Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

DOI Heft:
Heft 1 (Januar 1938)
DOI Artikel:
Bischoff, E.: Was bedeutet uns bodenständiges, schwäbisches Kunstschaffen in Vergangenheit und Zukunft?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0018

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
15

Was bedeutet uns bodenftänöiges^ schwäbisches Runstschaffen

Ln Vergangenheit und Zukunft

Von E. Lischoff-Ulm a. D.

Wenn man von Stuttgart aus westwärts fahrt, radelt
oder auch „fußelt", dann kommt man, je nachdem bälder
oder später, in einen echt altwllrttembergischen Bereich,
deffen Mittelpunkt weil der Stadt ungefähr sein mag
und in dem in etlichen Bauernhäusern wir wohl das
Heinste und Röstlichste finden, was die deutsche Volkskunst
hervorgebracht hat. Es sind vom einfachen Hafner (Töp-
fer) hergestellte, glasierte «vfenwände. Zunächst ist dies
bedeutsam, daß wir ruhig bis nach Niedersachsen und
Holland weiter „fußeln" können, bis wir in der Gegend
etwas Aehnliches finden. Dort in den peseln sind solche
Meisterstücke häufig und daher — zähe Schwaben sagen:
weil sie preußisch sind — sind sie auch bekannter geworden.

wir haben unsere „Illustrierten" mit ihren Fotos und
Rreuzworträtseln, in denen wir eine Art von Unterhal-

sich die Hände;u volkskünstlerischer ErfUllung, jedoch nicht
als werte an sich, sondern als Frucht aus dem Safte des
Lebens selbst, wie es gerade ist: Tiefsinnig — besinnlich
— wunderlich — lustig und derb, wie 's das Her; braucht:
„Ich koche, wie ich kann — was meine Sau nicht frißt —
das frißt der Mann —." Und nicht weit davon ;u einer
andcrn, mit eingelaffenen Tafel dcr beste Spruch des Mci-
sters: „Gott der Schöpfer war dcr erste Döpfer".

Diese Ofenwände der Galwer Gegend scheinen am chc-
sten geeignet, das schwäbische Dolkstum in der Rürze, dic
geboten ist, ;u vertreten. Denn, da es unmöglich ist, in
den Raum einiger Zeilen einen stattlich beladenen wagen
schwäbischer Volkskunsternte einzufahren, ist es beffer, aus
der Erfahrung des Erntens selbst Einiges zu sagen, dies

tung suchen. Die Bauern dort und damals hatten ihre
glasierten Gfenwände und auf ihnen einfach mit dem Mal-
hörnchen hingezogene, aufgesetzte und aufgepunktete Bil-
der und Verse im warmen. Diese Bilder wurden von den
Generationen studiert und mit der Zeit fingen die Rindcr
an, das ;u begreifen, was sie zunächst noch nicht begreifen
sollten und konnten und der sonntägliche Besucher sah
neben dem Hausherrn auf der gemütlichen Gfenbank >auf
einer großen Gemeinschaftsarbeit von Meister und Ge-
sellen das große Leben in der Stille der Stube vorüber-
ziehen. Mit zierlichtänzelnden, mähnengesträubten pferden,
stolzen und alltäglichen wagen und Raroffen, mit Schlit-
tcn, Bauern, Herrn, prälaten und Soldaten, Aagden mit
Hörnern, Hirschen und Hasen, bellenden FUchsen, Mai-
glöckchen und Wildsauen, Dulpen und RUHen — das ganze
Aahr mit seinem Segen an Drauben, Aehren und BlUten,
ein Rran; ;u Ehren des rechten, frohen und mUhsamen
Daseins, aus seiner FUlle gewunden und rcichlich mit Ver-
sen der weisheit und des Frohsinns hinzugercimt — hand-
gearbeiteter Humor ohne Beschwer — ein Gesamtbild
des Urelements schwäbischer Zeugung- Formsreudc — Ein-
heitlichkeit — l(Zaturfarbe und Matcrialechtheit reichcn

um so mehc, als der kritische Schwabe nicht so mit allcm
einig sein kann und mag, was sich in Volkskunst „;u-
trägt". So weit die alte Volkskunst gcmeint ist, zeigt schon
das vorerwähnte Beispiel, daß die Gestaltung der Form
an sich kritisch und schöpferisch von hohem wert ist,
wahrhaft volkskiinstlerisch aber der Formeinheitllchkcit
die Einheit der Gesinnung vorausgesctzt ist. wo dicsc
nicht ist, kann ich nuc bis ;um Grade meiner Einflußgrcn-
;cn eine Formeinheit darüber wölben. Dcr entsetzliche Zer-
fall dcr Lebenseinheit des Volkcs im letzten Aahrhundert
in tausend und eine 2tnsicht hat dic alte Volkskunst in
;o Iahren zerstört, sie, die sich durch Not und Rrieg und
Tod vom mehrtausendjährigen Gut bis dahin noch cr-
nährt hatte. Der ewige widersacher allcr Rultur: der
rcine Geldnutzcn — der mit alten schönen Bauerntrachtcn
handelnde Großstadtjude — hat mit cincm Schlag dic
hohe Fcstlichkeit der Volkskunst deutschcr Stämmc in dcm
Rram dcs Ritsches jeder Fa?on untergchen laffen. Dcshalb
sollte jedcr, der sich ehrlich bemüht, die Ziele auf eine
wcrdcnde dcutsche Volkskunst auszurichtcn, am stärksten
Beispiel der altcn Volkskulist, dem Baucrnhaus, bcwnßt
sein, daß cs
 
Annotationen