Kunst der Nation
3
Sinn, doch Berlin ist, bei allem zivilisatorischen
Aussatz, die Stadt, die über sich selbst und die
Gegenwart hinausführt. Eiue unchristliche Stadt?
Sicherlich — in einem weiten, ganz und gar nicht
moralischen, Betreff. Aber keine religiös-indiffe-
rente Stadt.
Und was hier zum Beispiel genommen ist
für das Letzte und Tiefste der in den nächsten
Jahren in Deutschland fallenden Entscheidung,
wird sich in den Städten ereignen, denn wir
haben sie als die großen Geistereignisse der Land-
schaft wiedererkannt, nachdem der Wahnsinn des
Intellektes sie der Natur zu entreißen versuchte.
Lassen wir alle Ressentiments und ästhetischen
Empfindungen beiseite; es geht um die Existenz
eines Volkes und um den Ausdruck seiner Erde
in den Werken der Stadt. Kein Dualismus ver-
fälsche die Freiheit solcher Erkenntnisse. Nicht
jeder, der auf dem Lande lebt, ist gesund; und
nicht jeder, der in der Stadt wohnt, ist krank.
Die Erde atmet oder stirbt im Herzblut eines
jeden einzelnen Menschen, wo er auch lebe;
draußen auf den Ackern, oder drinnen auf den
Straßen. 6. bl. Ibeunissan
Neue Malerei
Von
Maler Willi Kelter
Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste nnd des Kampfbundes für deutsche Kultur Nordwest
Nachstehend geben wir dem Organisator der bahn-
brechenden Ausstellung „Westfront 1933", Willi
Kelter, der im Westen Deutschlands einen scharfen
Kampf gegen die Kunstreaktion führt, das Wort.
Das Bestehende wird uns offenbar an den
Stellen und Stätten, wo deutsche Kunst der
Gegenwart und jüngster Vergangenheit sichtbar
wird. Das sind einmal die Ausstellungen, die,
wie es heißt, den Extrakt, das Beste des gegen-
wärtigen Schaffens zeigen, das sind die Werk-
stätten, besser die Ateliers, die einen noch tieferen
Einblick geben in das Werden heutigen künstleri-
schen Wirkens, das sind die Künstler selbst, in
denen Gegenwartskunst ihren Ursprung hat, in
denen, wer weiß, die zukünftige Malerei ihren
Boden finden könnte. Also die Ausstellungen!
Hier werden uns die ersten Schwierigkeiten be-
reitet. Wollten wir auch nur die letzten 15 Jahre,
die in ganzem Umfang der Jetztzeit zuzuzählen
sind, nach Ausstellungen durchsuchen, so würde
sich uns eine Unzahl solcher Veranstaltungen auf-
drängen. Die Fülle des Materials wäre derart
verwirrend, daß wir uns in dieser Stunde nicht
darin zurechtfänden. Infolgedessen wollen wir
uns an einige wesentliche Ausstellungsereignisse
der bildenden Kunst erinnern und dort zu son-
dieren versuchen. Ich hoffe, dadurch einen
Querschnitt zu erreichen, der uns das Recht gibt,
ein Gesamturteil zu fällen. Das Bildmaterial
liefert uns die Internationale Kunst-
ausstellung 1922 in Düsseldorf, die
K ü n ft l e r b u n d a u s ft e l l u u g des Jah-
res 1930 in Essen und die „West-
front 1933" mit ihrer Bestandaufnahme der
Kräfte bildender Kunst Westdeutschlands, die
trotz ihrer geographischen Abgrenzung ohne wei-
teres als pars pro tzotzo genommen werden kann.
