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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 12 (Dezember 1938)
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Scherzer, Conrad: Volks- und heimatverbundene Handwerkskunst: Gedanken zur Ausmalung eines Schullandheim-Saales
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0247

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aus der näheren Heiinatlandschaft, das ihren Schonheits.
und Stimungswert ganz wesentlich bestimmt: das ge-
schloffen sich aufbauende Haufendorf. Es träumt als
Rodungsdorf inmitten seiner Ackerlandinsel und wird um-
blaut von den waldrändern der weiten Nadelforste. Sein
Erscheinungsbild ist gereinigt von allen unwesentlichen
Ncbenformen und Zufälligkeiten, ohne daß sich der Be-
schauer der Vereinfachungsarbeit bewußt wird. Es ist
pflanzcnhaft der Allmutter Erde verhaftet. Von den <vrts-
rändern her steigen die schnittigen, hochgiebeligen Häu-
sermaffcn mählich an bis zur krönenden Turmspitze der
Rirche. Es ist jenes Bauwerk, das in jedem fränkischen
Lirchdorf als seelisch-geistiger Mittelpunkt der Dorf-
bewohner zugleich fast immer auch der Mittel- und 'Zöhe-
punkt in der äußeren Erscheinung der Sicdlung ist.

Die erhöhte Bedeutung des Zeichnens in den neuen
Lehrplänen ist eine recht wichtige und ecfreuliche Errun-
genschaft. Die Auseinandersetzung mit den schönen Rün-
sten, die Beanspruchung des Auges, der Formen- und Far-
benwelt und der ursprünglichen Gestaltungskräfte bildet
in der Erziehung der deutschcn Iugend ein gesundes Ge-
gengcwicht zum bisher allzu cinseitig gepflegten Lernschul-
Betrieb. Diesen und ähnlichen Gedankengängen entsproß
die Gruppe der beiden zeichnenden Mädchen in
B.D.M.-Rluft, die vor der Landschaft mit Stift und
Block tätig dargestellt sind und die dartun sollen, daß
man derart seine Heimat tiefer erfühlt und erschaut, als
nur durch „wörtliche" ,Kinweise.

Das Gegenstück ;u voriger Gruppe bildet in ähnlicher
Umrißform eine alte und junge Föhre. Sie ist der
Haupt-Lharakterbaum der dortigen Reuper-Sandland-
schaft. Eine lustige Ticrgruppe unl< ein weiterer mit-
fühlender Hinweis auf gewiffc Schwächen lieber Mitmen.
schen, diesen und anderen ohnc weiteres ersichtlich, wurden
hier mit eingeflochten. Für kleine humoristische Dinge ist
ja — gottlob — die Mehrzahl der Menschen immer und
überall empfänglich und dankbar — also auch bei wand-
malercien.

Die Flächen zwischen den Fenstern an der gcgenübec-
licgenden Längsseite schmückcn wcitere Eharakterbäume
der Landschaftsumgebung: Fichte und Erle. Alle
Bäume weisen jeweils die in ihrer Gcmeinschaft und auf
ihrcm Boden gedcihenden Leitpflanzen auf — ein Hin-
wcis darauf, daß unser Naturkunde-Untcrricht nicht mehr
in trockener Systematik und Bcschreibung besteht, die uns
dic Natur inchr entsremdeten als näherbrachtcn, sondern
im 2luf;cigen der biologischen Lebensgemeinschaftcn, dcr
großen Zusammenhänge zwischcn Boden und pslanzen-
lcbcn. Bcim Erlcnmotiv ergab sich übcrdies noch Gclegcn-
hcit, auf dcn wichtigen lIaturschutzgcdanken anzuspielen
durch die Darstcllung seltener und geschützter pflanzen
(Seidelbast und Schneeglöckchen), wie sie in bcnachbarten
Erlenbrüchcn heimisch sind.

