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Die Kunst in der Photographie — 1.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.41388#0029
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Täuschung dem Raum den Eindruck des
Geschlossenen, Beengten, und schuf dieser-
art den in Wirklichkeit rings umschlossenen
Raum zu einer weit geöffneten Halle, zu
einer Plattform mit weiter köstlicher Fern-
sicht um, wobei ihm die damals unter
Italiens vorwiegend blauem Himmel sehr
angebrachte Lichtgebung des Raumes durch
ein offenes mittleres Oberlicht für die
möglichst natürliche und reichliche Be-
leuchtung dieser Wandmalereien sehr zu
statten kam. — Wie gern die Baumeister
der italienischen Renaissance ähnliche Hilfs-
mittel anwendeten, um die weiträumige
Wirkung ihrer Wohnhäuser zu erhöhen,
beweist z. B. ein Spaziergang durch die
Strassen von Bologna. Allerwegen sieht
man dort durch die mit Gitter ver-
schlossenen Palastportale hindurch in weite
Hallen und endlos scheinende Bogengänge,
die hinten in einen köstlichen weiten Gar-
ten mit Springbrunnenanlagen endigen.
Geht man der schönen Perspektive aber
näher zu Leibe, so entdeckt man gar bald,
dass alle die Bogengänge und Garten-
durchblicke auf der hinteren Abschluss-
wand des oft nur eng begrenzten Corridors
meisterhaft aufgemalt sind! — Aber noch
weit feinerer Mittel, als es solche Kulissen-
effekte sind, haben sich die Architekten
zu allen Zeiten gern und mit Erfolg be-
dient, um eine perspektivische Schein-
vergrösserung ihrer Bauwerke imAeusseren
und Inneren zu erreichen. — Die horizon-
talen Gesimse der Prosceniumswände in
grösseren Theatern werden gern nach der
Bühne hin fallend, nicht horizontal, kon-
struirt, um solcherart eine Scheinvertiefung
des Raumes zu erzielen und auf die per-
spektivischen Horizontallinien der Bühnen-
dekoration vorzubereiten. — Bei Kuppel-
kirchen wird der sog. „Tambour“, d. i.
der die Kuppelwölbung tragende zylindri-
sche Aufbau, weniger aus statischen, als
Professor Eugen Bracht-Beriin. aus ästhetischen Gründen, häufig nach
Motiv aus Rapallo oben verjüngt, weil so der Kuppelraum,
yom Inneren der Kirche gesehen, aus den vorher erörterten Gründen einen wesentlich höheren Eindruck
macht (z. B. bei der Paulskirche in London). — Bei dem vor einigen Jahren stattgehabten Umbau der
Dreifaltigkeitskirche in Berlin ist ein ähnliches optisches Kunststückchen zu Gunsten der inneren Raum-

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