Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst der Nation — 2.1934

DOI article:
S., K.: Literaturfabriken
DOI article:
Fürst, M.; Schneider, Müller: Kunst schafft Volksgemeinschaft
DOI article:
Dargel, Felix Alexander: Albert Birkle
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66550#0035

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kunst der Nation

5

Literatursabriken
Dieser Tage erschien aus der Feder Wil-
helms II., des ehemaligen Kaisers, ein Buch über
die chinesische Monade. Es ist sehr zu begrüßen,
daß sich der Kaiser mit diesem Thema befaßt hat,
und es wäre nur zu wünschen, daß eine intensive
Beschäftigung mit der chinesischen Literatur und
Kultur auch für Mitglieder des ehemaligen
Bundes der Kaisertreuen, oder wie solche Gesell-
schaften und Klubs heißen mögen, zur Ehren-
pflicht wird. Wir wollen ihnen dieses Feld zur
Betätigung gern einräumen. Freilich zu einer
weiteren Überlegung bietet das Buch Wilhelms II.
Anlaß. Die Beurteilung des Charakters dieses
letzten Hohenzollern, der in der Politik für manche
Fragen ein besseres Verständnis hatte als die
meisten seiner Berater, wird immer besonders den
Dilettantismus dieses Mannes hervorheben
müssen, seine hoffnungslose Oberflächlichkeit im
Urteil und die Flachheit seiner Kenntnisse. Er
war aus allen Gebieten Dilettant und wurde aus
den meisten dieser Gebiete geradezu zum Reprä-
sentanten der deutschen Schwächen. Daraus sollte
man lernen. Die Gefahr, daß der Primat des
Politischen zu einer merkwürdigen Verwirrung
der Gefühle führt, ist hier und da recht groß. Die
sonderbarsten Universalgenies tun sich hier und
da ans, und man hat oft das Gefühl: hier schreibt
man um jeden Preis, und alles, was gerade ge-
fällig ist; hier kann man jede Wissenschaft, und
hier braucht man nur ans den Knops zu drücken,
und ein neues Buch ist da. Auf der andern Seite
gibt es dann die lieben Freunde, die da sagen:
Du kannst jeden Mist schreiben, du bist etwas, hast
Einfluß und hast einen politischen Ruf, also
schreibe eine neue Wissenschaft vom National-
sozialismus, oder meinetwegen Gedichte, einen
Roman oder auch eine Bibel. Es kommt nicht
darauf an. Jeder Vorgesetzte muß durch ein Buch
oder eine Zeitschrift seinen Untergebenen be-
weisen, was er kann. Also es muß etwas gemacht
werden. Schließlich fällt hier und da auch einmal
ein ordentlicher Mann diesem bösen Geist zum
Opfer, und er veröffentlicht das, was er zu sagen
hat; aber meist hat er nichts zu sagen, und dann
sagen die andern: Auch so ein nationalsozialisti-
scher Literaturfabrikant. Das hören dann die be-
kannten Wühlmäuse, das Geschwätz ist fertig und
läuft um.
Es ist auch wahrhaftig nicht nötig, daß ein
Mann, der treu und redlich seinen Posten aus-
füllt und aus diesem Grunde vorwärts kommt,
nun auch ein Buch schreiben muß. Es ist nicht
notwendig, daß jede Organisation ihr Mit-
teilungsblatt zu einem wissenschaftlichen Organ
auszubauen versucht. Es steht nachher doch nichts
Gescheites darin, und auf die Dauer werden sich
auch solche Blätter nicht halten können. Besten-
falls werden sie von den verärgerten Lesern,
denen die Zeitschrift ausgezwungen ist, bezahlt
und in den Papierkorb geworfen. Die Gefahren,
die aus solcher Literatur entstehen, sind groß, und
es ist notwendig, daß sich alle befleißigen, das
entstehende und bestehende Geschwätz dadurch zu be-
seitigen, daß sie sich von jedem Dilettantismus
fernhalten. L. 8.
Aus der von dem bekannten Pädagogen des
Nationalsozialismus Ernst Krieck herausgegebe-
nen Zeitschrift: „Volk im Werden", 2. Jahrg.,
Heft 1, 1934. Armanen-Verlag, Leipzig.
Kunst schasst Volksgemeinschaft
Km LrsitLL, clem 2. Mär2 1934, 8praoksn Br. Müller,
Lellnsidsr und vr. Lürst im I)sut8otdand8endsr über den
Wettbewerb der vsutsoben Krdeit8kront. Wir Leben einige
Teils des Oesprüebs wieder:
ordsntlieke, kür die Krskitskten vieikaek ungewobnts
LoekerunL des Wettbewerbe Ls ist namliob bsabsiek-
tigt, gerade kür dis Krebitekten auk diesen ersten,
ganr krsiöügigsn Ideenwettdswerb einen eigent -
lieben, kest umrlsssnvn Zweiten Wett-
bewerb mit genauem Nauprogramm kol-
gsn ru lassen, Kuk diese Lreirügigkeit sind aueb die
Nedingungen in zedsm Blinkte abgestellt. Ls sind 2. B.