Das uns hier entgegentretende Gesamtwerk
ist zeitlich gesehen die Nachfolge und müßte die
Weiterführung der ersten bahnbrechenden Ex-
pressionisten der Vorkriegszeit sein. (Ich ver-
wende das Schlagwort „Expressionismus" wegen
seiner Geläufigkeit, ohne damit zugegeben zu
haben, daß es vollanf eine Erklärung oder Be-
zeichnung der unter ihm zusammengefaßten Kunst
gibt.) Es ist zu bekannt, um sich hier noch ein-
gehend darüber zu verbreiten, daß der Expressionis-
mus die Überwindung des völlig bürgerlichen und
ganz aus dem visuellen Erlebnis entstandenen
Impressionismus beabsichtigte, des Impressionis-
mus, der wiederum die letzte und überspitzte künst-
lerische Folgerung eines liberalistischen und stoff-
befangenen Zeitalters war. Schon heute ver-
mögen wir, zu überschauen, mit welcher klaren
Bewußtheit und darum auch rein willensmäßigen
gewaltsamen Kraft sich die Reaktion gegen die
Übersättigung mit dem bis dahin Bestehenden
Stuhl aus der Königsberger Gegend. 17. Jahrhundert
Königsberg, Prussia-Museum
Vollzog. Damit ist der rein demonstrative Cha-
rakter der Revolution in der Malerei vor dem
Kriege nicht zu leugnen. Ein großer Teil dieser
Werke ist nur als Zeiterscheinung zu werten.
Jedoch: Wenn vieles auch lediglich zeitliche Be-
deutung hatte und meist des höheren künstlerischen
Wertes entbehrte, so wollen wir doch gerechter-
Dentschland, um 1100: Simson der Löwentöter. Bronze
Farbig bemalter kurischer Schisfswimpel
Weise den bedeutungs-
vollen historischen Wert
erkennen, den diese
Sturmläufer haben.
Der Expressionismus
war der künstlerische
Prozeß gegen die ord-
nungslose Welt des Libe-
ralismus.
Der Impressionismus
— um zum Verständnis
kurz zu wiederholen —
nahm fortschreitend eine
Auflösung des Bild-
gefüges vor. Dieser Nei-
gung in der Kunst ent-
spricht die Parallele im
übrigen Leben der Na-
tion, das ebenfalls völli-
ger Auflösung entgegen-
ging. Mit bornierter
Konsequenz fragt der
Impressionist nur nach
dem Wie des Bildes.
Der Expressionismus
versucht in umgekehrter
Weise, manchmal aus einer gesunden sitt-
lichen Gesamthaltung heraus, in radikalen Ent-
ladungen das Gegenteil davon. Aus der Be-
mühung, sich ein umfassendes Weltbild neu zu
gestalten, und dieses im Kunstwerk mit eigener
Gesetzmäßigkeit wieder erstehen zu lassen, bricht
sich der Wille zu einem neuen Bildgefüge Bahn.
Wo der Impressionist als notwendige Folge seiner
liberalen Gesamthaltung zu dem ästhetischen
Standpunkt des l'ar-tz pour l'art gelangt, unter-
nimmt sein Gegner, der Expressionismus, den
Versuch einer Befreiung aus diesem überbetonten
Individualismus. Die Leistungen dieses neuen
Wollens sind nur zu Teilen anerkennenswert. Das
neue Bild war noch nicht erschaut, es ward vor-
erst nur mit dem Willen gesucht.
Aber das war ja auch kaum zu erwarten. Der
Kampf steckte voller Tendenz. Zweckleistungen,
die dem Endsieg dienten, wurden höher gewertet
als die absolut künstlerische Leistung.
Mittlerweile hatten sich die Zeiten beruhigt.
Schon in der Internationalen Ausstellung 1922
in Düsseldorf finden wir, obenhin gesehen, eine
ziemlich beruhigte Haltung in manchen Bildern,
die sich bemerkenswert von dem chaotischen Ge-
dränge in anderen Werken abhob. So ein Otto
Dix, Fritz Feigler und Otto Griebel.
Wenn uns der Expressionismus in seinen
Schöpfungen vielfach unbefriedigt, manche Frage
offen läßt, so können wir das den schon angeführ-
ten Gründen zugute halten. Jedoch die nach-
folgende Zeit der Besinnung hat dann leider nicht
das gehalten, was die Revolution der Malerei
versprach: Die nachexpressioniftische Ara bietet
nns noch weniger an Erhebendem und befriedigt
uns noch weniger als vieles, was vor ihr liegt.
Davon überzeugt uns der Querschnitt, den wir
jetzt tun wollen.
Wir fangen bei ganz äußerlichen Dingen an.
Das Sichtbare bietet ohne Zweifel den festen An-
haltspunkt, von dein aus wir fortschreitend hinter
den Sinn der Erscheinung gelangen, d. h. den
Geist der augenblicklichen Malerei erkennen.
