Kunst der Nation
5
Otto Niemeyer-Holstein, Männliches Bildnis
den Stier von Wittenberg" bekommt. Selbst
große Zeitschriftsteller nahmen gegen Luther Stel-
lung, wie Thomas Murner in seinem Buch „Von
dem großen lutherischen Narren, wie ihn Doktor
Murner beschworen hat".
Erst wenn man die Figuren Ulrich von
Huttens, Franz von Sickingens und Bundschuhs
einbezieht, bekommt man ein lebendiges Bild aus
der Lutherzeit. Ein solches zu vermitteln müßte
heute die Aufgabe einer Lutherausstellung sein.
In der Ausstellung in der Staatsbibliothek, die
nur Bibelausgaben, Katechismen und Lieder-
bücher zeigt, kommt es einem deutlich zum Be-
wußtsein, wie stark das Bedürfnis nach dem illu-
strierten Buche war. Fast alle Bibelausgaben
sind mit Holzschnitten und kolorierten Bildern ver-
sehen. Cranach der Jüngere lieferte einfallsreiche
Muster. Die Umrahmung und Titelausstattung
trägt allerdings meist schablonenmäßigen südlichen
Renaissancecharakter. Unter den handkolorierten
Bildern findet sich aber echte deutsche Kunst. Das
gedruckte Buch war lange noch nach Gutenbergs
Erfindung nur Ersatz für das handgeschriebene.
Daher das Verlangen nach dem farbigen Bild,
das auch dem des Lesens nicht Kundigen den In-
halt vermittelte. Die Bedeutung der Lutherschen
Bibelübersetzung wird einem bewußt, wenn man
Luthers Sprachschöpfung und dichterisch freie
Übersetzung mit anderen interlinearen, geist- und
ausdruckslosen vergleicht, die ausgestellt sind. Vor
allem sicht man eindrucksvoll an den nieder-
deutschen und Dialektübersehungen die Bedeutung,
die Luther für die kulturelle Einigung der deut-
schen Stämme hatte. Lotbkrisä Nüllar
Geschichtssälschung
Zn einem Beitrag zum Znsclaimanach 1034 glaubt sich
Karl Scheffler zu einer Ehrenrettung Karls des
Sachsenschlächters und zugleich damit zu einer Rechtfertigung
des Einbruchs der Mittelmeerkulturen in den nordischen
Raum verpflichtet. Dabei versteigt er sich zu so ungeheuer-
lichen Entstellungen von sicheren Erkenntnissen der kultur-
geschichtlichen Forschung, daß man nicht mehr an eine gut-
gläubige, wenn schon einseitige, Auffassung eines ver-
alteten Fachwissens glauben kann! Offensichtlich liegt hier
Or. OoebbeiL Uävarä Nunoli:
bickvarck Nunebs IVorks, norcllsell-Asi'MLni-
scller Lrcls entsprossen, recken 2U inir vorn
lösten Lrnst ckss liebens. Leins Lilcksr, sorvolll
ckis Imnckselratt als ouell ckie Vorstellung- von
Msnselrsn, sinck von tistsr vsicksnselratt srtüllt.
Munsir ringt ckanaelr, ckis dlatur in ilrrsr Wollr-
lrattiglcsit 2U srtasssn nnck sis unter rüslcsielrts-
lossr Veraelrtung nilss ^kacksmiselr-vorrnalsn
irn Silcks tsstLulraltsn. -4.1s lcrattvoller, sigsn-
-rvilligsr Leist — Lrbs norckiseüer dlatur —
inaellt er sieb von sscksrn dlaturalisrnus trsi unck
greift öurüeü nut ckis evigsn Lruncklagsn völ-
Icisellsn Lunstssliaffsns.
80 ssbs icll Nuncks 4Vsrlcs unck sntbists cksrn
groksn norckisebsn Lünstlsr narnsns äsr cksut-
selrsn Lünstlsrsebaft ltsr^Iicbe 4Vünselrs LU
ssinsrn 70. Lsburtstag.
vielmehr eine bemühte Herabsetzung unserer germanischen
Vorfahren vor, und das fast ein Zahr nach dem Sieg
unserer Revolution!
Nachdem der Verfasser Karl den „Groben" als den ge-
nialen Außenseiter der Kunst in Parallele zum Führer (ohne
ihn zu nennen) und zu anderen Außenseitern, die Geschichte
machten, gestellt hat, sagt er von dem Frankenkaiser:
„. . . . weil eine selbständig sich steigernde Kultur in
ihm seinen Anfang nahm, nachdem es ihm gelang, aus einem
nur ethnographisch zu wertenden Stammesgemisch eine ge-
schichtlichen Gesetzen gehorchende Nation zu machen! —"
Es ist immerhin bemerkenswert, daß dieses „ethno-
graphische Stammesgemisch" den vom Autor so geschätzten
Mittelmeerkulturen vor dem Einzug des Erleuchters Karl
recht erhebliche Sorgen bereitete und das Imperium ver-
schiedentlich bedenklich ins Wanken brachte! — Von rühren-
dem Wohlwollen beseelt sind Schefflers Feststellungen, als
er sich dem eigentlichen Gegenstand der Betrachtung zuwendct:
Gemälde — Madonna!
Wir suchen ein Madonnenbild von gutem,
bekanntem Meister. Eilangebote m. Photo.
Goethe-Buchhandlung
Purlih Si Co., Bremerhaven
„Vor der Regierungszelt Karls haben die Deutschen von
einer Baukunst und von anderen untrennbar damit ver-
bundenen Kulturgütern nichts gewußt. Bis zum Ende des
8. Jahrhunderts haben sie nicht architektonisch empfunden.
Ihre Gottheiten lebten im Walde, es waren Nomadengötter,
ihre Fürsten waren Häuptlinge noch nicht seßhaft gewordener
Stämme. Jene brauchten nicht den Tempel und diese nicht
den Palast. Es gab wenig mehr als eine primitive Ver-
zierungskunst, und darin kam ein Hang zur Abstraktion, eine
Abkehr von dem Naturvorbild zum Ausdruck. Das Eigen-
tümliche sind lineare Ornamente, in denen Naturmotive bis
zum Runenhaften verwandelt werden. Der alte Götter-
glaube blieb gestaltlos; skulptural (Gott, wie schön! D. Red.)
wurde er nicht einmal in primitiven Götzenbildern fest-
gehalten."