Albert Birkle

man kier rum erstenmal untsrsucksn kann, ob dis
rablreieben Lropbereiungen der Lunstbistoriksr, dis
Lntwlelrlung der bildenden Kunst kübre von der
Takelmalerei kinweg rur monumentalen Wandmalerei,
den tatsaeblioken Gegeben beiten entspriekt, d. b. ob
wir übsrbaupt groüs Talente kür monumentale Wand-
malerei Im bsutigen veutsebland bssitren. Venn eines
Malerei. Man bann niemals ein Takeldlld einkaek
ins groks auk eins Wand übertragen, denn sowokl die
Wand als kröüs und Material und dis Tsebnik der
Bröks des Lntwurkes stoüsn. Der rur monumentalen
Wandmalerei Nskäkigts dagegen wird trotr der teeb-
niseben und geldllebsn Lekwisrigkeiten dis bereits bei
Broks bsgrüken.
Kn dieser Stells wäre etwas ru sagen über den
Lrundgedanbsn des Wettbewerbs: Lkrung der Krbsit.
Lür die Malerei ist das ssibstvsrständliek niebt so auk-
rukassen, als müsse der InbaIt des Wandbildes unter
allen Umständen Ladribsebornsteins und ^rdeitergsstal-


Albert Birkle, Winter in Eiersdorf
dis Maüstäbe der Orundrisse, Knsiebtsn und Scbnitte
sowie di« MalZstäbs der Sebaubilder so klein gewäkit,
daü kein Krsbitekt mit groüsn KuskübrunMn und mit
vurobkonstruktionen bis in die kleinsten Linrslkeiten
künstlsriseks (Gestaltung einer neuen Weltansekauung
sein, der Ausdruck einer neuen menseklicken Haltung.

gskorderten Kunstwerks dargsstsllt.
*
vis Bedingungen des Wettbewerbs der vsutseksn Kr-
bsitskront sind kostenlos dureb das Kulturamt, Berlin 8W 19,
Märkisebes Uker 34, ru belieben.

