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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

DOI Heft:
Heft 6 (Juni 1938)
DOI Artikel:
Ettel, Josef: Bildnerische Erziehung auf der Mittelstufe: (10. bis 14. Lebensjahr)
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0132

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Ich halte in solchem Fall rhythmische Uebungen für sinn-
voll, welche keinen Vergleich mit vlaturdingen aufkom-
men lassen, wohl aber geeignet sind, den Blick ;u lockern
für die Sprache von Linien und Farben und Mut ;üm
Selberfinden und -entdecken ;u machen.

Ich lasse ;. B. rhythmische Reihungen aller Art (in Zei-
len und Bändern, im Rund und in andern Flächen) fer-
tigen: mit der Spitz- und Schnur;ugfeder, dem Spatel und
der Breitfeder, dem pinsel, als Papierschnitt, Stempel-
und Linoldruck, ferner als Rreu;elstich, als Tülldurch;ug,
Stickerei, Flechtarbeit, Hol;- und Gipsschnitzerei.

Diese rhythmischen Spiele wollen weder „Ornamente" lie-
fern, noch gegenständliche Vorstellungen ausdrücken; sie
lockern nur die Sinne für beide Arten des späteren Ein-
satzes. was das hinsichtlich des Dlickes für gegenständliche
Strukturen heißt, mag an einigen Beispielen erläutert
sein:

Die Schüler haben lineare rhythmische Reihen gefertigt
und erhalten nun die Aufgabe: „Tannenbaum" oder „Blu-
menkran;". Dieselben Schüler, die.ohne das Einschalten
der Lockerungsübung nur naturalistisch verquälte Baum-
formeln, einen wuscheligen Rran;salat gekritzelt hätten,
sind jetzt aufgeschlossen ;u „hinhorchender" Arbeitsweise,
nämlich für die Schönheit der gereihten Nadeln am Zweig,
für die Ordnung im Rran; und das Zusammenstimmen die-
ser Ordnung.

So kann eine Flächenrhythmisierung den Blick öffnen
helfen für die geordnete Gestalt der Schuppen von Fischen
oder Eidechsen. Die Schüler werden der quälenden Frage-
rei entwöhnt: wie ;eichnet man dies, wie das; Sie müffen
selber sehen und sie finden auch selber die Sprache der
Form.

Um Mißverständnisse aus;uschließen: Bei unverbildeten
Schülern sind derartige Vorübungen nicht nötig, da sie
von Natuc ihren Grdnungssinn bewähren. wie stark ist
doch dieser noch im Rindergartenalter, wieviel trägt die
Schule meist da;u bei, die ureigenste Empfindlichkeit des
Auges ;u schwächen und ab;ustumpfen — d. h. also jeder
Lehrer, der selber sein Grgan dafür hat verkümmern
lassen!

2lehnlichcs gilt von der Farbe. Es ist erforderlich, daß
sie nicht nur Zutat bleibt ;um 2lusmalen der Zeichnung,
sondern in ihrcr eignen Frische und anregenden Rraft er-
lebt wird. Ich lasse also nicht nur die Farbkästen — mit
wässrigen und Deckfarben — nutzen, wobei ohne Vor;eich-
nung mit dem pinsel gearbeitet wird, sondern ebenso Farb-
kreiden (die billigen Dafelkreiden) und pastellstifte auf
Packpapier. In lebhaftem Umgang mit diesen mehreren
Ausdrucksmitteln erarbeitet sich jedes Rind den ihm gei-
stig gemäßen Deil einer „Farbenlehre", aber eben nicht
durch Anwendung von äußerlichen Regeln, sondern aus
eignem, aufgelockertem Gefühl.

Es gilt das besonders für Mädchenklaffen. Die tNädchen
werden oft durch das Herstcllen farbigcr Zusammenhänge
und -klänge so gefesselt, daß ihnen die einfache, aber echtc
Formgebung garnicht kritisch;um Bewußtsein kommt und
die sonstige Neigung ;um Vlachahmen fragwürdiger ;eich-
nerischer Formcn ;urückgedrängt wird.

Bei der pflege der Rörper- und Raumgestaltung han-
delt es sich cbenfalls um die gefühlsmäßige Auseinander-
setzung mit den mannigfachen Rürper- und Raumvorstel-
lungen. Nicht die Zcntralperspcktive mit ihren Erschei-
nungsregeln kann dabei cin 2lusgangspunkt sein. viclmehr
ist es als cins der begrüßenswcrtesten Ergebniffe des Stu-
diums der Rinder;eichnung ;u be;eichnen, daß dabei der
naturgemäße Entwicklungsverlauf einsichtig wurde: ;ur
körper- und raumklaren Zeichnung. 10- bis n-Iährige
bringen die 2lufgabe Dorf oder Stadt, indem mcist die
Häuser auf dcr Bodenlinie oder an wcgcn gcrciht werdcn,
auch i„ mehrercn Reihen Ubercjnandcr. Ein Schritt weiter,

123

Verlin.

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Verlin, l.eiprig, iUüncken, Köln
 
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