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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

DOI Heft:
Heft 9 (September 1938)
DOI Artikel:
Böttcher, Robert: Die "Kunsterziehung" in den neuen amtlichen Lehrplänen der höheren Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0175

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ji, der höheren Schule" sorgfältig prüft, dann muß man
fcststellen, daß das Reformwerk, als Ganzes genommen,
dicsen Feststellungen dprchaus cntspricht. Ueberall, wo es
um den gedanklichen 2susbau der Schule geht, sozusagen
um das Idealbild nationalsozialistischer Erziehung, überall
dort, wo nicht sofort die Fragen dcr Umsetzung in die
prapis solche Gedankengänge in ihrer Entwicklung und
Ausbreitung hindern, ist aus der nationalsozialistischen
Grundhaltung der Schöpfer dieser Reform heraus ein
Wcrk entstanden, das weit mehr verspricht, als der An-
yriff auf die in den Stundentafeln und Stoffplänen sich
darstcllcnden schulischen Einrichtungen, „in denen die Ideen
der vergangenen Zeit Form geworden sind", ;u erreichen
vermochten.

Durch diese Sachlage, insbesondere aber auch deshalb,
wcil kunsterzieherische weisungen, sofern sie Einzelheiten
dcr Unterrichtsführung und der Stoffgestaltung enthalten,
uur sehr schwer in worte ;u fassen sind und, um wirklich
Alarheit;u geben, immer am werkstück aufge;cigt werden
niüßten, ist gerade der Runster;ieher häufig genötigt, in
Zweifelsfällen sich an das Ubergeordnete „Grundsätzliche"
;u wenden und sich dort auf alle Fragen die rechte Ant-
wort ;u holen. Zwar wird es dadurch niemals gelingen,
die Diskrepan; ;wischen Aufgabe und Ziel auf der einen
Seite und wochenstunden;ahl und Nichtvorhandensein des
Werkunterrichts auf der anderen ;u beseitigen; aber die
geringe Zeit, die ;ur Verfügung steht, wird doch wenig-
stens bestmöglichst genutzt werden künnen.

r. Runsterziehung und ihre neue Stellung

im Gesan, taufbau der höheren Schule.

Runster;iehung ist ein neues Lehrfach in der höheren
Schule. Ihr Bildungsgut entspricht im wesentlichen dem,
was früher mit dem Zeichen-, Runst- und werkunterricht
gemeint war, von denen das letzte Gebiet als besonderes
Fach auf dem Stundenplan erschien, aber nicht pflichtfach
war. Die Zusammenfaffung dieser Fächer, ihre Erhöhung
zur „Runster;iehung" und ihre ausdrückliche Be;eichnung
als deutschkundliches Fach lassen wohl am deutlichsten schon
rein äußerlich erkennen, welche schlechthin entscheidende
Wandlung die Beurteilung der er;ieherischen Bedeutung
dieses wertgebietes auch in der höchsten schulamtlichen
Stelle, dem Reichser;iehungsministerium, erfahren hat.

Es soll nicht verkannt werden, daß schon die Richtlinien
fiir die Reform des höheren Schulwesens i-)r5 es ablehn-
ten, den damaligen Zeichen- und Runstunterricht als tech-
nisches Fach an;usprechen, und daß die Schöpfer jener
Xesorm alle Angriffe auf diesen Unterricht ;urückwiesen
mit dem Bemerken, daß es sich bei ihm um hohe kultu-
relle Belange handele. Da aber bei dem Ruhhandel um
die Rangordnung der Fächer und um alle damit ;usammen-
hängenden Fragen im wesentlichen die Zahl der Derbands-
mitglieder der cin;elnen Lehrerkategorien entschied, die
ihrem wesen nach Standesorganisationen und Zweckgesell«
schaften waren, so konnte damals däs wollcn noch nicht
in die Dat umgesetzt werden. Be;eichnend für diese Re-
form ist ferner die Datsache, daß wohl die enge Verwandt-
schaft des Zeichnens mit dem werkunterricht gesehen
wurde, daß man aber der Meinung war, der Runstunter-
richt habe sich ausschließlich der „hohen" Runst ;u;uwen-
den und der werkunterricht mehr dem „Basteln" und dem
Runstgewcrbe.

Demgegenübcr spricht „Er;iehung und Untcrricht in dcr
höhcren Schulc" bci der Aufgabe für das freie Gcstalten
vsn dcr Entwicklung dcs bildncrischen Ausdrucksver-
mögens des Schülers und dcm Erwerb handwerklichcn
Rönnens. Es trennt also nicht etwa die Gcbiete dec hohcn
Runst, der Volkskunst und des Handwcrks von cinander
ab, sondern fordert die Entwicklung der Bildckräftc untcr
^enutzung dcs verschicdensten Matcrials und wcrk;cuges,
undbrmgcmäß dic Einführiing in die vcrschicdensten
-lrbcitsweisen. wenn man fcrner bcachtet, daß dcr Äunst-

betrachtung nur dann die Möglichkeit dcs Erfolges ;u-
gesprochen wird, „wenn sie an das cigcne bildnerische Tun
des Schülers anknüpft", dann wird dcutlich sichtbar, daß
künftig die Anpflcgenahme der Bildekräfte das Rernstück
aller kunster;ieherischen Arbeit ist, und daß das gesamte
Bild- und Sachgut dcr Nation und die verschiedensten
werklich-künstlerischen Darstellungs- und Gestaltungsweisen
in den Dienst dicser Aufgabe ;u treten haben mit der
Maßgabe, „die Entwicklungsstufe und die jeweilige Aus-
drucksfähigkcit" des Schülers in allen Fällen ;u achten.