Damit stellt Scheffler die Germanen unter jeden Neger-
stamm, der mit Fetischen seine Ängste vor den unsichtbaren
Gewalten beruhigt. Der Verfasser muß wissen, und weiß
es auch sehr genau, daß der germanische Eötterglaube über
so „primitive" Bedürfnisse roher Formgebung erhaben war,
daß er ihrer nicht bedurfte. Seine „Primitivität" der linear-
abstrakten Schmuckschöpfung, wie sie Scheffler herablassend
nennt, ist Vollendung, ist Verzicht auf die begrenzte Körper-
form, um im Unbegrenzten das körperlich Unfaßbare zu sagen.
Dadurch eben begegneten die Germanen der Gefahr, die
Sichtbarmachung des Ewig-Göttlichen zum Götzenbild ab-
gleiten zu lassen.
Die Behauptung, daß die germanischen Stämme Nomaden-
stämme gewesen seien, ohne Aar und Halm, ewig auf Suche
nach neuen Weide- und Jagdplätzen, ist so dumm, daß jeder
Tertianer, der seinen Julius Caesar gelesen hat, sie wider-
legen könnte. Auch soll, sicherem Vernehmen nach, ein ge-
wisser Tacitus, Historiker des kaiserlichen Rom, ziemlich zu-
verlässig über Land und Leute Germaniens berichtet haben.
Herr Scheffler stellt fest, daß selbst die Baukunst der
Römer bei den Deutschen wenig Anerkennung fand:
„Die Bewohner Germaniens müssen den antiken Bauten,
den fremden Trachten und Gewohnheiten mit einem dumpf
ablehnenden Staunen gegenübergestanden haben. Wie Halb-
wilde ihre Eroberer und Unterdrücker anstarren, ohne Ehr-
geiz und Nachahmungstrieb."
Etwa wie Basutos und Hottentotten!
„Die frühchristliche Kunst war arm im Vergleich zur
antiken Kunst (der römischen Legionen); die neuen mageren
Formen aber sprachen wieder unmittelbar, sie waren vom
Gefühl beseelt. Und sie wirkten um so eindringlicher, als
ein orientalischer Einschlag hinzukam, der . . jawohl, der
uns gerade noch gefehlt hatte! Hier kommt das Licht in
die düsteren Wälder und Hirne Germaniens — aus dem
Orient.
Es ist klar, der Hausprophet des Verlags Cassirer kann
aus seiner Haut nicht heraus! — Also nun wissen wir's,
Otto Niemeyer-Holstein (geb. 1896)
der Orient!! Karl Scheffler — „Kulturmensch", der „Ge-
schichte von Volkskunde trennt" und sich so vom „Barbaren"
vorteilhaft unterscheidet, wie er selbst diese beiden Entwick-
lungsstufen kennzeichnet — ist der Ansicht, daß mit dem von
ihm gepriesenen Eklektizismus die Kulturgeschichte beginnt.
Er trauert darüber, daß das Talent des Deutschen in
allem Künstlerischen und darüber hinaus nicht eigentlich
Initiative hat; es ist mehr rezeptiv als spontan. Die Deut-
schen sind nicht so sehr Aufspürer, als vielmehr Vertiefer, sie
können lichterloh brennen, aber erst, wenn ein fremdes
Streichholz gezündet hat. Die Deutschen sind, um ein Wort
Schillers zu gebrauchen, ein langsames Volk.
Jawohl, das sind sie, aber nicht so „langsam", dumpf ab-
lehnend, mit Staunen gegenüber stehend, wie Halbwilde ihre
Eroberer und Unterdrücker anstarrend, daß sie gewillt wären,
einen so anmaßenden Ton zu dulden, sich es weiterhin, als
ob nichts geschehen wäre, gefallen zu lassen, daß man unter
dem Schutz eines immerhin angesehenen Verlages das Bild
unserer Vorfahren verfälscht. Wir verbitten uns mit aller
Entschiedenheit eine Eeschichtsklitterung, die mit geölten
Sätzen eine kulturelle These vertritt, die wir bekämpfen,
weil ihre maßlose Überbewertung der orientalischen und an-
tiken Einflüsse hinreichend Schaden gestiftet hat. Denn erst
heute ist es uns möglich, ein einwandfreies Bild unserer
Vorfahren zu erhalten, nachdem es von dem Unrat, mit dem
es von mönchisch-fränkisch-römischen Pinseln übertüncht war,
befreit wird. —
Über ein Jahrtausend hat uns eine römisch bestimmte
Geschichtsschreibung unsere Vorfahren als Menschen niederer
Gesittung vorgeführt, zu denen sich die Boten des Westens
und Südens erbarmend herabneigten. Herr Scheffler fühlt
sich als letzter Barde dieser Schule!
Ein Emigrant auf deutschem Boden!
U. kl. k o 6 ck 6 r 6 r
Otto Niemeyer - Holstein
Zur Ausstellung in der Galerie
Nierendorf, Berlin
Ein Maler, dessen Schassen im guten Sinne
Zeitnähe erkennen läßt, ist der in Berlin lebende
Otto Nie meyer-Hol st ein. Ob wir Land-
schaften oder Bildnisse sehen, immer besticht zuerst
das Talent zur Einfühlung. Niemeyers Porträts
dringen ein in das Wesen der Persönlichkeit, sie
suchen betont das Seelische. Dabei wird Niemeyer
nicht zum Expressionisten, der mit leidenschaftlicher
Gebärde seine Kunst einzig auf Ausdruck stellt. Die
reale Wirklichkeit ist diesem Künstler immer Aus-
gangspunkt, aber der Maler bleibt nicht an der
Oberfläche der Erscheinung, er geht nicht allein
dem Licht und dem Schatten nach.