Albert Birkle
„Da ist das Land Oberschlesien mit seinen
weiten Schutt- und Kohlenhügeln, dazwischen
seinem armen kranken Rasen und den verrußten
Hütten der Menschen. Aus den Schlackenhalden
raucht und schwält es giftig, Geisern gleich platzt
es auf, grünliche Gase entweichen und senken sich
gefährlich über das durchwühlte und anfgerissene
Land der Kohle. Tagaus und tagein speien seine
riesigen Schlote schwarzen Rauch über kärgliche,
baumlose Felder und verhüllen mit dichtem
Schleier eine Sonne, die blutig überm Horizont
sich neigt". — So schildert Albert Birkle sein
Erlebnis dieses seltsamen, zugleich sachlichen und
magischen Bezirks. Birkle, der um die Jahrhun-
dertwende in Berlin geborene Schwabe. Maler
der Vater, Maler der Vater der Mutter, deren
Familie dem Tirolischen entstammt. Was aber
zog ihn, der die Berge liebt und das Meer in
Freiheit und Einsamkeit, in jene nur vom Ham-
merwerk durchklirrte Ode?
Das kam: er hat ein Bild gemalt, das er
„Ahasver" nannte. Aus tiesverschneiter Straße
ein einzelner Wanderer, der den hageren Leib nach
vorne gebeugt, selbst wie das dürre Geäst ist jener
sparsamen Stämmchen, die den Weg wenig tröst-
lich begleiten. Dieses Bild sieht ein Mann, dem
Oberschlesien die Heimat ist. Er geht zum Maler
und sagt: „Noch nie hat jemand das Land, in dem
ich zu Hause bin, so getroffen wie Sie hier un-
bewußt in Ihrem Gemälde. Kommen Sie mit,
schildern sie dieses Land für mich, für meine
Freunde". So entstanden
die Bilder, die Zeichnun-
gen, die das Gewoge der
Halden und das Gewoge
der sich auf dunkelnden
Chausseen drängenden
Menschen ebenso verhaf-
ten wie die kleinen dürf-
tigen Dörfer und das
Weiße Schweigen über
der leeren Weite.
Aber so sehr diese Bil-
der und Blätter auch
einer harten und derben
Wirklichkeit dienen, so sind
sie doch sehr entfernt vom
Typus eines technisieren-
den Jndustriebildes. Wohl
erscheinen auch hier
Schlote und Krane, und
die Luft ist erfüllt vom
schwarzen Qualm der
Zechen und dem gellen
Dampf der Sirenen, aber
dies alles bleibt doch im-
mer — Landschaft. Wie
vom Flugzeug herab ver-
schwindet, was dem unten
Verharrenden unmeßbar
riesig und bedrohlich die
Brust und den Atem be-
engt, so gelingt auch hier
dem Maler die große
Verzauberung, die der
Sinn und der Wert sei-
ner Kunst ist. Die Not
des Alltäglichen wird
nicht verleugnet und
nicht ins Rosige umge-
fälscht, aber sie wird vom
Zufälligen aufgehoben in
das Symbolische. Hier ist
zugleich die genaueGrenze
zur Photographie, die eben
jenesSymbolische niemals
zu leisten Vermag. Und Albert Birkle, Bildnis
es ist fast selbstverständ-
lich, daß Birkle, der Maler, der an der Berliner
Akademie sich schulte, mit Religiösem begann.
Er wagt einen übergroßen Kruzifixus, in
Herrenberg bei Tübingen zeugt von ihm ein um-
fangreiches Glasbild, er malt Fresken für dörf-
liche Kirchen än Württemberg und im Schwarz-
wald. Vielleicht noch vom süddeutschen, vom
schwäbischen und tirolischen Erbe des Bluts her
schwingt in ihnen der Puls des Barocks. Und
diese barocke Ader, die das gesamte Schaffen des
jetzt 34jährigen deutlich vibrierend durchzieht, ent-
hebt uns der Frage, wie hier in den Arbeiten
Birkles Romantisches und Sachliches, wie heute
so oft, sich mischen. Barock — das ist zuweilen
freilich die Gefahr buntschillernder Kulisse, ein die
Nerven und Sinne betörendes Kreisen, das doch
nie sehr in die Tiefe dringt, Barock — das ist aber
auch noch die Einheit eines Lebens- und Welt-
gefühls, das zwar schwächer als die Gotik, indessen
an innerer Geschlossenheit von keiner späteren
Epoche erreicht ward. Birkle weiß selbst sehr Wohl,
daß er hier und da einem nur noch Dekorativen
zu entgehen hat, daß er vor einem sehr barocken
Schwelgen in Grün und Lila sich hüten muß. So
rettet er sich in den strengeren Norden, entdeckt
Pommern, den Hafen Stettins. Er malt die
Speicher, die Schiffe, das Gestänge der Masten.
Und er bettet auch hier eine wenig lockende ver-
regnete Gasse in jenen großen unendlichen Zu-
sammenhang, der die Fabrik so gut umgreift wie
den Baum. Und daß ihm auch hier wie im oberen
Schlesien die kosmische Verzauberung gelingt, ist
das Positive seiner barocken Haltung. Die Grund-
elemente des deutschen Schaffens: das selbstgenug-
same Spiel der Linie und die über alles Wirkliche
gesteigerte Farbe, mit beiden ist Birkle gleichsam
von Haus aus begabt. Seine künstlerische Zukunft
wird davon abhängen, inwieweit er den negativen
Pol eben jenes Barocken überwindet.
Seit einiger Zeit lebt er wieder unten im
Süden. Bei Salzburg. „Natur wird enger und
uns entfremdet. Um nicht als Mensch zugrunde
zu gehen, fordert das erregende Geschehnis der
Stadt ein Gegensätzliches. Immer wieder zieht
es mich fort von den Menschen zur Natur, neu
locken die Hochebenen Norwegens, die einsamen
Seen Islands, die ewigen Schneeberge Grönlands
und damit das einfache, selbstverständliche Leben

