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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 4 (April 1938)
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Parnitzke, Erich: Vom Bildgut in der Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0070

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Nom Mgul ln öer Lchule

Von Erich Parnitzke-Riel

Zeige mir, was du an die wand hängst...

Wer viele wohnungen von Erziehern aller Schularten
kennt, weiß, wie viel Augen man oft zudrücken muß, um
Männer, die ansonst tüchtig sind und ;u wirken verstehen
an ihrem platz, nicht verachten ;u müffen wegen der grau-
samen Stumpfheit ihres Urteils in bildnerischen Dingen.

Dieselben Männer, denen es nie beifallen würde, vor der
Schulgemeinde, an einem Elternabend, oder bei sonstigen
veranstaltungen seichtes und banales Zeugs vorzutragen,
denen es ebensowenig einfiele, Schlager, Gaffenhauer und
billige Salonmusik aufs programm zu setzen, diese selben
Amtsgenoffen umgeben sich zuhause mit bildnerischen Din-
gen, die in der Niederung von Lourt-Mahlerschen Schrif-
ten oder geleckter, schmalziger Stimmungsmusik licgen...
und sie merken es nicht!

Es mag seit den Tagen des finstersten Verfalls im Bild-
druck, seit den Aufrufen des „Runstwarts" und all der
Männer, die „Bildbildung" ;u fördern suchten, vieles an-
ders geworden sein. Die phrasentriefenden „Gartenlaube"-
Allustrationen und -Buntdrucke sind abgetreten, ebenso wie
die Gips-Figuri und Nippes, die plüschtroddeln und pa-
neelbretter in „altdeutjcher Renaiffance". Die Stoffe, eben-
so wie die Mache, sind „zeitgemäßer", auch wird man oft
belehrt, daß dies eine „<vriginal"-Radierung, jenes ein
„Griginal"-Farbenhol;schnitt und das große Bild dort von
einem namhaften Runstverlag sei. wie selten aber sind
damit wirkliche werte verbunden, wie selten ist das, was
sich so „originell" im Vortrag gebärdet, „gesehen", d. h.
erkannt worden, wie oft ist es die innerlich gleiche, hohle
Bildungsrepräsentation wie anno dazumal!

Stellt man dann bescheiden einige Fragen nach Meister-
werken, an denen doch wahrlich der Markt der wieder-
gaben nicht arm ist, so gibts erstaunte Gesichter..., man
weiß davon gar nichts!

Es ist schon so: mit der Bildung des Auges ist cs bei den
meisten Gebildeten immer noch arg bestellt, ja, die bloße
Verantwortlichkeit wird noch kaum begriffen. Und das
trotz jahrelanger Schulung im Zeichen- und Runstunterricht,
an der dic Betreffenden teilgenommen habcn. Es muß
hier ein grundsätzlicher Mangel vorliegen, in jener „gc-
habten Schulung"; denn es licgt in den Fällcn, die wie
cin Lichtblick dagegcn erscheinen — wohnräume mit wert-
vollem Bildgut — oft genug so, daß die Betreffenden trotz
oder abseits der Schulc ihr Urteil und ihrcn sichcren Blick
crworben haben.

Der Mangcl liegt wohl vorwiegend darin begründet,
wie ich cs crschließen kann aus dcr eignen Schulzeit: dcr
Zeichenlehrer, cin hochachtbarer, kultivierter Mann rief bci
all dcn Bildungsveranstaltungen nie auf zum wirklichen
Einsatz, schuf nie dic crzicherische Lage der „Verpflich-
tung", sah nie auf den „Ernstfall" des Lebens, holte also
anch nie heran, was uns dann zuhause umgab, ging nie
auf u n scre noch unsichcren und schwankcnden Antcrcffcn
cin bezüglich der Bilder in Haus und Schule, sah nie dar-
auf, daß doch jeder von uns einmal zuhause sclber zu
plancn, auszuwählen und zu bestimmen habcn würde.

lTlicht, daß ich undankbar wäre in Hinsicht dcr mannig-
fachen Bclchrungcn, Museumsgänge usw. was Gotik, was
Xenaiffance sei, das wurde uns gewiß mitgcgeben und
manchcr große iTlame. was aber bedcutetc cs dcn Mei-
stcn; Raum mehr als eine gciviffe unvcrbindliche Bil-
duiigszugabe, nach der „offiziell" nicht wcitcr gefragt
ivurde, die also schon schulisch nicht ganz ernst gcnommcn
wurde, dic mit dem „Zubause" schon gar nichts zu tun hatte.