Einer rein impressionistischen Gestaltungsweise
Zum Tode
Stefan Georges
Als im Anfang der neunziger Jahre der aus
altem hessischen Bauerngeschlecht stammende Dich-
ter in einem kleinen Kreise gleichgesinnter
Freunde zum erstenmal hervortrat, sah er sich
dem dichterischen Verfall einer naturalistisch-
materialistischen Zeit gegenüber. In dieser
Situation schloß er sich als Führer seiner Gruppe
in kompromißloser Vereinzelung von seinen Zeit-
genossen ab und ging ernsthaft seinen Weg.
Er forderte wieder das Gesetz der Kunst für
Sprache und Dichtung. Sein Streben war ent-
gegen der „leichtfertigen und zerfahrenen Weise,
die damals im Schwung war" auf unbedingte
Reinheit der Form und des Stoffes gerichtet. Die
Zucht und die Reinheit, die er von der Dichtung
forderte, wurde ihm selber Lebensprinzip. Nach
den 1899 erschienenen Büchern der Hirten- und
Preisgedichte, der Sagen und Sänge und der
Hängenden Gärten, in denen die Welt der Antike
und des christlichen Mittelalters lebendig wird,
und nach der Vollendung des herrlichen Gedicht-
bandes „Jahr der Seele" fühlte Stefan George
seine dichterische Mission immer klarer. Als Ge-
stalter und Prophet einer neuen Zeit begann er
zu wirken. Er wandte sich gegen die innere Ver-
elendung und Mechanisierung des Lebens, gegen
die Willensschwachheit und die Zersetzung.
Je mehr er zum anklagenden Dante seines
Zeitalters wurde, desto höheres Recht erstand dem
Was, das er vorzutragen hatte. Im „Stern des
Bundes" verkündete Stefan George sein geistiges
und sittliches Gesetz. In erzgehämmerten Versen
spornte er die Jugend zum Heroismus der
Tat an:
„Auf neue Tafeln schreibt der neue Stand:
Laßt Greise des erworbnen Guts sich freuen,
Das ferne Wettern reicht nicht an ihr Ohr.
Doch alle Jugend sollt ihr Sklaven nennen
Die heut mit Weichen Klängen sich betäubt
Mit Rosenketten überm Abgrund tändelt.
Ihr sollt das Morsche aus dem Munde spein,
Ihr sollt den Dolch im Lorbeerstrauße tragen
Gemäß in Schritt und Klang der nahen Wal."
stellt Niemeyer seine verinnerlichte, romantisch be-
tonte Art entgegen.
Ein Glaube trägt diese Kunst, ein Glaube,
der weitab steht vom Intellektuellen, vom Kon-
struktiven und Absonderlichen. Nicht im Stoff-
lichen, im Sichtbaren erschöpft sich die Welt für die
junge Kunst. Sie sucht das Ausdrucksmäßige, aber
sie hat diesem Innen nicht das Außen geopfert,
dem Gehalt nicht die klare Form.
bi. (irioditxseb
Anekdoten
Munch
Der große norwegische Maler saß in den neunziger
Jahren in Berlin in einer kleinen Weinstube Unter den
Linden, die Strindberg entdeckt hatte und bald ein Ver-
sammlungsort sür eine Menge jüngerer Schriftsteller und
Künstler wurde, manchmal mit Strindberg und Dehmel,
Hartleben und dem Polen Przybyszewski, Leistikow, Holger,
Drachmann, Gunnar, Heiberg und Christian Krogh zu-
sammen. Oft konnte er auch nicht kommen, denn es ging
ihm nicht sonderlich gut. Besaß er gar kein Geld mehr,
hielt er sich in seinem kleinen Hotel aus, an kalten Tagen
im Bett, dort zu zeichnen, zu lesen und zu schreiben. Als er
einmal das Pech hatte, Tinte
über die Bettdecke zu gießen,
ließ er sie trocknen, malte
dann mit Ölfarben die roten
und weißen Karrees genau nach
und wechselte schleunigst sein
Domizil.
Trübncr
Im Jahre 1912 hatte der
Worpsweder Vinnen eine Pro-
testschrift gegen die französische
Kunst «erfaßt. Ealeriedirek-
toren wurden angegriffen, weil
sie „flüchtige Skizzen" und
„Atelierreste" von Van Gogh
und Lezanns, schlechte Bilder
von Manet und Renoir für
horrende Summen gekauft hät-
ten. Unter der großen Anzahl
von Unterschriften der Leo
Putz, Franz von Stuck usw.
sand man auch Wilhelm Trllb-
ner: „Ich stimme voll und ganz
ihrem Proteste zu!" Kurz
darauf erschien von Berlin aus
ein Eegenprotest. Auch hier
war Trübner mit einer Kor-
rektur seines ersten Stand-
punktes vertreten. Als im Cafe
die Rede auf diesen Doppel-
protest kam, meinte er harm-
los: „Ja, wisse Sie, wie ich
den ersten Protest gelese hab,
hat er mir ganz gut gefalle, und da hab ich ihn unter-
schriebe: «ls mir aber die Berliner Herre ihren Protest
geschickt haben, da hat mir der noch besser gefalle und da
hab ich den auch unterschriebe!"
Trübner saß mit einigen seiner Schüler und einem
Kunsthistoriker im Cafe. Der Kunsthistoriker überschüttete
Trübner mit einer ungeheuren, durch philosophische und
literarische Phrasen verbrämten Definition des künstlerischen
Schaffens im allgemeinen und des Trllbnerschen im besonde-
ren, redete von Schafsensrausch und -drang, von Mystik und
Dämonie und schließlich von der neuen Monumentalität der
Trllbnerschen Fürstenbilder. Trübner hörte schweigend und
aufmerksam zu und meinte zum Schluß: „Ja, wisse Ss, bei
dene Reiterbilder, da kommt's nur draus an, daß mer de
Sitz richtig trifft, wie der Mann auf dem (Jaul sitzt. Wann
mer des hat, dann malt sich das andere von selbscht!"