Allen Bildern ist ein Thema nicht nur bei-
gegeben, das Thema ist auch im Bild gestaltet,
also dürfen wir uns mit Recht daraus berufen.
Es gibt eindeutig eine durchaus feminine und
passive Haltung zu erkennen. Fast alle Bilder
nähren sich von einer fatalen Kontemplation. Auf
kleinen Formaten werden in nicht gerade geist-
voller Abwandlung und ermüdender Folge Por-
trät, Landschaft, Stilleben und Belanglosigkeiten,
meist mondänen Charakters, gezeigt. Wenn in
den Zeiten kurz nach dem Krieg noch hier und
da, den fieberhaften Politischen Ereignissen Rech-
nung tragend, eine Sittenschilderung auftauchte,
so fällt auch dieses Thema im Laufe der Jahre
völlig weg. Nichts beweist schlagender, daß das
Sittenbild, dem wir Berechtigung zuerkennen
können, niemals eine wirkliche Heimat im sozialen
Gewissen der Künstlerschaft gefunden hatte. Merk-
mal der Nachkriegskunst ist ein verschwommener
„Lyrismus" mit einem immer fühlbaren eroti-
schen oder krankhaften Hintergrund. Kaum ein
Porträt mit gesunder Haltung. Das Krankhafte
wird nicht immer im Gegenständlichen sichtbar,
zumeist offenbart sich diese morbide Haltung
schon in dem zähen und bröckligen Farbauftrag,
aus dem eine ungesunde Atmosphäre schwelt.
Landschaften, Stillebeu und kleinste Nichtigkeiten
sind von dieser sonderbaren Stimmung umfan-
gen. Wie trockene Treibhausluft strömt es aus
dem Großteil der Bilder.
Es bedarf keiner großen Beobachtungsgabe,
um als ein allgemein gültiges Kennzeichen dieser
Malerei einen ziellosen Eklektizismus festzustel-
len. — Es hat Epochen gegeben (nicht die stärk-
sten), die sich von Leihgaben anderer Kunstzeit-
abschnitte nährten, aber das Entliehene wurde
dann immer zu einer, wenn auch nicht gerade
überwältigenden, so doch erkennbaren Gesamt-
haltung zusammengefaßt. Ich denke hier an die
Zeit des Klassizismus, dem ja die antike Kunst,
wie auch einmal der Renaissance, Vorbild war.
In der Gegenwart jedoch tauchen die verschieden-
sten und heterogensten Stilelemeute aus allen
Jahrhunderten und Jahrtausenden der Kunst aus.
Also selbst in der Entlehnung oder Anlehnung
ist unsere Zeit nicht ganz.
Diese versuchen, in Anlehnung an mittelalter-
liche Meister mit durchsichtigen Mitteln eine Art
klebriger Neuromantik zu schaffen, jene wieder
mit gesuchten, unmotivierten Verzeichnungen die
Antike zum Scheinleben zu erwecken. Gespielte
Naivität ist der Vorwand, um einer unkünst-
lerischen, ja perversen Phantasie die Zügel schießen
zu lassen. Andere malen romantische Angelegen-
heiten, als sei den Lebenden Friedrich, Runge und
Kersting unbekannt. Es ist bedauerlich: aus dem
kraftvollen Vorstoß der ersten Modernen, wie ihn
Marc, Macke, Heckel, Kirchner und Nolde unter-
nahmen, ist nichts weiter geworden. Der Ge-
samteindruck der Nachkriegskunst ist der einer voll-
kommenen Richtungslosigkeit.
Fortsetzung folgt
Vollslunst
und Gegenwart
Nachdem bereits im Laufe des letzten Jahr-
zehnts das Interesse für die Zeugnisse der deut-
schen Volkskunst rasch gewachsen ist und seinen
Niederschlag in einer Reihe größerer Veröffent-
lichungen gefunden hat, setzen seit Beginn der na-
tionalen Revolution allenthalben auch starke Be-
strebungen ein, der volkskünftlerischen Betätigung
wieder neuen Boden zu bereiten, ihr aus der Idee
der neuerftandenen Volksgemeinschaft heraus neue
Impulse und feste Verwurzelungen zu geben.