Die Bäume sind darübcr hinaus in ihrcn gan; ver-
schiedenen, charakteristischen wuchsformen, ihrem lockc-
rcn durchgezeichneten 2lufbau, dem 2lusgreifen ihres gc-
wundencn Astwerkes herausgestellt als Gcbilde mit höch-
stem Schmuckwert. Denken wir nur daran, was etwa
gotische Mäler und Teppichwirker oder Handwerker und
Volkskünstler aller Gattungen dereinst aus dem V7aturbild
eines Baumes in köstlichen Um- und Neuformungcn alles
schufen und werkten. Mit reichster phantasiebegabung
tausendfältig abgewandelt erscheint da allein schon der
Lebensbaum, die weltenesche, das Lebens- und Schick-
sals-Sinnbild unserer germanischen Vorfahren. Noch bis
in die neuere Zeit herein wird es in der Volkskunst im-
mer wieder auf Möbel, Schüffeln und Deller gemalt, in
allerlei Holzgegenstände und Druckmodeln geschnitzt, in
Stein gehauen oder in Eisen geschmiedet. Gibt es doch
keinen wahren Deutschen, der nicht in cinem besonders in-
nigcn Verhältnis ;u Blume und Baum, zum deutschcn
wald stünde, gibt cs doch keinen echt deutschen Maler,
der sich nicht gan; in das Zaubergcflecht scines geheimnis-
vollen Ast- und Blätterwerkes versenken würde.

Und so legte ich denn auch besonderen wert auf klare
und solide Zeichnung, damit das Formengefühl der Be-
schauer angeregt und für,den Zeichenunterricht besruchtcnd
und erzieherisch ausgewertet werden könnte. Es ergab sich
daraus gan; von selbst ein graphisch betontes Verfahren:
eine klare Pinsel-Umrißzeichnung in fahlbräunlichcm Holz-
ton und die Farbbehandlung in ziemlich zarten und ver-
laufenden Lasurtönen. Eine solche Tcchnik zwingt ;ur
absoluten Ehrlichkeit und Eindeutigkeit. Sie verträgt
kcine malerischen Flunkereien und billige Mätzchen. Rör-
pcrlich, aber doch randhaft und unausdringlich in der Ge-
samtstimmung, vermieden die Bilder cine ;u schwere uno
wuchtige wirkung. Sie wäre hier unangebracht gewesen.
Zudem hätte sie der mittelgroße Raum gar nicht ver-
tragen.

An der RUchenwand des Saalcs schließen sich sodaim
noch zwei figürliche Gruppen an; die eine stellt die gesundc,
lehrreiche und wirtschaftliche Arbeit im Gartcn dar.
Rm Zusammenhang mit dem Schullandheimbctrieb angc-
legt, wurde der Garten in die pflege der Schulklaffen ge-
geben. Den Abschluß bildet dann, dcn Halbtags- odcr
Tageslauf beschließend, die E s s e n t r ä g c r i n ncbcn
dcm gedcckten Disch. Sie hat sich dcr Gemeinschaft reihum
sorgend, schmückend und dicnend ;u widmcn. Dic Gat-
sache der ewig hungrigen und crstaunlich leistungsfähigcn
Mägen wird zudem durch den atzendcn Singvogcl am
Ncst über dec Durchreiche gckcnnzcichnet.

Als weitere Aufgabc steht die Ausmalung des anschlic-
ßcndcn Lehrsaales bevor. Sie soll andersartig gclöst wcr-
den nach Stoff und Ausführung, da es uns dort um crn-
stcrc Gehalte und cinc getragcnere Stimmung gcht.

Ein Volk ohiie artgemaße D;Ullst ist em Leib oh»le Seele. Eiir Volk, das
keüle HiUilst besitzt und keine Aunst erstrebt, hat den Gi»nl sernes Daseills
überhaupt versehlt. Gtreichen wir die deutsche Kuilst, so streichen wir auch
das deutsche Volk, weil wir senle Geele verilichtet habeil. — IXmlst ist die
Gprache zwischen ^immel und Erde, das Bnldcglied zwischeil Bergang-
lichkeit und Ewigkeit. Vzunst ist letzten Endes nichts weiter als der Ausdruck
der Gehnsucht des Bolkcs, naber an die Ewigkcit beranzukonlnlen! D;unst
berubt aus (Horresjehnjucht. Scheimn
 
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