Aufrichtigkeiten
Eines Tages kam der alte Eckermann — dessen Sohn
Karl bei Preller in Weimar lernte — zu dem Maler, die
Brust geschwellt, ein Gemälde seines Sohnes unterm Arm,
das Gänse Larstellte.
„Ganz gut", antwortete Preller, „aber gebraten wären
sie besser."
„Das verstehe ich, Herr Professor", erwiderte darauf
der Alte. „Ihre Bäume hätte ich ja auch lieber im Ofen."
Die Menge
Als Roll sein großes Bild „Die Arbeit" ausstellte, auf
dem fünfzig Figuren zu sehen sind, sagte Degas:
Jli einem anderen Gedicht ans dem „Stern
des Bundes heißt es:
„Hat euch ein Wahn umstrickt und ihr wacht auf
Uud könnt dem Licht nicht frank entgegensehn:
So lernt von Helden euch ins Schwert zu stürzen.
Habt ihr im kleinen gegen euresgleichen
Gefehlt — so geht und sühnet stumm mit Tat."
Beseelt von seiner dichterischen Mission und er-
füllt von einem unerschütterlichen Willen ist
Stefan George zielbewußt durch das Chaos der
Nachkriegsjahre hindurch in jene Höhen vor-
gedrungen, von denen herab er als Führer und
Diener seines Volkes zuletzt noch sein Lebenswerk
„Das Neue Reich" sich erfüllen sah, das er in
den Versen prophezeite:
„Der Sänger aber sorgt in Trauer-Läuften,
Daß nicht das Mark verfault, der Keim erstickt.
Er schürt die heilige Glut, die überspringt
Und sich die Leiber formt, er holt aus Büchern
Der Ahnen die Verheißung, die nicht trügt
Daß, die erkoren sind zum höchsten Ziel
Zuerst durch tiefste Öden ziehn, daß einst
Des Erdteils Herz die Welt erretten soll . . .
Und wenn im schlimmsten Jammer letzte
Hoffnung
Zu löschen droht: so sichtet schon sein Äug'
Die lichtere Zukunft. Ihm wuchs schon heran
Unangetastet von dem geilen Markt
Von dünnem Hirngeweb und giftigem Flitter
Gestählt im Banne der verruchten Jahre
Ein jung Geschlecht, das wieder Mensch und
Ding
Mit echten Maßen mißt, das schön und ernst
Froh seiner Einzigkeit, vor Fremden stolz,
Sich gleich entfernt von Klippen dreisten Dünkels
Wie seichtem Sumpf erlog'ner Brüderei,
Das von sich spie, was mürb und feig und lau,
Das aus geweihtem Träumen Tun und Dulden
Den einzigen, der hilft, den Mann gebiert . . .
Der sprengt die Ketten, fegt auf Trümmer-
stätten
Die Ordnung, geißelt die Berlanfnen heim
Ins ewige Recht, wo Großes wiederum groß ist
Herr wiederum Herr, Zucht wiederum Zucht er
heftet
Das wahre Sinnbild auf das völkische Banner,
Er führt durch Sturm und grausige Signale
Des Frührots seiner treuen Schar zum Werk
Des wachen Tags und Pflanzt das Neue Reich."
Lellsrtlsin
„Das Bild ist verfehlt. Man stellt eine Menge nicht
mit fünfzig Figuren dar; man stellt eine Menge mit fünf
Figuren dar."
Aus der „Piratenromanze" von Ferdinand Freiligrath
Auf dem Decke der Eabarre
Liegt der Scheit der Christenhunde,
Die erloschene Zigarre
Von Havanna in dem Munde.
Oh, wohl mochte die Zigarre,
Kastilianer, dir verglimmen,
Da du hörtest zur Gitarre
Die holdseligste der Stimmen.
Angetan mit welscher Seide
Und mit Tüchern von Hoangho,
Tanzt Juana, deine Freude,
Mit dem Bootsmann den Fandango . . .
Not ohne Kommentar
Das erschütternde Resultat der 3. Großen
Leipziger Kunstausstellung ist, daß (abgesehen von
einigen Ankäufen des Staates) von ungefähr
700 Werken nur ein einziges ver-
kauft wurde! Der Käufer stammte aus Merse-
burg! Die Preise waren, von 5 M. aufwärts,
der Zeit angepaßt. IV. L.
Deutsche Gesellschaft sür Goldschmiedekunst
zur Erlangung wertvoller Goldschmiedearbeiten
Aufgabe: Ein Städteteller (Schauteller) mit gra-
viertem oder geschnittenem Städtewappen. Der Teller
mutz handgearbeitet sein. Sein Durchmesser soll 30 am be-
tragen. Als Material muh v2s/g<)y Silber verwendet werden.
Die Tiefe des Tellers, die Breite des Tellerrandes und
dessen Behandlung sind freigestellt. Die Arbeit muß das
Werkzeichen des ausführenden Goldschmiedes oder der Werk-
statt tragen.
Ablieferungstermin: 20. Januar 1934 unter
Kennwort an die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft
für Goldschmiedekunst, Berlin SW 19, Jerusalemer Str. 25.
Postsendungen sind frei zu machen, einschliehlich Bestellgeld.
Für Rücksendung der nicht prämiierten oder nicht angekauften
Teller ist für Nichtmitglieder der Gesellschaft ein Betrag von
RM 3,— miteinzusenden.
Nähere Auskunft erteilt unter Beifügung von Rückporto
die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Gold-
schmiedekunst, Berlin SW 19, Jerusalemer Str. 25.
