ausdruckstricbe und
ohne Eindrucksprägung. wo dann in der folgenden Ent-
wicklung Haltung und Eigengesicht bcwahrt sind durch
das sich ausgliedcrnd 2lusdruckshafte wie durch das hcr-
ankommende Eindruckshafte hindurch, da ist „Bildung"
und „Anschäuung" und „Gesinnung".

Entwicklungslagen aus dem Rindcrgartcn,
Farbstiftzeichnungen. Alter ; bis 6 Aahrc.

Aber verfolgcn wir an unsercn Abbildungcn dcn Gang
der Ausgliederung dcr Form weitcr. Abb. : und ; brin-
gen weiterc Entwicklungslagcn, die auf dcr Lagc von
2lbb. i dcutlich be-ruhen. An 2lbb. 4 taucht der crstc cr-
kennbare Zugriff nach außcn als Formbcgriff: „lNcnsch"
auf — inmittcn des Blattcs! An Abb. 5—S kommcn dazu
„Baum" „Haus". Bci Abb. 5 ist auch von dcr Mittc
ausgcgangen, wie bci i—4. Bci Abb. 0 ist einc Bc-
strcbung nach dcm Aufreihcn am Rand spürbar — bci
2lbb. 7 ist dicsc Strcbung noch dcutlicher (das Rind drchtc
das Blatt). Abb. S bringt das Gben und Unten, bringt
die Scheidung von Himmel und Erdc. wir sehcn in eincii
Schöpfungsvorgang hincin, der mit dcm lNenschcn an-
fängt und mit dcr Scheidung von Hiinincl nnd Erdc
aufhört! Das Mädchcn von Abb. S steht auf dcr Schwcllc
dcr volksschulc.
 
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