Von hier aus gibt es wescnsuntcrschiede ;wischen bild^
nerischer^ Gestaltung (im engeren Sinne), werklicher und
Schriftgcstaltung nicht mehr. 2luch das gebundene Zeichncn,
bei dem die gestalterischen Aufgaben im Verhältnis ;u
den objektiv-darstellerischen ;urücktreten, rückt ;usammen
mit der Runstbetrachtung, bei der ausdrücklich auch auf
die „deutsche Handwerkskunst" hingewjescn wird, in den
Rreis der Teilgebiete ein, dic, alle ;usammengenommcn,
den Inhalt der neuen Fachbe;eichnung „Runster;iehung"
ausmachen. Die große und einheitliche Sicht vom Rünstle-
rischen her geht so weit, daß man nicht ge;ögert hat, auch
dem Modellbau innerhalb der Runster;iehung seinen platz
an;uweisen und damit ;u bekundcn, daß hier wie dort
— wenn auch hier in weit größerem Umfange — die Tech.
nik, und sei ihr Dienst noch so wertvoll und in die Augen
fallend, sich bescheiden muß, Mittel ;u sein, um schöpfe-
rische und gestalterische Ziele durch;usetzen.

Diese klare Stellungnahme dem „Dechnischen" gegen-
übec war nötig, um eine Entscheidung darüber herbei-
;uführen, ob Runster;iehung etwa weiterhin oder wieder-
um als technisches Fach geführt werden solle, ob eine Son-
dergruppe etwa technisch-künstlerischer Fächer auch Runst-
er;iehung mit ein;uschließen, oder ob dieses Fach seinem
tiefsten wesen nach bei den deutschkundlichen Fächern
;u rangieren habe. Das Ministerium hat sich ;ur letzten
Auffaffung bekannt.

Damit ist die Bildsprache mit Recht als gleichwertig
neben die wort- und Schristsprache gesetzt worden, die dec
Deutschunterricht ;u betreuen hat. Mit diesem Entschluß
des Reichser;iehungsministers wird amtlich der Ueber-
;eugung Ausdruck verliehen, daß die Sprache in jeder
Form ein hervorragendes Mittcl ist, in der Augend das
Rulturgut unseres Volkes lebendig werden ;u laffen und
diese Iugend dahin ;u führen, daß sie sich mit Stol; ihrcs
Deutschtums bewußt wird. Den hervorragenden 2lnteil dec
Sprachc an unserer Volkwerdung hat pinder in seincm
bedeutenden Buche „Die Runst der deutschen Raiscr;cit"
in folgende worte ;usammengefaßt-. „Daß wir noch immer
das deutsche Volk sind, daß es uns gibt, das ist weniger
als bei den meisten anderen das werk der politik. Es ist
das werk unserer Sprache im weitesten Sinne, der
Sprache auch der sichtbaren Form, die Dauscnde von
Toten für uns geprägt haben und durch die sie wahrhaft
mit uns;ichen."

Es ist nun Sache allcr Lchrer der Dcutschkunde, die
Augend anhand des reichen kulturcllcn Erbcs unserer
2lhncn die wahrhcit dicser worte crkcnncn und crlebcn
;u laffcn. Dabei kommt dcr Runster;ichcr in cine bcson-
ders schwierige Lage, weil die Reformpläne in Ansehung
dec Bedeutung des deutschen Runstgutcs für Rlasse d und 7
cinen Gang durch die Runstgeschichte unseres Volkes vor-
schreiben, dcr mit dcr gcrmanischen Frühkunst bcginnt
und bcim Rlassisismus und den Deutschrömcrn cndet. Die-
ser gcschlossene, an dic Geschichte gebundcne Lchrgang
wird unmöglich auch nur in seinen ivcsentlichen Beispic-
len an das eigenc bildnerische Tun des Schülcrs anknüp-
fcn könncn, wie es dcr 2lbschnitt über das Zicl vorschrcibt,
und dicse Tatsache crschwcrt natürlich dic 2lusnahmc dcs
an sich für das Altcr sehr schwicrigcn Stoffcs bcträchtlich.
wcnn man dann wciter bcrücksichtigt, daß nur jc ;wei
wochcnstunden ;ur Verfügung stchen und dcr plan nebcn
 
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