Otto Niemeyer-Holstein, Dreschmaschine
5
Otto Niemeyer-Holstein, Männliches Bildnis
den Stier von Wittenberg" bekommt. Selbst
große Zeitschriftsteller nahmen gegen Luther Stel-
lung, wie Thomas Murner in seinem Buch „Von
dem großen lutherischen Narren, wie ihn Doktor
Murner beschworen hat".
Erst wenn man die Figuren Ulrich von
Huttens, Franz von Sickingens und Bundschuhs
einbezieht, bekommt man ein lebendiges Bild aus
der Lutherzeit. Ein solches zu vermitteln müßte
heute die Aufgabe einer Lutherausstellung sein.
In der Ausstellung in der Staatsbibliothek, die
nur Bibelausgaben, Katechismen und Lieder-
bücher zeigt, kommt es einem deutlich zum Be-
wußtsein, wie stark das Bedürfnis nach dem illu-
strierten Buche war. Fast alle Bibelausgaben
sind mit Holzschnitten und kolorierten Bildern ver-
sehen. Cranach der Jüngere lieferte einfallsreiche
Muster. Die Umrahmung und Titelausstattung
trägt allerdings meist schablonenmäßigen südlichen
Renaissancecharakter. Unter den handkolorierten
Bildern findet sich aber echte deutsche Kunst. Das
gedruckte Buch war lange noch nach Gutenbergs
Erfindung nur Ersatz für das handgeschriebene.
Daher das Verlangen nach dem farbigen Bild,
das auch dem des Lesens nicht Kundigen den In-
halt vermittelte. Die Bedeutung der Lutherschen
Bibelübersetzung wird einem bewußt, wenn man
Luthers Sprachschöpfung und dichterisch freie
Übersetzung mit anderen interlinearen, geist- und
ausdruckslosen vergleicht, die ausgestellt sind. Vor
allem sicht man eindrucksvoll an den nieder-
deutschen und Dialektübersehungen die Bedeutung,
die Luther für die kulturelle Einigung der deut-
schen Stämme hatte. Lotbkrisä Nüllar
Geschichtssälschung
Zn einem Beitrag zum Znsclaimanach 1034 glaubt sich
Karl Scheffler zu einer Ehrenrettung Karls des
Sachsenschlächters und zugleich damit zu einer Rechtfertigung
des Einbruchs der Mittelmeerkulturen in den nordischen
Raum verpflichtet. Dabei versteigt er sich zu so ungeheuer-
lichen Entstellungen von sicheren Erkenntnissen der kultur-
geschichtlichen Forschung, daß man nicht mehr an eine gut-
gläubige, wenn schon einseitige, Auffassung eines ver-
alteten Fachwissens glauben kann! Offensichtlich liegt hier
Or. OoebbeiL Uävarä Nunoli:
bickvarck Nunebs IVorks, norcllsell-Asi'MLni-
scller Lrcls entsprossen, recken 2U inir vorn
lösten Lrnst ckss liebens. Leins Lilcksr, sorvolll
ckis Imnckselratt als ouell ckie Vorstellung- von
Msnselrsn, sinck von tistsr vsicksnselratt srtüllt.
Munsir ringt ckanaelr, ckis dlatur in ilrrsr Wollr-
lrattiglcsit 2U srtasssn nnck sis unter rüslcsielrts-
lossr Veraelrtung nilss ^kacksmiselr-vorrnalsn
irn Silcks tsstLulraltsn. -4.1s lcrattvoller, sigsn-
-rvilligsr Leist — Lrbs norckiseüer dlatur —
inaellt er sieb von sscksrn dlaturalisrnus trsi unck
greift öurüeü nut ckis evigsn Lruncklagsn völ-
Icisellsn Lunstssliaffsns.
80 ssbs icll Nuncks 4Vsrlcs unck sntbists cksrn
groksn norckisebsn Lünstlsr narnsns äsr cksut-
selrsn Lünstlsrsebaft ltsr^Iicbe 4Vünselrs LU
ssinsrn 70. Lsburtstag.
vielmehr eine bemühte Herabsetzung unserer germanischen
Vorfahren vor, und das fast ein Zahr nach dem Sieg
unserer Revolution!
Nachdem der Verfasser Karl den „Groben" als den ge-
nialen Außenseiter der Kunst in Parallele zum Führer (ohne
ihn zu nennen) und zu anderen Außenseitern, die Geschichte
machten, gestellt hat, sagt er von dem Frankenkaiser:
„. . . . weil eine selbständig sich steigernde Kultur in
ihm seinen Anfang nahm, nachdem es ihm gelang, aus einem
nur ethnographisch zu wertenden Stammesgemisch eine ge-
schichtlichen Gesetzen gehorchende Nation zu machen! —"
Es ist immerhin bemerkenswert, daß dieses „ethno-
graphische Stammesgemisch" den vom Autor so geschätzten
Mittelmeerkulturen vor dem Einzug des Erleuchters Karl
recht erhebliche Sorgen bereitete und das Imperium ver-
schiedentlich bedenklich ins Wanken brachte! — Von rühren-
dem Wohlwollen beseelt sind Schefflers Feststellungen, als
er sich dem eigentlichen Gegenstand der Betrachtung zuwendct:
Gemälde — Madonna!
Wir suchen ein Madonnenbild von gutem,
bekanntem Meister. Eilangebote m. Photo.
Goethe-Buchhandlung
Purlih Si Co., Bremerhaven
„Vor der Regierungszelt Karls haben die Deutschen von
einer Baukunst und von anderen untrennbar damit ver-
bundenen Kulturgütern nichts gewußt. Bis zum Ende des
8. Jahrhunderts haben sie nicht architektonisch empfunden.
Ihre Gottheiten lebten im Walde, es waren Nomadengötter,
ihre Fürsten waren Häuptlinge noch nicht seßhaft gewordener
Stämme. Jene brauchten nicht den Tempel und diese nicht
den Palast. Es gab wenig mehr als eine primitive Ver-
zierungskunst, und darin kam ein Hang zur Abstraktion, eine
Abkehr von dem Naturvorbild zum Ausdruck. Das Eigen-
tümliche sind lineare Ornamente, in denen Naturmotive bis
zum Runenhaften verwandelt werden. Der alte Götter-
glaube blieb gestaltlos; skulptural (Gott, wie schön! D. Red.)
wurde er nicht einmal in primitiven Götzenbildern fest-
gehalten."