Uber die prinzipielle Notwendigkeit und mögliche
Fruchtbarkeit dieser Bemühungen kann kein
Zweifel herrschen. Und doch besteht gerade hier
die Gefahr, den wahren Kern der Volkskunst zu
verfälschen, sie durch zu starke Propagierung zu
Masurischer Ofen. Allenstein
einem Mode- oder Handelsartikel, zu einer Art
ländlichen „Kunstgewerbes" umzuformen, die dem
innersten Wesen jeder Volkskunst widerspricht.
Es ist dazu notwendig, auf Ursprung und
Wesen des Volkskünstlerischen an sich einzugehen.
Der primitive Mensch in der Selbstsicherheit
seiner ländlichen Gebundenheit — denn nur das
Land, nie die Stadt kann Träger einer Volks-
kunst sein —, im gesunden Vollbesitz formaler An-
schauung und selbstverständlich-biologischer Hand-
fertigkeit schuf sich in den Gegenständen seines
täglichen Gebrauchs die Werke der Volkskunst.
So wurde diese Betätigung, unterstützt von dem
bei allen Völkern vorhandenen dekorativen
Schmuckbedürsnis, der Heimatboden aller gesunden
schöpferischen Entfaltung. An Naturrecht, Brauch,
Glaube und praktische Notwendigkeit gebunden,
fehlt dieser künstlerischen Tätigkeit Zwang und
Möglichkeit einer stilistischen Entwicklung, wie sie
der Gegenpol, die hohe Kunst, als wesentlichstes
Mein R>inP/ein
,Mein p?inp/ein, Pa§ ich nichi rm'eche.
Mein nnaeparen (Zein,
(Zp n>arüe/7 im IVe/ienpnnAei
An anp Aein ZNii/iee/ein 2
Ae in Mni/ee/ein Fai's ner/onnen,
Fai'F nee/chie/i nnp nee/an
2inp iie/j Pie /Zeit verrinnen
2inp wo/A Aich nichi emxchchn-
Apnn aper' /krechi e§ Pie st?irme
(Zechchnchiig anF nach Air-,
<2i/K Fchnie /ich Aein (Zeeichen
,An Ann/rei anch nach mir-.
Marqareie Zkerger
3
Sinn, doch Berlin ist, bei allem zivilisatorischen
Aussatz, die Stadt, die über sich selbst und die
Gegenwart hinausführt. Eiue unchristliche Stadt?
Sicherlich — in einem weiten, ganz und gar nicht
moralischen, Betreff. Aber keine religiös-indiffe-
rente Stadt.
Und was hier zum Beispiel genommen ist
für das Letzte und Tiefste der in den nächsten
Jahren in Deutschland fallenden Entscheidung,
wird sich in den Städten ereignen, denn wir
haben sie als die großen Geistereignisse der Land-
schaft wiedererkannt, nachdem der Wahnsinn des
Intellektes sie der Natur zu entreißen versuchte.
Lassen wir alle Ressentiments und ästhetischen
Empfindungen beiseite; es geht um die Existenz
eines Volkes und um den Ausdruck seiner Erde
in den Werken der Stadt. Kein Dualismus ver-
fälsche die Freiheit solcher Erkenntnisse. Nicht
jeder, der auf dem Lande lebt, ist gesund; und
nicht jeder, der in der Stadt wohnt, ist krank.
Die Erde atmet oder stirbt im Herzblut eines
jeden einzelnen Menschen, wo er auch lebe;
draußen auf den Ackern, oder drinnen auf den
Straßen. 6. bl. Ibeunissan
Neue Malerei
Von
Maler Willi Kelter
Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste nnd des Kampfbundes für deutsche Kultur Nordwest
Nachstehend geben wir dem Organisator der bahn-
brechenden Ausstellung „Westfront 1933", Willi
Kelter, der im Westen Deutschlands einen scharfen
Kampf gegen die Kunstreaktion führt, das Wort.
Das Bestehende wird uns offenbar an den
Stellen und Stätten, wo deutsche Kunst der
Gegenwart und jüngster Vergangenheit sichtbar
wird. Das sind einmal die Ausstellungen, die,
wie es heißt, den Extrakt, das Beste des gegen-
wärtigen Schaffens zeigen, das sind die Werk-
stätten, besser die Ateliers, die einen noch tieferen
Einblick geben in das Werden heutigen künstleri-
schen Wirkens, das sind die Künstler selbst, in
denen Gegenwartskunst ihren Ursprung hat, in
denen, wer weiß, die zukünftige Malerei ihren
Boden finden könnte. Also die Ausstellungen!
