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Die Kunst in der Photographie — 1.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.41388#0053
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Maler hinzuzuziehen, welche bisweilen durch ihre abweichenden Gesichtspunkte und ihre besonderen
Geschmacksrichtungen nützliche Rathschläge geben können, die jeder benutzen kann. Aber wir sind
durchaus dagegen, photographische Werke nur durch Maler und Bildhauer beurtheilen zu lassen.
Jedem sein Fach! Wie weit auch der Blick eines Malers sein mag, Photographien wird er stets
von seinem speziellen Standpunkt aus prüfen. Um billig beurtheilt zu werden, sind die Photographen
von ihresgleichen zu beurtheilen. Wenn man annimmt, dass sie fähig sind, Kunstwerke zu schaffen,
Werden sie auch fähig sein, über Schöpfungen ihrer Kollegen in künstlerischer Hinsicht eine Kritik zu
geben. Wenn man hingegen annimmt, dass sie keine Kunstwerke schaffen können, ist es auch über-
flüssig, Kunstmaler und Bildhauer mit der Beurtheilung der Bilder zu belästigen. Und was die Technik
anlangt, so werden die Photographen diese immer besser beurteilen können. Oft indessen hat man gut
gethan, Kunstmaler und Bildhauer zu den Jurys photographischer Ausstellungen einzuladen, weil man sie
auf diese Weise nöthigte, der Photographie, der sie bisher fern standen, schon von vorn herein ein
gewisses Interesse entgegenzubringen; sie werden dadurch auch schliesslich für unsere Sache gewonnen. —


A. Canfyn. k taamu
Abend am Meere.

In der Hitze der Debatten hat man oft behauptet, dass die Photographie die anderen Künste
bald erdrücken werde, und mehr als einen Maler haben wir über den Rückgang der grossen Malerei
seufzen hören, insbesondere des Porträtfaches, indem er hierfür die Erfolge der Photographie verant-
wortlich machte. Die Photographie hat niemals andere als schlechte Maler bedroht. Es genügt, um dies
zu beweisen, nur auf das seit einigen Jahren in England eingetretene Wiederaufblühen der Künste hin-
zuweisen — und England ist doch gerade das Land, wo die Photographie am meisten entwickelt ist.
Auf jeden Fall existirt kein einziger Photograph, der so anspruchsvoll wäre, behaupten zu wollen,
dass die Photographie jemals die Malerei ersetzen könne. Die Kunst, die einen Raphael, einen van Dyck,
einen Rubens berühmt gemacht, ist unsterblich, und keine Dunkelkammer wird sie jemals erschüttern können.
Photographie ist viel bescheidener. Sie verlangt nur ihren Platz an der Sonne; sie will nur die
-Malerei, die Gravure, die Bildhauerkunst als Schwestern betrachten können. Sie ist ihre jüngste
Schwester und bis heute immer ein wenig das Aschenbrödel gewesen. Aber wir zweifeln nicht, eines Tages
einen schönen Prinzen auftauchen zu sehen, der sie nach dem Schloss der Künste führen wird, wo ihr
bereits ihr Platz bestimmt ist. Wenn man bedenkt, wie wenig Jahre sie erst neben ihren älteren
Schwestern existirt, wird man auf das Höchste von ihren Fortschritten in so kurzer Zeit überrascht sein.

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