Damit stellt Scheffler die Germanen unter jeden Neger-
stamm, der mit Fetischen seine Ängste vor den unsichtbaren
Gewalten beruhigt. Der Verfasser muß wissen, und weiß
es auch sehr genau, daß der germanische Eötterglaube über
so „primitive" Bedürfnisse roher Formgebung erhaben war,
daß er ihrer nicht bedurfte. Seine „Primitivität" der linear-
abstrakten Schmuckschöpfung, wie sie Scheffler herablassend
nennt, ist Vollendung, ist Verzicht auf die begrenzte Körper-
form, um im Unbegrenzten das körperlich Unfaßbare zu sagen.
Dadurch eben begegneten die Germanen der Gefahr, die
Sichtbarmachung des Ewig-Göttlichen zum Götzenbild ab-
gleiten zu lassen.
Die Behauptung, daß die germanischen Stämme Nomaden-
stämme gewesen seien, ohne Aar und Halm, ewig auf Suche
nach neuen Weide- und Jagdplätzen, ist so dumm, daß jeder
Tertianer, der seinen Julius Caesar gelesen hat, sie wider-
legen könnte. Auch soll, sicherem Vernehmen nach, ein ge-
wisser Tacitus, Historiker des kaiserlichen Rom, ziemlich zu-
verlässig über Land und Leute Germaniens berichtet haben.
Herr Scheffler stellt fest, daß selbst die Baukunst der
Römer bei den Deutschen wenig Anerkennung fand:
„Die Bewohner Germaniens müssen den antiken Bauten,
den fremden Trachten und Gewohnheiten mit einem dumpf
ablehnenden Staunen gegenübergestanden haben. Wie Halb-
wilde ihre Eroberer und Unterdrücker anstarren, ohne Ehr-
geiz und Nachahmungstrieb."
Etwa wie Basutos und Hottentotten!
„Die frühchristliche Kunst war arm im Vergleich zur
antiken Kunst (der römischen Legionen); die neuen mageren
Formen aber sprachen wieder unmittelbar, sie waren vom
Gefühl beseelt. Und sie wirkten um so eindringlicher, als
ein orientalischer Einschlag hinzukam, der . . jawohl, der
uns gerade noch gefehlt hatte! Hier kommt das Licht in
die düsteren Wälder und Hirne Germaniens — aus dem
Orient.
Es ist klar, der Hausprophet des Verlags Cassirer kann
aus seiner Haut nicht heraus! — Also nun wissen wir's,
Otto Niemeyer-Holstein (geb. 1896)
der Orient!! Karl Scheffler — „Kulturmensch", der „Ge-
schichte von Volkskunde trennt" und sich so vom „Barbaren"
vorteilhaft unterscheidet, wie er selbst diese beiden Entwick-
lungsstufen kennzeichnet — ist der Ansicht, daß mit dem von
ihm gepriesenen Eklektizismus die Kulturgeschichte beginnt.
Er trauert darüber, daß das Talent des Deutschen in
allem Künstlerischen und darüber hinaus nicht eigentlich
Initiative hat; es ist mehr rezeptiv als spontan. Die Deut-
schen sind nicht so sehr Aufspürer, als vielmehr Vertiefer, sie
können lichterloh brennen, aber erst, wenn ein fremdes
Streichholz gezündet hat. Die Deutschen sind, um ein Wort
Schillers zu gebrauchen, ein langsames Volk.
Jawohl, das sind sie, aber nicht so „langsam", dumpf ab-
lehnend, mit Staunen gegenüber stehend, wie Halbwilde ihre
Eroberer und Unterdrücker anstarrend, daß sie gewillt wären,
einen so anmaßenden Ton zu dulden, sich es weiterhin, als
ob nichts geschehen wäre, gefallen zu lassen, daß man unter
dem Schutz eines immerhin angesehenen Verlages das Bild
unserer Vorfahren verfälscht. Wir verbitten uns mit aller
Entschiedenheit eine Eeschichtsklitterung, die mit geölten
Sätzen eine kulturelle These vertritt, die wir bekämpfen,
weil ihre maßlose Überbewertung der orientalischen und an-
tiken Einflüsse hinreichend Schaden gestiftet hat. Denn erst
heute ist es uns möglich, ein einwandfreies Bild unserer
Vorfahren zu erhalten, nachdem es von dem Unrat, mit dem
es von mönchisch-fränkisch-römischen Pinseln übertüncht war,
befreit wird. —
Über ein Jahrtausend hat uns eine römisch bestimmte
Geschichtsschreibung unsere Vorfahren als Menschen niederer
Gesittung vorgeführt, zu denen sich die Boten des Westens
und Südens erbarmend herabneigten. Herr Scheffler fühlt
sich als letzter Barde dieser Schule!
Ein Emigrant auf deutschem Boden!
U. kl. k o 6 ck 6 r 6 r
Otto Niemeyer - Holstein
Zur Ausstellung in der Galerie
Nierendorf, Berlin
Ein Maler, dessen Schassen im guten Sinne
Zeitnähe erkennen läßt, ist der in Berlin lebende
Otto Nie meyer-Hol st ein. Ob wir Land-
schaften oder Bildnisse sehen, immer besticht zuerst
das Talent zur Einfühlung. Niemeyers Porträts
dringen ein in das Wesen der Persönlichkeit, sie
suchen betont das Seelische. Dabei wird Niemeyer
nicht zum Expressionisten, der mit leidenschaftlicher
Gebärde seine Kunst einzig auf Ausdruck stellt. Die
reale Wirklichkeit ist diesem Künstler immer Aus-
gangspunkt, aber der Maler bleibt nicht an der
Oberfläche der Erscheinung, er geht nicht allein
dem Licht und dem Schatten nach.