Hier werden uns die ersten Schwierigkeiten be-
reitet. Wollten wir auch nur die letzten 15 Jahre,
die in ganzem Umfang der Jetztzeit zuzuzählen
sind, nach Ausstellungen durchsuchen, so würde
sich uns eine Unzahl solcher Veranstaltungen auf-
drängen. Die Fülle des Materials wäre derart
verwirrend, daß wir uns in dieser Stunde nicht
darin zurechtfänden. Infolgedessen wollen wir
uns an einige wesentliche Ausstellungsereignisse
der bildenden Kunst erinnern und dort zu son-
dieren versuchen. Ich hoffe, dadurch einen
Querschnitt zu erreichen, der uns das Recht gibt,
ein Gesamturteil zu fällen. Das Bildmaterial
liefert uns die Internationale Kunst-
ausstellung 1922 in Düsseldorf, die
K ü n ft l e r b u n d a u s ft e l l u u g des Jah-
res 1930 in Essen und die „West-
front 1933" mit ihrer Bestandaufnahme der
Kräfte bildender Kunst Westdeutschlands, die
trotz ihrer geographischen Abgrenzung ohne wei-
teres als pars pro tzotzo genommen werden kann.
Das uns hier entgegentretende Gesamtwerk
ist zeitlich gesehen die Nachfolge und müßte die
Weiterführung der ersten bahnbrechenden Ex-
pressionisten der Vorkriegszeit sein. (Ich ver-
wende das Schlagwort „Expressionismus" wegen
seiner Geläufigkeit, ohne damit zugegeben zu
haben, daß es vollanf eine Erklärung oder Be-
zeichnung der unter ihm zusammengefaßten Kunst
gibt.) Es ist zu bekannt, um sich hier noch ein-
gehend darüber zu verbreiten, daß der Expressionis-
mus die Überwindung des völlig bürgerlichen und
ganz aus dem visuellen Erlebnis entstandenen
Impressionismus beabsichtigte, des Impressionis-
mus, der wiederum die letzte und überspitzte künst-
lerische Folgerung eines liberalistischen und stoff-
befangenen Zeitalters war. Schon heute ver-
mögen wir, zu überschauen, mit welcher klaren
Bewußtheit und darum auch rein willensmäßigen
gewaltsamen Kraft sich die Reaktion gegen die
Übersättigung mit dem bis dahin Bestehenden
Stuhl aus der Königsberger Gegend. 17. Jahrhundert
Königsberg, Prussia-Museum
Vollzog. Damit ist der rein demonstrative Cha-
rakter der Revolution in der Malerei vor dem
Kriege nicht zu leugnen. Ein großer Teil dieser
Werke ist nur als Zeiterscheinung zu werten.
Jedoch: Wenn vieles auch lediglich zeitliche Be-
deutung hatte und meist des höheren künstlerischen
Wertes entbehrte, so wollen wir doch gerechter-
Dentschland, um 1100: Simson der Löwentöter. Bronze
Farbig bemalter kurischer Schisfswimpel
Weise den bedeutungs-
vollen historischen Wert
erkennen, den diese
Sturmläufer haben.
Der Expressionismus
war der künstlerische
Prozeß gegen die ord-
nungslose Welt des Libe-
ralismus.
Der Impressionismus
— um zum Verständnis
kurz zu wiederholen —
nahm fortschreitend eine
Auflösung des Bild-
gefüges vor. Dieser Nei-
gung in der Kunst ent-
spricht die Parallele im
übrigen Leben der Na-
tion, das ebenfalls völli-
ger Auflösung entgegen-
ging. Mit bornierter
Konsequenz fragt der
Impressionist nur nach
dem Wie des Bildes.
Der Expressionismus
versucht in umgekehrter
Weise, manchmal aus einer gesunden sitt-
lichen Gesamthaltung heraus, in radikalen Ent-
ladungen das Gegenteil davon. Aus der Be-
mühung, sich ein umfassendes Weltbild neu zu
gestalten, und dieses im Kunstwerk mit eigener
Gesetzmäßigkeit wieder erstehen zu lassen, bricht
sich der Wille zu einem neuen Bildgefüge Bahn.
