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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

DOI Heft:
Heft 10 (Oktober1938)
DOI Artikel:
Böttcher, Robert: Musische Gymnasien ohne Berücksichtigung der Kunsterziehung?
DOI Artikel:
Winter, ...: Räumliches Darstellen aus der Vorstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0210

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täglich und stündlich vom deutschen Menschen ünd seiner
geele kündet, was durch seine ununterbrochene Auswirkung
auf uns selbst uns innerlich formt und was in Lausenden
und Abertausenden von Dildern der welt vom Dritten
Xeich und vom deutschen Menschen Zeugnis ablegt.

Deshalb sollte stch das Reichserziehungsministerium ent-
schließen, zugleich mit den in Frage stehenden Anstalten
Schulen ins Leben ;u rufen, die allen bildnerisch Begabten
von klein auf die rechte pflege angedeihen laffen. Und
wenn Wien berufen ist, zuerst ein Gymnasium mit der
Ausrichtung auf die Musik ;u besitzen, dann ist München
doch wohl, seiner Tradition entsprechend, verpflichtet, die
erste höhere Schule mit der Ausrichtung ;ur bildnerischen
Erziehung hin sein Eigen ;u nennen.

An;ustreben wäre aber, daß alle größeren Städte beide
Anstalten besitzen und schon bei der Anlage bedenken, daß
sie sich gegenseitig;u befruchten haben. So könnten beide
Schulen gemeinsam beispielhafte Feiern veranstalten, und
ihre enge Verbundenheit könnte endlich wieder auch nach
außen hin ;eigen, wie eng bildende Runst und Musik ;u-
sammengehören, wenn wirklich kulturell wertvolles ge-
schaffen werden soll.

Anmerkung: Der Verfaffer hat in seiner Eigen-
schaft als Reichssachbearbeiter bereits alles in die wege
geleitet, um möglichst bald auch diese pläne wirklichkeit
werden ;u laffen. Er bittet aber alle Amtsgenoffen in
großen Städten, auch von sich aus nach dieser Richtung hin
vor;ustoßen.

RäumlLches Darstellen aus der Vorstellung

Von Studienrat Winter-Ludwigsburg

Die Runster;iehung beruht auf der Erkenntnis: „Die
eigentriebigen Zeichenversuche des vorschulpflichtigen
Alters sind die natürlichen wur;cl, aus der alles bildhafte
Gestalten und Darstellen im Schulunterricht sich entwik-
kelt." Das Rind selbst ;eigt uns also den naturgcgebenen
Weg.

Dieser führt, wie der Fachmann heute weiß, nicht ;u
jener Darstellungsweise, die früher gerade;u Rernpunkt
und Inhalt jeglichen Zeichenunterrichts war und fast alle
Zeit und Rraft in Anspruch nahm, ohne jedoch ;u einem
wirklichen Erfolg ;u führen — ;ur Zentralperspektive.
Dicse Darstellungsweise kann die „künstliche" Bildsprache
genannt werden im Gegensatz ;ur natürlichen, wachsenden,
aus der inneren Vorstellung fließenden Bildsprache des
Menschen überhaupt. Sie erschließt sich nicht der kindlichen
Intuition, sondern muß dem Rind mühsam aufgedrängt
werden und wird nie als wesentlicher Bestandteil in seine
Vorstellung eingehen. Ia, wir haben festgestellt, daß im

wachstum der Bildsprache des Schülers gerade;u eine
Stockung eintritt, sobald;u früh;eitig mit perspektivischen
Uebungen begonnen wird. wo die räumliche wirkung
auf rein verstandesmäßige, konstruktive Art gewonnen
wird, wird die Einheit jeder Gestaltung gestört. Mannig-
fache Unterrichtsversuche bestätigen diese Erkenntnis durch-
aus. Nachdem nun festgestellt ist, daß der ;entralperspek-
tivischen Darstellungsweise tatsächlich wenig, ja gar keine
Bedeutung ;ukommt — weder Techniker noch Handwer-
ker wendet sie heute mehr an—, ist man da;u überge-

gangen, sie auf das Gebiet;u verweisen, wo sie wirkliche
Berechtigung hat. Heute sehen wir die perspektivische
Darstellung überall, wo man sich den Er;iehungsgrund-
sätzen der neuen Schule gegenüber verpflichtet fühlt, von
ihrem ehemaligen Herrschersitz in der Runsterziehung ab-
drängt.

Um so ernstec gehen nun aber die praktischen Versuche
dahin, eine Darstellungsweise ;u finden, die aus dec inne-
ren Anschauung des Schülers erwächst und klare, räumliche
Bilder ergibt, also das räumliche Vorstellen und Denkcn
;uchtvoll schult. Diese Art der Darstellung, die mit Ge-
stalten nichts ;u tun hat, entspricht etwa dem frühercn
parallelperspektivischen Zeichnen. Solches Arbeiten fällt dem
Schüler, wir wir täglich fcststellen können, leicht. Sie muß
ihm also nicht aufgezwungen werden, sondern ist natur-
gewachsen, weil sie ihm ;unächst nur als eine Fortsetzung
deffen erscheint, was er schon als Rind bei seinen eigen-
triebigen Zeichenversuchen tat, wenn er sich an Rörper-
lichem oder Räumlichem versuchte. Bei diesen Uebungen
wird also m i t dem jungen Menschen, nicht gegen ihn
gearbeitet.

Ein Bcsuch bei einem Architekten oder einem Handwer-
ker bestätigt unsere unterrichtlichen Erkenntniffe. Ueberall
 
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