Einer rein impressionistischen Gestaltungsweise
Zum Tode
Stefan Georges
Als im Anfang der neunziger Jahre der aus
altem hessischen Bauerngeschlecht stammende Dich-
ter in einem kleinen Kreise gleichgesinnter
Freunde zum erstenmal hervortrat, sah er sich
dem dichterischen Verfall einer naturalistisch-
materialistischen Zeit gegenüber. In dieser
Situation schloß er sich als Führer seiner Gruppe
in kompromißloser Vereinzelung von seinen Zeit-
genossen ab und ging ernsthaft seinen Weg.
Er forderte wieder das Gesetz der Kunst für
Sprache und Dichtung. Sein Streben war ent-
gegen der „leichtfertigen und zerfahrenen Weise,
die damals im Schwung war" auf unbedingte
Reinheit der Form und des Stoffes gerichtet. Die
Zucht und die Reinheit, die er von der Dichtung
forderte, wurde ihm selber Lebensprinzip. Nach
den 1899 erschienenen Büchern der Hirten- und
Preisgedichte, der Sagen und Sänge und der
Hängenden Gärten, in denen die Welt der Antike
und des christlichen Mittelalters lebendig wird,
und nach der Vollendung des herrlichen Gedicht-
bandes „Jahr der Seele" fühlte Stefan George
seine dichterische Mission immer klarer. Als Ge-
stalter und Prophet einer neuen Zeit begann er
zu wirken. Er wandte sich gegen die innere Ver-
elendung und Mechanisierung des Lebens, gegen
die Willensschwachheit und die Zersetzung.
Je mehr er zum anklagenden Dante seines
Zeitalters wurde, desto höheres Recht erstand dem
Was, das er vorzutragen hatte. Im „Stern des
Bundes" verkündete Stefan George sein geistiges
und sittliches Gesetz. In erzgehämmerten Versen
spornte er die Jugend zum Heroismus der
Tat an:
„Auf neue Tafeln schreibt der neue Stand:
Laßt Greise des erworbnen Guts sich freuen,
Das ferne Wettern reicht nicht an ihr Ohr.
Doch alle Jugend sollt ihr Sklaven nennen
Die heut mit Weichen Klängen sich betäubt
Mit Rosenketten überm Abgrund tändelt.
Ihr sollt das Morsche aus dem Munde spein,
Ihr sollt den Dolch im Lorbeerstrauße tragen
Gemäß in Schritt und Klang der nahen Wal."
stellt Niemeyer seine verinnerlichte, romantisch be-
tonte Art entgegen.
Ein Glaube trägt diese Kunst, ein Glaube,
der weitab steht vom Intellektuellen, vom Kon-
struktiven und Absonderlichen. Nicht im Stoff-
lichen, im Sichtbaren erschöpft sich die Welt für die
junge Kunst. Sie sucht das Ausdrucksmäßige, aber
sie hat diesem Innen nicht das Außen geopfert,
dem Gehalt nicht die klare Form.
bi. (irioditxseb
Anekdoten
Munch
Der große norwegische Maler saß in den neunziger
Jahren in Berlin in einer kleinen Weinstube Unter den
Linden, die Strindberg entdeckt hatte und bald ein Ver-
sammlungsort sür eine Menge jüngerer Schriftsteller und
Künstler wurde, manchmal mit Strindberg und Dehmel,
Hartleben und dem Polen Przybyszewski, Leistikow, Holger,
Drachmann, Gunnar, Heiberg und Christian Krogh zu-
sammen. Oft konnte er auch nicht kommen, denn es ging
ihm nicht sonderlich gut. Besaß er gar kein Geld mehr,
hielt er sich in seinem kleinen Hotel aus, an kalten Tagen
im Bett, dort zu zeichnen, zu lesen und zu schreiben. Als er
einmal das Pech hatte, Tinte
über die Bettdecke zu gießen,
ließ er sie trocknen, malte
dann mit Ölfarben die roten
und weißen Karrees genau nach
und wechselte schleunigst sein
Domizil.
Trübncr
Im Jahre 1912 hatte der
Worpsweder Vinnen eine Pro-
testschrift gegen die französische
Kunst «erfaßt. Ealeriedirek-
toren wurden angegriffen, weil
sie „flüchtige Skizzen" und
„Atelierreste" von Van Gogh
und Lezanns, schlechte Bilder
von Manet und Renoir für
horrende Summen gekauft hät-
ten. Unter der großen Anzahl
von Unterschriften der Leo
Putz, Franz von Stuck usw.
sand man auch Wilhelm Trllb-
ner: „Ich stimme voll und ganz
ihrem Proteste zu!" Kurz
darauf erschien von Berlin aus
ein Eegenprotest. Auch hier
war Trübner mit einer Kor-
rektur seines ersten Stand-
punktes vertreten. Als im Cafe
die Rede auf diesen Doppel-
protest kam, meinte er harm-
los: „Ja, wisse Sie, wie ich
den ersten Protest gelese hab,
hat er mir ganz gut gefalle, und da hab ich ihn unter-
schriebe: «ls mir aber die Berliner Herre ihren Protest
geschickt haben, da hat mir der noch besser gefalle und da
hab ich den auch unterschriebe!"
Trübner saß mit einigen seiner Schüler und einem
Kunsthistoriker im Cafe. Der Kunsthistoriker überschüttete
Trübner mit einer ungeheuren, durch philosophische und
literarische Phrasen verbrämten Definition des künstlerischen
Schaffens im allgemeinen und des Trllbnerschen im besonde-
ren, redete von Schafsensrausch und -drang, von Mystik und
Dämonie und schließlich von der neuen Monumentalität der
Trllbnerschen Fürstenbilder. Trübner hörte schweigend und
aufmerksam zu und meinte zum Schluß: „Ja, wisse Ss, bei
dene Reiterbilder, da kommt's nur draus an, daß mer de
Sitz richtig trifft, wie der Mann auf dem (Jaul sitzt. Wann
mer des hat, dann malt sich das andere von selbscht!"