Wo der Impressionist als notwendige Folge seiner
liberalen Gesamthaltung zu dem ästhetischen
Standpunkt des l'ar-tz pour l'art gelangt, unter-
nimmt sein Gegner, der Expressionismus, den
Versuch einer Befreiung aus diesem überbetonten
Individualismus. Die Leistungen dieses neuen
Wollens sind nur zu Teilen anerkennenswert. Das
neue Bild war noch nicht erschaut, es ward vor-
erst nur mit dem Willen gesucht.
Aber das war ja auch kaum zu erwarten. Der
Kampf steckte voller Tendenz. Zweckleistungen,
die dem Endsieg dienten, wurden höher gewertet
als die absolut künstlerische Leistung.
Mittlerweile hatten sich die Zeiten beruhigt.
Schon in der Internationalen Ausstellung 1922
in Düsseldorf finden wir, obenhin gesehen, eine
ziemlich beruhigte Haltung in manchen Bildern,
die sich bemerkenswert von dem chaotischen Ge-
dränge in anderen Werken abhob. So ein Otto
Dix, Fritz Feigler und Otto Griebel.
Wenn uns der Expressionismus in seinen
Schöpfungen vielfach unbefriedigt, manche Frage
offen läßt, so können wir das den schon angeführ-
ten Gründen zugute halten. Jedoch die nach-
folgende Zeit der Besinnung hat dann leider nicht
das gehalten, was die Revolution der Malerei
versprach: Die nachexpressioniftische Ara bietet
nns noch weniger an Erhebendem und befriedigt
uns noch weniger als vieles, was vor ihr liegt.
Davon überzeugt uns der Querschnitt, den wir
jetzt tun wollen.
Wir fangen bei ganz äußerlichen Dingen an.
Das Sichtbare bietet ohne Zweifel den festen An-
haltspunkt, von dein aus wir fortschreitend hinter
den Sinn der Erscheinung gelangen, d. h. den
Geist der augenblicklichen Malerei erkennen.
Allen Bildern ist ein Thema nicht nur bei-
gegeben, das Thema ist auch im Bild gestaltet,
also dürfen wir uns mit Recht daraus berufen.
Es gibt eindeutig eine durchaus feminine und
passive Haltung zu erkennen. Fast alle Bilder
nähren sich von einer fatalen Kontemplation. Auf
kleinen Formaten werden in nicht gerade geist-
voller Abwandlung und ermüdender Folge Por-
trät, Landschaft, Stilleben und Belanglosigkeiten,
meist mondänen Charakters, gezeigt. Wenn in
den Zeiten kurz nach dem Krieg noch hier und
da, den fieberhaften Politischen Ereignissen Rech-
nung tragend, eine Sittenschilderung auftauchte,
so fällt auch dieses Thema im Laufe der Jahre
völlig weg. Nichts beweist schlagender, daß das
Sittenbild, dem wir Berechtigung zuerkennen
können, niemals eine wirkliche Heimat im sozialen
Gewissen der Künstlerschaft gefunden hatte. Merk-
mal der Nachkriegskunst ist ein verschwommener
„Lyrismus" mit einem immer fühlbaren eroti-
schen oder krankhaften Hintergrund. Kaum ein
Porträt mit gesunder Haltung. Das Krankhafte
wird nicht immer im Gegenständlichen sichtbar,
zumeist offenbart sich diese morbide Haltung
schon in dem zähen und bröckligen Farbauftrag,
aus dem eine ungesunde Atmosphäre schwelt.
Landschaften, Stillebeu und kleinste Nichtigkeiten
sind von dieser sonderbaren Stimmung umfan-
gen. Wie trockene Treibhausluft strömt es aus
dem Großteil der Bilder.
Es bedarf keiner großen Beobachtungsgabe,
um als ein allgemein gültiges Kennzeichen dieser
Malerei einen ziellosen Eklektizismus festzustel-
len. — Es hat Epochen gegeben (nicht die stärk-
sten), die sich von Leihgaben anderer Kunstzeit-
abschnitte nährten, aber das Entliehene wurde
dann immer zu einer, wenn auch nicht gerade
überwältigenden, so doch erkennbaren Gesamt-
haltung zusammengefaßt. Ich denke hier an die
Zeit des Klassizismus, dem ja die antike Kunst,
wie auch einmal der Renaissance, Vorbild war.