der Fischer und Bauern", schrieb Albert Birkle vor
nun schon zwei Jahren. Und er schloß damals
und gab damit zugleich ein Persönliches Bekennt-
nis: „Von diesen Dingen mehr in die neue Welt
hinüberzuretten, scheint mir heute Aufgabe des
Künstlers". Q -O varxel
Deutsche Maler bis Holbein. Von N. Seiffert»
Wattenberg. Als Jahresgabe für Mitglieder heraus-
gegeben vom Kun st verein Hannover. Laden-
preis 10 RM.
Der Band zeigt auf 130 vortrefflichen Tafeln die schönsten
Werke der deutschen Malerei bis etwa zur Mitte des 15. Jahr-
hunderts. Auf eingehendes wissenschaftliches Kommentar ist
grundsätzlich verzichtet und dafür auf unbeschwerte Anschau-
ung Wert gelegt. „Dem Herzen und nicht dem Kopfe sollen
die deutschen Meister sich einprägen." Dem Text ist nur
geringer Raum zugemessen. Der Band ist buchtechnisch vor-
züglich ausgestattet, die Verwendung besten Kunstdruckpapiers
kommt den Wiedergaben der Gemälde zustatten. Es war ein
sehr guter Gedanke, gerade durch zahlreiche Teilbilder und
Ausschnitte aus den Werken die naiven Köstlichkeiten der
von italienischem Einfluß noch unberührten deutschen Kunst
aufzuweisen. Das von uns in der Nr. 4 des 2. Jahrgangs ge-
brachte „Meer" von Lukas Moser war ein solcher diesem
Buch entnommener aufschlußreicher Ausschnitt aus dem Tiefen-
bronner Altar. Der Kunstverein Hannover nimmt unter den
deutschen Kunstvereinen eine hervorragende Rolle ein und
wird sich durch das Geschenk, das er seinen Mitgliedern mit
der vorliegenden Buchausgabe macht, neue Sympathien er-
werben.
Vier Abbildungen zu dem Aufsatz „Norden und Süden"
von Georg Gustav Wießner in Nr. 5 der „Kunst der Nation"
wurden mit Genehmigung des Akademischen Verlags Dr. Fritz
Wedekind L Co., Stuttgart, dem Buche: Wießner, Der
Pulsschlag deutscher Stilgeschichte, Vd. I, entnommen.


Tristan
in der Berliner Staatsoper
Tristan unter Furtwänglers Leitung — das
bedeutet für den Musikfreund wie für den Opern-
liebhaber (die beiden Begriffe sind durchaus nicht
identisch!) höchste Erhebung. Fast wird die Oper zur
Sinfonie mit obligaten Singstimmen, so sehr liegt
die geistige Führung bei der alles beherrschenden
Suggestion des Mannes am Pult. Wie Furt-
wängler in ständig sich steigernder Leidenschaft,
nicht eine Minute an Intensität nachlassend, das
Werk vor uns aufbaut, das ist schlechthin hin-
reißend und macht den tobenden Beifall am Schluß
durchaus begreiflich. Das Orchester leistet, da
Furtwänglers Steigerungen manchmal hart an die
Grenze des Ausführbaren gehn, Außerordentliches.
Geradezu sestspielmäßig könnte die Aufführung
sein, wenn — ja, wenn nicht im Szenischen so
gut wie alle Möglichkeiten, anständig Oper zu
spielen, verpaßt worden wären. Tristan ist nun
mal keine „Repertoire-Oper" (ein Begriff, von
dem wir hoffen, daß er tunlichst bald ausstirbt).
Man hat ihn mit Recht an einem Sonntag an-
gesetzt, weil der Zuhörer ausgeruht und in Feier-

Kunflverein Hannover e.V.
ISS. AO
BhjshrsMjlellung M
Malerei Plastik Graphik
1 l. März bis 29. April 1954, tägl. 11 -17 Uhr
 
Annotationen