Aufrichtigkeiten
Eines Tages kam der alte Eckermann — dessen Sohn
Karl bei Preller in Weimar lernte — zu dem Maler, die
Brust geschwellt, ein Gemälde seines Sohnes unterm Arm,
das Gänse Larstellte.
„Ganz gut", antwortete Preller, „aber gebraten wären
sie besser."
„Das verstehe ich, Herr Professor", erwiderte darauf
der Alte. „Ihre Bäume hätte ich ja auch lieber im Ofen."
Die Menge
Als Roll sein großes Bild „Die Arbeit" ausstellte, auf
dem fünfzig Figuren zu sehen sind, sagte Degas:
Jli einem anderen Gedicht ans dem „Stern
des Bundes heißt es:
„Hat euch ein Wahn umstrickt und ihr wacht auf
Uud könnt dem Licht nicht frank entgegensehn:
So lernt von Helden euch ins Schwert zu stürzen.
Habt ihr im kleinen gegen euresgleichen
Gefehlt — so geht und sühnet stumm mit Tat."
Beseelt von seiner dichterischen Mission und er-
füllt von einem unerschütterlichen Willen ist
Stefan George zielbewußt durch das Chaos der
Nachkriegsjahre hindurch in jene Höhen vor-
gedrungen, von denen herab er als Führer und
Diener seines Volkes zuletzt noch sein Lebenswerk
„Das Neue Reich" sich erfüllen sah, das er in
den Versen prophezeite:
„Der Sänger aber sorgt in Trauer-Läuften,
Daß nicht das Mark verfault, der Keim erstickt.
Er schürt die heilige Glut, die überspringt
Und sich die Leiber formt, er holt aus Büchern
Der Ahnen die Verheißung, die nicht trügt
Daß, die erkoren sind zum höchsten Ziel
Zuerst durch tiefste Öden ziehn, daß einst
Des Erdteils Herz die Welt erretten soll . . .
Und wenn im schlimmsten Jammer letzte
Hoffnung
Zu löschen droht: so sichtet schon sein Äug'
Die lichtere Zukunft. Ihm wuchs schon heran
Unangetastet von dem geilen Markt
Von dünnem Hirngeweb und giftigem Flitter
Gestählt im Banne der verruchten Jahre
Ein jung Geschlecht, das wieder Mensch und
Ding
Mit echten Maßen mißt, das schön und ernst
Froh seiner Einzigkeit, vor Fremden stolz,
Sich gleich entfernt von Klippen dreisten Dünkels
Wie seichtem Sumpf erlog'ner Brüderei,
Das von sich spie, was mürb und feig und lau,
Das aus geweihtem Träumen Tun und Dulden
Den einzigen, der hilft, den Mann gebiert . . .
Der sprengt die Ketten, fegt auf Trümmer-
stätten
Die Ordnung, geißelt die Berlanfnen heim
Ins ewige Recht, wo Großes wiederum groß ist
Herr wiederum Herr, Zucht wiederum Zucht er
heftet
Das wahre Sinnbild auf das völkische Banner,
Er führt durch Sturm und grausige Signale
Des Frührots seiner treuen Schar zum Werk
Des wachen Tags und Pflanzt das Neue Reich."
Lellsrtlsin
„Das Bild ist verfehlt. Man stellt eine Menge nicht
mit fünfzig Figuren dar; man stellt eine Menge mit fünf
Figuren dar."
Aus der „Piratenromanze" von Ferdinand Freiligrath
Auf dem Decke der Eabarre
Liegt der Scheit der Christenhunde,
Die erloschene Zigarre
Von Havanna in dem Munde.
Oh, wohl mochte die Zigarre,
Kastilianer, dir verglimmen,
Da du hörtest zur Gitarre
Die holdseligste der Stimmen.
Angetan mit welscher Seide
Und mit Tüchern von Hoangho,
Tanzt Juana, deine Freude,
Mit dem Bootsmann den Fandango . . .
Not ohne Kommentar
Das erschütternde Resultat der 3. Großen
Leipziger Kunstausstellung ist, daß (abgesehen von
einigen Ankäufen des Staates) von ungefähr
700 Werken nur ein einziges ver-
kauft wurde! Der Käufer stammte aus Merse-
burg! Die Preise waren, von 5 M. aufwärts,
der Zeit angepaßt. IV. L.
Deutsche Gesellschaft sür Goldschmiedekunst
zur Erlangung wertvoller Goldschmiedearbeiten
Aufgabe: Ein Städteteller (Schauteller) mit gra-
viertem oder geschnittenem Städtewappen. Der Teller
mutz handgearbeitet sein. Sein Durchmesser soll 30 am be-
tragen. Als Material muh v2s/g<)y Silber verwendet werden.
Die Tiefe des Tellers, die Breite des Tellerrandes und
dessen Behandlung sind freigestellt. Die Arbeit muß das
Werkzeichen des ausführenden Goldschmiedes oder der Werk-
statt tragen.
Ablieferungstermin: 20. Januar 1934 unter
Kennwort an die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft
für Goldschmiedekunst, Berlin SW 19, Jerusalemer Str. 25.
Postsendungen sind frei zu machen, einschliehlich Bestellgeld.
Für Rücksendung der nicht prämiierten oder nicht angekauften
Teller ist für Nichtmitglieder der Gesellschaft ein Betrag von
RM 3,— miteinzusenden.
Nähere Auskunft erteilt unter Beifügung von Rückporto
die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Gold-
schmiedekunst, Berlin SW 19, Jerusalemer Str. 25.
Otto Niemeyer-Holstein, Dreschmaschine