In der Gegenwart jedoch tauchen die verschieden-
sten und heterogensten Stilelemeute aus allen
Jahrhunderten und Jahrtausenden der Kunst aus.
Also selbst in der Entlehnung oder Anlehnung
ist unsere Zeit nicht ganz.
Diese versuchen, in Anlehnung an mittelalter-
liche Meister mit durchsichtigen Mitteln eine Art
klebriger Neuromantik zu schaffen, jene wieder
mit gesuchten, unmotivierten Verzeichnungen die
Antike zum Scheinleben zu erwecken. Gespielte
Naivität ist der Vorwand, um einer unkünst-
lerischen, ja perversen Phantasie die Zügel schießen
zu lassen. Andere malen romantische Angelegen-
heiten, als sei den Lebenden Friedrich, Runge und
Kersting unbekannt. Es ist bedauerlich: aus dem
kraftvollen Vorstoß der ersten Modernen, wie ihn
Marc, Macke, Heckel, Kirchner und Nolde unter-
nahmen, ist nichts weiter geworden. Der Ge-
samteindruck der Nachkriegskunst ist der einer voll-
kommenen Richtungslosigkeit.
Fortsetzung folgt
Vollslunst
und Gegenwart
Nachdem bereits im Laufe des letzten Jahr-
zehnts das Interesse für die Zeugnisse der deut-
schen Volkskunst rasch gewachsen ist und seinen
Niederschlag in einer Reihe größerer Veröffent-
lichungen gefunden hat, setzen seit Beginn der na-
tionalen Revolution allenthalben auch starke Be-
strebungen ein, der volkskünftlerischen Betätigung
wieder neuen Boden zu bereiten, ihr aus der Idee
der neuerftandenen Volksgemeinschaft heraus neue
Impulse und feste Verwurzelungen zu geben.
Uber die prinzipielle Notwendigkeit und mögliche
Fruchtbarkeit dieser Bemühungen kann kein
Zweifel herrschen. Und doch besteht gerade hier
die Gefahr, den wahren Kern der Volkskunst zu
verfälschen, sie durch zu starke Propagierung zu
Masurischer Ofen. Allenstein
einem Mode- oder Handelsartikel, zu einer Art
ländlichen „Kunstgewerbes" umzuformen, die dem
innersten Wesen jeder Volkskunst widerspricht.
Es ist dazu notwendig, auf Ursprung und
Wesen des Volkskünstlerischen an sich einzugehen.
Der primitive Mensch in der Selbstsicherheit
seiner ländlichen Gebundenheit — denn nur das
Land, nie die Stadt kann Träger einer Volks-
kunst sein —, im gesunden Vollbesitz formaler An-
schauung und selbstverständlich-biologischer Hand-
fertigkeit schuf sich in den Gegenständen seines
täglichen Gebrauchs die Werke der Volkskunst.
So wurde diese Betätigung, unterstützt von dem
bei allen Völkern vorhandenen dekorativen
Schmuckbedürsnis, der Heimatboden aller gesunden
schöpferischen Entfaltung. An Naturrecht, Brauch,
Glaube und praktische Notwendigkeit gebunden,
fehlt dieser künstlerischen Tätigkeit Zwang und
Möglichkeit einer stilistischen Entwicklung, wie sie
der Gegenpol, die hohe Kunst, als wesentlichstes
Mein R>inP/ein
,Mein p?inp/ein, Pa§ ich nichi rm'eche.
Mein nnaeparen (Zein,
(Zp n>arüe/7 im IVe/ienpnnAei
An anp Aein ZNii/iee/ein 2
Ae in Mni/ee/ein Fai's ner/onnen,
Fai'F nee/chie/i nnp nee/an
2inp iie/j Pie /Zeit verrinnen
2inp wo/A Aich nichi emxchchn-
Apnn aper' /krechi e§ Pie st?irme
(Zechchnchiig anF nach Air-,
<2i/K Fchnie /ich Aein (Zeeichen
,An Ann/rei anch nach mir-.
Marqareie Zkerger