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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

DOI Heft:
Heft 9 (September 1938)
DOI Artikel:
Reiher, Herbert: Das Naturstudium im Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0191

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17§

Das Naturstuöium

Lm ZeLchenunterricht

Von-^erbert Reiher

In der bildenden Runst ist alles richtig, was aus innerer
Anschauung heraus einheitlich gestaltet ist. Diese Erkennt»
nis muß Voraussetzung sein für jedes Naturstudium. Reine
Durchdringungsbilder und analytische Zerlegungen des Ge«
genstandes sollen geschaffen werden, sondern das LZatur«
objekt soll ;um künstlerischen Symbol werden. Nur wenn
wir der Vlatur mit Gestaltungsproblemen gegenübertreten,
kommen wir dahin, uns ein künstlerisches Ziel zu stecken.

In meinem Unterricht wird das Naturstudium in der
Mittel- und Obcrstufe sehr gepflegt. Ich wende mich aber
gegen Bestrebungen, die während dieser 2lltersstufe des
jungen Menschen das Naturstudium und Sachzeichnen im
Sinne zerpflückender Naturwiffenschaft an Stelle des „fan-
tasiemäßigen Gestaltens" setzen wollen. Es ist richtig,
daß die Tätigkeit der Schüler während der Entwicklungs-
jahre vorübergehend nachläßt. Die Ursache dazu liegt
aber nicht „im Absinken der künstlerischen Leistung". Im
Gegenteil, gerade in dieser Zeit regen sich im jungen Men-
schen kräftigere Antriebe, die seine willenskraft zum For-
men erhöhen. Es ist also nicht am Platze, die Schüler in
diesem 2llter weniger als sonst mit künstlerischen Gestal-
tungsproblemen ;u beschäftigen. Gerade das Beschäftigen
mit künstlerischen Dingen soll den durch einscitig natur-
wiffenschaftliche Bildung verursachten inneren Zwiespalt,
in dem der junge Mensch lebt, beseitigen helfen. Es ist
sehr günstigz die Schüler besonders während dieser Zeit
in ein inneres Verhältnis zur Erscheinung der Platur-
objekte ;u bringen, denn dieses Verhältnis ist die Guelle
jener Gestaltungsurkraft, die im jungen Menschen schlum«
mert.

Ich beginne jedes Naturstudium mit einem Spaziergang,
bei dem die Schüler allerlei pflanzen, Gräser und Bäume
betrachten. Die Rastanien stehen zuerst im Mittelpunkt
unserer Arbeit, weil sie durch Form und Aufbau beson-
ders gut den Gesamtzusammenhang der Dinge verraten.
Ieder Schüler betrachtet zunächst für st'ch allein die Bäume.
Vlach einiger Zeit besprechen wir gemeinsam, was wir be-
obachtet haben: Stämme und Aeste, die Anordnung der
Blüten und Blätter, Farben und Formen. Ein Zweig wird
abgemacht, so daß nun jeder Iunge Gelegenheit hat, stch
Blüten und Blätter im einzelnen genauer ;u betrachten.
Mir liegt besonders daran, auf solche kleinen, unschein-
baren Teile hinzuweisen, weil die Schüler aus dicscn Aps-
schnitten heraus besonders gut die Größe des Gesamtzu-
sammenhanges schauen lernen. Nach meiner Meinung er«
zicht diese Betrachtungsart und das Beschäftigen mit klei-
nen, unscheinbaren pflanzen und Gräsern gan; besondcrs
zum großen Sehen und zur Einfachheit im Gestalten.

Unterwegs zeige ich noch einige andere Beispiele, die
mir gceignet erscheinen, die Schüler mit dem Gestalten der
Rastanien vertraut ;u machen. Nachdem wir mit solchen
Betrachtungen draußen fast eine Stunde zugcbracht haben,
gchen wir in die Schule zurück und beginnen mit der
2lrbeit.

Die Iungen bekommen die Aufgabe gestellt, einen Rasta-
nienzweig ;u malen oder ;u zeichnen. Ie nach dem Alter
und der Begabung der Iungen werden die Zweige unmittel-
bar von der Natur oder aus dem Gedächtnis gezeichnet.

Um ;u einer cindriyglichen Verarbeitung dcs Platurein-
druckes zu gelangen, gcschieht das Arbeiten der Schüler
der 6. Rlaffe, die eben erst mit dem llZaturstudium begin-
nen, nicht unmittelbar nach dem Naturobjekt. Zu bcachten
ist dabei, daß die Schüler keine Gedächtniszeichnungen an-
fertigen sollen, die sich an den ersten besten Eindruck im
Gcdächtnis halten. Der wert dieser 2lrt;u arbeiten liegt

Dlaka^

Verlin.

Vorlagen und lllbungskelte
iür Kuntt- und klakatlckrM

V erlag für Sckriktkunde, Nelntze L vlanckertz,
perlin, l.elvriq, klüncken, l<öln_
 
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