Das, was aus dem wege einer gediegenen Pflege des
Schrifttums und der Musik erreicht war: eine Schärfung
des Gewiffcns, eine Verachtung des Banalen und Scich-
ten, davon war im Falle des Bildguts nicht die Rede.
Blamiert war jeder unter uns, der noch „falsches Deutsch"
sprach oder schrieb und der nicht das sichere Bewußtscin
hatte, daß ein Detektivschmökec mit wertvollcm Schrift-
tuin nichts zu tun hatte (m i t diesem Bewußtsein rückte
ja die „Reiselektüre" in die gebührende bloße „Ersatz"-
stellung). Aber merkwürdig: dieser Geist einer „Bildungs-
gemeinschaft" war weggeblasen, sobald „Bilder" zur Dis-
kussion standen. Meist kams überhaupt nicht soweit, und
wenn, dann stand ein verlorener „prediger" gegen die
Mehrheit, die diesem Einsichtigen Unduldsamkeit vorwarf
und die phrase bereit hatte vom Geschmack, über den sich
nicht streiten ließe.

Nur diesem Mangel an wirklich gemeinsamer Grundlage
des Urteils, dem Mangel an einer erzieherisch auf-
gerufenen Verantwortlichkeit, ist es zuzuschreiben, wenn
wir heute noch gar so viele wohnungen finden, in denen
von vorbildlichem Leben keine' Spur ;u sinden ist.

Der Zeichenunterricht als ein Schulfach, und auf der an-
deren Seite das Leben und erst recht das privatleben,
so liegt die Drennung vor uns, die wir bekämpfen müffen.

Es erscheint z. B. auf den ersten Blick zweckvoll, wenn
etwa in der Lehrerbildung auf den HfL. als Ziel geseyt
wird: die Studenten sollen instand gesetzt werden, den
Unterricht im Zeichnen und wcrken in ihren künftigen
Schulen ünd Rlassen ;u versehen.

Die nackte Erfahrung zeigt, daß dies Ziel zu kur; ge-
sehen ist. Es muß zuvor heißen:

„Die Studenten müffen zur tätigen Anteilnahmc am
volkstümlichen Bild- und werkschaffen und zum Ver-
ständnis des Volksgutes der deutschcn Runst hingeführt
werden."

Lätige 2lnteilnahme: das heißt verantwortungsbcwußtcr
Einsatz und zwar an „Ernstfällen", die zur Bcwährung
verpflichten. Dazu gehören dic Gcmcinschaftsarbeiten in-
nerhalb der HfL. Und es gehört dazu die Beziehung auf
dic spätere Lcbensführung. Für den Erzicher ist auch die
eigne wohnung etwas, was cr vertreten inuß und dic
Einrichtung einschließlich dcr Bildcr ctwas, was Haltung
haben muß. Es geht hier um cincn politischcn Rultur-
auftrag!

was für die Lchrerbildung gilt, vcrmag abcr deutlich
;u machen, daß es schon ein Gesichtspunkt der allgemeincn
Schulbildung und -Erzichung sein sollte, was hier um-
schrieben wurde als „verpflichtcnde Haltung".

„Runsterziehung" muß zugleich willcnsbildung scin, mufi
zum Einsatz aufrufen, sonst verrinnt sie oft spurlos. Und
sie muß da anpacken, wo dic Aufgabcn für Aeden liegen,
wo er tätig tcilnehmcn kann und wo cr sich nicht drückcn
darf.

wir wollen nicht vcrgcffen, daß noch mancherorts der
Runsterzieher in der ähnlichen Lage ist, ivie der „einsame
prcdiger" in der Rlaffe einer Gbcrstufc, nämlich den man-
chen Amtsgenoffen gcgcnüber, die in dcn Deutsch- und Gc-
schichts- usw. Stundcn von dcr „Haltung zum Bildc"
nichts spüren laffen; und womöglich auch dcm „hohcn
Chcf" gegenüber, der auf eigne Faust fragwürdigc wic^
dergabcn ankauft.
 
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